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Theater Haus BirkenriedKirchenchef mit Pumps und Lippenstift

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Sibylle Kuhne im letzten Akt ihres Theaters Haus Birkenried: Zum Abschied gibt sie das Monodrama „Die amerikanische Päpstin“ von Esthar Vilar.

Sibylle Kuhne im letzten Akt ihres Theaters Haus Birkenried: Zum Abschied gibt sie das Monodrama „Die amerikanische Päpstin“ von Esthar Vilar.

Neunkirchen-Seelscheid – Pumps, langes dekolletiertes Kleid und roten Lippenstift trägt dieser Papst, denn „das Unfassbare ist geschehen“, wie der erste Satz von Esther Vilars Monodrama lautet: „Habemus papessam“. Auf dem heiligen Stuhl nimmt im 21. Jahrhundert erstmals eine Frau Platz. Sibylle Kuhne als Johanna II. (der Name spielt auf die geheimnisvolle Vorgängerin im Mittelalter an) präsentiert sich im großen Schwarzen; ein toller Effekt auf der weiß gestalteten Bühne im Theater Haus Birkenried.

Die Päpstin trägt Trauer über eine Kirche, die in Trümmern liegt. Doch das glitzernde Bolerojäckchen zeigt auch an: The Show must go on. Die Inthronisierung der heiligen Mutter soll laut Bühnenanweisung in einem Fernsehstudio stattfinden, mit Werbeeinblendungen und gesponsert von einer Versicherungsgesellschaft. So reißerisch freilich zieht Sibylle Kuhne „Die amerikanische Päpstin“ nicht auf. Klug setzt die Schauspielerin auf Reduktion. Ein schlichter Stuhl auf kleinem Podest und ein Rednerpult – mehr Requisiten braucht es nicht, um das Publikum eineinviertel Stunden in Atem zu halten.

Zynischer Flirt

Denn Kuhne zieht alle Register in dieser letzten Produktion, die sie mit ihrem Mann Jörg Kaehler noch im letzten Jahr begonnen hatte. Nach seinem Tod führte sie seine Vision des Stücks weiter: ein Vermächtnis und zugleich der Abschied von Neunkirchen-Seelscheid, denn nach der letzten Vorstellung am 10. Juli gibt die Schauspielerin mit ihrem Haus zugleich auch die kleine Bühne in Hohn auf.

Es ist ein fulminanter Abschied, eröffnet das 1982 entstandene Stück doch einen Gestaltungsspielraum, den Kuhne differenziert nutzt. Diese Päpstin taucht ihr Auditorium in ein Wechselbad der Gefühle. Ist die Oberhirtin doch angetreten, ihre Schäfchen, die massenhaft aus der Kirche geflüchtet sind, wieder hin zu vorkonziliaren Strukturen zu führen.

Ihre Vorgänger, bis zum „wilden Pablo“ (Johannes Paul III.), haben zwar den kirchlichen Besitz veräußert, Zölibat, Ehescheidung und Homosexualität legalisiert – aber die Kirche schrumpft trotzdem. Viel Eloquenz bietet Vilar auf, um einen Zusammenhang zwischen der Liberalisierung der Kirche und ihrer schwindenden Attraktivität zu konstruieren – was man nicht glauben muss.

Doch wirkt die Inszenierung plausibel, denn Sibylle Kuhne präpariert als Leitmotiv die Furcht vor der Freiheit heraus. Auch als Demagogin auf dem heiligen Stuhl bleibt sie ganz Grande Dame, die ein rhetorisches Feuerwerk abbrennt und einzelne Sätze im Gedächtnis nachhallen lässt – etwa: „Das Erfinden eines Gottes muss man üben“.

Vilars zynischer Flirt mit einer Päpstin, die selbst nicht an Gott glaubt, aber die Kirche rettet, indem sie wieder feste Strukturen einführt, endet hier in einer Schreckensvision ganz in Weiß: Da legt die Solistin Mitra und Papstgewand an, bittet mit gefalteten Händen um Vergebung. Scheinheilig oder echt – das bleibt in der Schwebe. Wie dem auch sei: Es ist ein starkes Finale unter Bachschen Orgelklängen.

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