Rita Dörper-Link im Gasthof Röttgen46 Ehejahre häppchenweise seziert

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Von fesselnder Bildhaftigkeit und Spannungsdichte war die Erzählweise der Autorin im Saal Röttgen.

Von fesselnder Bildhaftigkeit und Spannungsdichte war die Erzählweise der Autorin im Saal Röttgen.

Neunkirchen-Seelscheid – Die Fähigkeit, „de Schnüss schwade“ zu können, wurde Rita Dörper-Link in die Wiege gelegt. Insofern konnte erwartet werden, dass sie, die ansonsten mit Ehemann Ortwin Dörper und feinem Gespür die Seelscheider Schwaderei und andere Kultur-Schmankerln im Gasthof Röttgen auf die Beine stellt, ihre Premiere als Rezitatorin eigener Texte meistern würde.

Dabei standen die Vorzeichen eher schlecht. Sie habe nämlich, so erklärte sie den 200 Besuchern im urigen Sälchen, einen Albtraum gehabt in der Nacht zuvor. Sah die Veranstaltung in eine Kirche ausgelagert.

Spenden

3380 Euro Reinerlös brachte Rita Dörper-Links Lesung „Szenen einer Ehe.“ 2220 Euro hiervon gehen an die Neunkirchen-Seelscheider Tafel, zweckgebunden für Kinder. 250 Euro bekommt die Gemeindebücherei, den Rest erhält die Kita Seelkirchen für die Anschaffung einer Federwippe mit dem FC-Geißbock.

Die 100 Mönche als Konsumenten ihrer Lesung zum Thema „Szenen einer Ehe“ ließen sie eher am Erfolg zweifeln. Das erst recht, als ihr eine Freundin als Testhörerin zuvor bescheinigt hatte, die Art ihres Vortrags sei „grauenhaft“. Ihre Entscheidung, deshalb aus der Lesung eine joviale „Erzählerei mit Händen und Füßen“ zu machen, war folgerichtig und entsprach wie die Faust aufs Auge ihrer Schnüss-schwad-Begabung.

Zwanzig Geschichten sollten es schließlich werden, in denen sie mit viel Selbstironie ihre 46 Ehejahre sezierte. Dabei nahm sie sich mit stoischer Regelmäßigkeit selbst aufs Korn, vor allem ihre Curvy-Konfektionsgröße („Mir war kalt bis auf die Knochen, das will etwas heißen, denn das ist bei mir schon ein Stück“), die, wie den Ausführungen entnommen werden konnte, ihrem Hang zu lukullischen Freuden geschuldet ist.

Freilich war beim Thema Ehe auch ihr „angeheirateter Bedenkenträger“ Protagonist. Der stand am anderen Ende des Saals, konterte oder ergänzte nötigenfalls und nahm beiläufige Ermahnungen seiner Frau („Wenn du den ganzen Abend stehst, hast du es morgen im Kreuz“) mit Gelassenheit zur Kenntnis. Ohnehin waren Dörper-Links Zwischenbemerkungen genauso unterhaltend wie ihre eigentlichen Geschichten. Die aus der hiesigen Region entwarf sie oft im Dialog mit den Gästen („Wer war schon mal in Brück im Waldfrieden?“), was dem Abend Verbrüderndes gab.

Die Erzählweise der Autorin war von fesselnder Bildhaftigkeit und Spannungsdichte. Etwa wenn sie den „Urlaub im Paradies“ reflektierte, den sie alles andere als traumhaft in Erinnerung hat. Denn das Idyll mit Blick-vom-Pool-aus-über-Florenz und Walnussalleen wurde jäh gestört, als sich ihre Schlangenphobie zu Wort meldete. Eine ein Meter lange grüne Schlange (Zwischenruf aus dem Saal: „Mamba“) lief ihr über den Weg. Jetzt hörte man es rascheln im Saal Röttgen, wähnte man züngelnde Vipern um sich, als sie den toskanischen Garten fiktiv nach Seelscheid holte und dort Ausschau nach den Schuppenkriechtieren hielt („Sind Schlangen Herdentiere?“).

Und mancher empfand das Grauen nach, als sie plötzlich etwas Körperliches unterm Nachtgewand verspürte. Die Atemlosigkeit im Auditorium wich stürmischem Lachen, als die Erzählerin entwarnte: „Es war die Hand meines Mannes.“

Ausgelassen heitere Kammerspiel-Atmosphäre herrschte im Röttgen, was kein Widerspruch war. Denn niemand wollte eine Pointe verpassen. Etwa wenn der Gatte die Wohnung mit eidottergelbem Anstrich versah, sie ihn wiederum während seiner Abwesenheit mit Vanilleblüten-Gelb übertünchte und er nach der Rückkehr befand: „Das mit der Farbe habe ich doch gut hingekriegt.“

Die Reise durchs Ehe-Zwischenmenschliche tangierte zudem eine Fahrradflucht vor der Polizei, Ausflüge mit dem VW-Käfer, den das Paar wegen dessen Farbe „Spinat mit Ei“ getauft hatte und zwischendurch immer wieder Kulinarisches.

Gefeiert wurde die Szene, als Gatte Ortwin in der Annahme, es sei ein Billigprodukt, eine 70 Euro teure Weihnachtslichterkette nicht aufwendig aus dem Gartenzaungeflecht herausfummelte, sondern sich der schnelleren Vorgehensweise mit Schere bediente. Nicht minder zündeten ihr Golfplatz-Erlebnis mit Acht-Euro-69 handgenähten Kalbslederschuhen und die „badische Sulz“, in der Freund Artur seine Geschmacksnerven mit gekochtem, saurem Kuhmagen austestete. Der lautstarken Forderung nach „Nächstes Jahr bitte wieder“ muss zugestimmt werden.

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