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Bauernhof in Ruppichteroth-SchönenbergTiere haben auf Gut Fussberg ein gutes Leben bis zum Schlachthof

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Ruppichteroth – Landwirtschaft? Lohnt sich nicht, sagen die, die ihren Betrieb aufgeben, zermürbt von fallenden Milchpreisen und ruinösem Wettbewerb der Fleischbranche. Lukas Tölkes ging den umgekehrten Weg und wagte mit gerade mal 20 Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit.

Er wartet vor Gut Fussberg, einem Backsteinhaus Baujahr 1905, das Dach hat ein Loch. Floppy, der junge Magyar Vizslar, tappst herum, schnuppert hier, hechelt da. „Den haben wir vom Tierschutz.“ Vor sechs Jahren hat der ausgebildete Agrarwirt den Hof oberhalb von Schönenberg gepachtet. Und es nicht bereut, obwohl er gesteht: „Ich war ganz schön naiv.“

Vielleicht muss man 20 sein, um allein 100 Hektar bewirtschaften zu wollen, 900 Fleischhähnchen zu halten, 50 Kühe, 100 Gänse. Lukas Tölkes, der jungenhaft-dynamisch wirkt, hat Stalldächer neu eingedeckt, hat einen Grünauslauf fürs Federvieh geschaffen, will den alten Kuhstall abreißen und ihn neu bauen, nebenan auf dem großen Platz. Fläche gibt's genug. Und Arbeit noch mehr.

Gut, dass Johannes Tölkes seinem Enkel hilft. Die Großeltern stellten nicht nur 85 000 Euro Startkapital zur Verfügung, Opa Johannes geizt auch nicht mit Tipps und Ideen und steckt voller Tatkraft. Gerade schleppt der 77-Jährige mit den schlohweißen Locken und dem jung gebliebenen Gesicht einen Eimer heran. „Ich muss noch eine Wand verputzen.“ Der Enkel grinst. „Er schafft viel, nervt aber auch, meckert ziemlich oft.“ Das hebt sich Johannes Tölkes heute offenbar für später auf. Zurzeit meckern nur die Ziegen, die am Gatter hochspringen und ein Sinnbild sind für den Idealismus des Jungbauern: „Die sind nur schön. Die werden nicht geschlachtet.“

Doch mit Idealismus allein läuft der Hof nicht. Hühnerfleisch ist das Hauptgeschäft, Tölkes kauft Eintagesküken von einem Ökohof und zieht sie auf nach den strengen Bioland-Richtlinien. „Eine machbare Investition“, sagt er, pustet unter seinen dichten Pony, während er durch den dick mit Stroh ausgelegten Stall stapft; fragt gleich darauf: „Sind die nicht hübsch?“ und streichelt einem Tier über den roten, straffen Kamm. Dass die Tiere gesund sind und ein gutes Leben haben in den zehn Wochen bis zum Schlachthof, das ist ihm wichtig. Masthähnchen aus konventionellem Betrieb werden nur vier Wochen alt – „dann sind es eigentlich noch Küken“ – höchstens sechs.

In die Öko-Richtung ging er schon in der Ausbildung, lernte unter anderem bei Hüsgen in Hennef Gartenbau. „Am meisten erfahren über Bodenschonung hab' ich allerdings in einem konventionellen Ackerbaubetrieb, der war richtig gut“, sagt der Biolandwirt, der vom Bauernhof kommt, aber vieles anders machen wollte als die Eltern.

Sein Tag draußen beginnt früh um sieben und endet meist gegen 19 Uhr, das Futter erzeugt er, bis auf die Eiweißkomponenten, selbst, baut in der Fruchtfolge Kleegras, Weizen, Gerste und Ackerbohne an. Abends geht die Arbeit drinnen weiter. „Ich baue grad das ganze Haus um. Ich werde nämlich bald Vater“, sagt der 26-Jährige und strahlt. Seine Lebensgefährtin steht dem Hof positiv gegenüber, steckt aber noch mitten im Studium, Latein und Geschichte auf Lehramt.

Auch die besten Produkte verkaufen sich nicht von selbst, das weiß Tölkes, der auf Märkten und online kräftig für sich wirbt und selbstverständlich auch heute das weinrote Poloshirt mit dem Fuchswappen und dem Schriftzug Gut Fussberg trägt. Auch die Geschichten auf seiner Facebookseite kommen an, wie die von Veronika und Oskar, dem Gänsepaar, dem nur ein kurzer Frühling vergönnt war. Dann holte Oskar der Fuchs – und Vroni marschiert seitdem wieder solo voran, im Schlepptau 100 Junggänse, die größeren grasen bis Martini auf der Wiese, die kleineren haben noch eine Frist bis kurz vor Weihnachten.

Privatkundschaft, gesundheits- und ernährungspolitisch bewusste Verbraucher, die einen fairen Preis zahlen wollen – pro Kilogramm Huhn liegt der derzeit bei rund zwölf Euro – informiert Tölkes per Mail über die Schlachttermine alle vier Wochen. Doch diese Käufer allein ernähren den Mann und seine Familie nicht. Vier Restaurants in Köln stehen mittlerweile auf seiner Liste, darunter Le Boef und Stanton’s, mindestens zwei sollen bald dazukommen. „Dann lohnt es sich auch für mich zu liefern.“

Stehen bleiben ist für den Jungbauern keine Option, der begeisterte Kletterer will hoch hinaus und hat schon die nächsten Ziele im Auge. „Ich hätte gern mehr Hühner, 2000, 4000, 10 000 Tiere.“ Und Legehennen. In Kürze soll der Verkaufsraum fertig sein. Ist das allein noch zu schaffen? „Ich würde gern Leute einstellen. Seit einigen Wochen habe ich schon eine Hilfe, allerdings erst mal nur eine 450-Euro-Kraft zweimal die Woche.“

Floppy bellt, der Postbote kommt auf dem Weg nach Kammerich vorbei. Tölkes sagt Tschüss und blickt zum Haus. „Eine Holzhackschnitzelheizung wäre klasse. Doch zuerst muss ich das Dach flicken. Bitte fotografieren Sie das nicht.“

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