Unternehmen in NeunkirchenTäglich schmutzige Wäsche waschen – Ausbau bei Thurn

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Biochemiker Dr. Ulrich Linden kontrollier Stoffproben nach mehrfachen Waschvorgängen.

Biochemiker Dr. Ulrich Linden kontrollier Stoffproben nach mehrfachen Waschvorgängen.

Neunkirchen-Seelscheid – „Stillstand bedeutet Rückschritt“, sagt Jens Christian Saalfeld. Deshalb hat der Wasch- und Spülmittelhersteller Thurn jetzt seine Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Neunkirchen ausgebaut.

Vier neue Chemiker wurden in diesem Jahr eingestellt, für weitere Stellen in diesem Bereich werden Bewerber gesucht. „Wir haben aktuell 21 Mitarbeiter in der Forschung“, so der Thurn-Geschäftsführer. 550 Angestellte hat die Gruppe mit ihren Standorten. 200 davor arbeiten in Neunkirchen.

Im Vorfeld der Diskussion um den Ausbau der Werke hatte Saalfeld immer wieder betont, dass er den Forschungsstandort in Neunkirchen ausbauen wolle. „Dies ist nun ein erster Schritt“, so der Geschäftsführer.

Rund 500.000 Euro wurden in den letzen Monaten in Laborgeräte investiert. Im hartumkämpften Markt komme es oft auf Kleinigkeiten an, die bei den großen Kunden den Zuschlag bringen. Vor allen bei Discountern wie Aldi und Lidl, die Thurn schon seit Jahren beliefert.

Die Stiftung Warentest überprüft die Qualität der Hersteller regelmäßig. „Wer da durchfällt, hat schlechte Karten“, berichtet Dr. Ulrich Linden. Der Biochemiker ist Leiter des Forschungslabors von Thurn.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „test“ ist Thurn mit seinem Monotab „W5“ Testsieger. Er findet in Geschirrspülmaschinen Verwendung. Neun Produkte wurden getestet. Thurn bekam mit seinem „W5“ die Note 1,9 – „Alma Win“ als schlechtester Anbieter die Note 3,8.

Wer besser sein will als die Konkurrenz, muss wissen, was sie macht. Deshalb hat Thurn in Neunkirchen sein großes Testlabor. „Wir investieren hier in den Wissenschaftsstandort“, so Saalfeld. Rund 150 000 Euro hat eine spezielle Testeinheit gekostet.

Dort wird zum Beispiel die Belastung von Nikotin auf Stoff simuliert: Eine Hülse ist mit drei Zigaretten bestückt. In einem Behälter dahinter befindet sich ein Stoffstück. Die tiefen Lungenzüge besorgt ein Automat. Schnell erkennt man, wie die Rauschwaden im Inneren des durchsichtigen Behälters den Stoff einnebeln.

In Raum daneben steht eine Reihe von Geschirrspülmaschinen. In jeder ist dieselbe Anzahl von Tellern und Tassen. Doch befüllt werden sie mit den Produkten der Mitbewerber. „Zweieinhalb Stunden dauert ein Spülgang“, erklärt Linden. 30 mal hintereinander bestückt ein Roboter die Maschinen, die rund um die Uhr laufen. Dann wird analysiert, wie das Geschirrspülmittel wirkt. „Auch ob es die Farben ausbleicht“, so Linden.

Doch das ist noch nicht alles. Chemikerin Melanie Jucknat kontrolliert gerade eine Reihe großer Tanks. „Das Wasser aus der Wahnbachtalsperre ist sehr weich, also fügen wir Zusätze hinzu, um die Härtegrade zu simulieren, wie sie in verschiedenen Teilen Europas vorzufinden sind“. Mit diesem Wasser laufen ebenfalls Testprogramme in den Spülmaschinen. „Nur so können wir sicher sein, dass unsere Produkte überall gleich gut wirken“, berichtet Saalfeld. „Die Anlage ist eine Eigenentwicklung. Volker Kütemeier hat sie zusammen mit Technikern aus unserem Haus entworfen.“ Er hat seinen Meisterbetrieb in Seelscheid und montiert auch alles. „Wenn wir Betriebe aus der Umgebung beauftragen, haben wir auch kurze Wege“, so Saalfeld.

Die Mischung macht es, auch bei Schmutz. Das wissen die Mitarbeiter in der Abteilung Waschmittel. Für ihre Testreihen benutzen sie ein spezielles Schmutzsubstrat, das sie selber herstellen. Es besteht zu großen Teilen aus Senf, Tomatenmark und Rotwein. Diese Substanz wird auf Stoffvierecke geträufelt, die in den Dauerwaschtest kommen – wie auch beim Geschirr mit Wasser unterschiedlichsten Härtegraden.

Und dann ist da noch die Sanitärabteilung. Bei Urinalen und Toilettenschüsseln wird geprüft, wie schnell Ablagerungen verschwinden. „Und wenn wir mit unserem Produkt zufrieden sind, testen wir es in großen Gaststätten. Erst wenn von dort Zustimmung kommt, ist es wirklich marktreif“.

Die Bürger in Neunkirchen-Seelscheid beschäftigt natürlich auch, was aus dem genehmigten Ausbau des Werkes wird. „Die flüssigen Waschmittel werden wir von Neunkirchen zu unserer Tochter Luhns in Greven verlagern, dafür wird hier in Neunkirchen der Pulverbereich ausgebaut“, erklärt Saalfeld. Davon ist auch Much betroffen. Das Werk dort wird im nächsten Jahr geschlossen. „Den bei Thurn angestellten Mitarbeitern wurden Arbeitsplätze in Neunkirchen angeboten“, berichtet Saalfeld, „wir bei Thurn sind überzeugt, auf dem richtigen Wege und damit den Herausforderungen der Märkte gewachsen zu sein“.

Keine Sorgen wegen des Brexit

Nur keine Unruhe, lautet die Devise beim Wasch- und Spülmittelhersteller Thurn angesichts des geplanten Austritts von Großbritannien aus der EU (Brexit). Die Firma exportiert auch nach Großbritannien.

„Ich halte die Folgen des britischen Austritts zum jetzigen Zeitpunkt für überschaubar für Thurn“, so der Geschäftsführer Jens Christian Saalfeld.

Großbritannien habe nie den Euro als Währung gehabt, damit sei das Wechselkursrisiko das Gleiche wie vorher.

Die Entwicklung des Wechselkurses bleibe abzuwarten, aber er werde sich erfahrungsgemäß in überschaubarer Bandbreite einpendeln.

„Wir sollten nicht vergessen, dass noch vor knapp fünf Jahren das britische Pfund zwischen 1,10 Euro und 1,15 Euro pendelte. Nach einem Anstieg auf rund 1,45 Euro im Jahre 2015 ist der Kurs nun auf rund 1,20 Euro gefallen, also noch immer über dem Niveau von 2011“, erklärt Saalfeld. Außerdem dürfe man nicht außer Acht lassen, dass Rohstoffe weltweit überwiegend in US-Dollar bewertet und gehandelt würden.

Eine andere Frage seien die Handelsbedingungen zwischen der EU und Großbritannien. „Ich teile nicht die in letzter Zeit häufig geäußerte Ansicht oder Befürchtung, Großbritannien könne die Vorteile des europäischen Freihandels verlieren“, so Saalfeld.

Die Rahmenbedingungen für die Zukunft würden hauptsächlich in Brüssel entschieden. Es stünden vielfältige Interessen der Wirtschaft auf beiden Seiten des Verhandlungstisches. Man dürfe nicht vergessen, dass auch heute der Handel mit Nicht-EU-Mitgliedern wie Norwegen oder der Schweiz gut funktioniere.

„Natürlich haben wir auch geprüft, eine Produktionsstätte in Großbritannien zu bauen“, berichtet Saalfeld. Die Untersuchungen hätten aber ergeben, dass die Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen stünden.

Thurn müsste vielleicht mit einem möglicherweise schwachen Pfund die in US-Dollar gehandelten Rohstoffe teurer einkaufen als in Deutschland, und das Lohnkostenniveau sei in Großbritannien höher als hier.

„Wir werden also weiter in Deutschland produzieren und wie gewohnt nach Großbritannien exportieren“, so Saalfeld. (vr)

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