Niklas-Prozess in BonnEx-Freundin belastet den Hauptangeklagten Walid S. schwer

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Der Hauptangeklagte Walid S. wird im Landgericht in Bonn in den Verhandlungssaal geführt.

Bonn – Der achte Verhandlungstag im Bonner Niklas-Prozess startete am Freitag gleich mit einer prozessualen Überraschung: Das Verfahren gegen den mitangeklagten Roman W. (21) solle abgetrennt werden, so der Vorschlag des Vorsitzenden des Bonner Jugendschwurgerichts, Volker Kunkel. Und zwar aus „prozessökonomischen Gründen“.

Denn sämtliche Tatortzeugen, die beide Angeklagte beträfen, seien nunmehr gehört worden. In den nächsten Verhandlungstagen, so die weitere Begründung, seien mindestens 30 Alibi-Zeugen geladen, die ausschließlich den Hauptangeklagten. Walid S. beträfen. Dabei gehe es hauptsächlich darum, wo sich der 21-Jährige am Abend und in der Nacht zum 7. Mai 2016 aufgehalten habe. Der Vorschlag wurde von allen Prozessbeteiligten als „sinnvoll“ begrüßt. Daraufhin packte der Verteidiger von Roman W. seine sieben Sachen, sein Mandant wurde in Handschellen abgeführt. Damit gibt es zwei Prozesse, zwei Plädoyers, entsprechend wird es auch zwei getrennte Urteile geben.

Die erste Alibi- Zeugin wurde mit großer Spannung erwartet. Denn die 17-jährige Schülerin, die zur Tatzeit mit Walid S. „zusammen war“, gilt als Kronzeugin der Anklage. Schüchtern steuerte das Mädchen zum Zeugentisch, während der Angeklagte sein Gesicht zunächst hinter seinem Mantelkragen versteckte. Walid S. versuchte sichtbar jeden Kontakt zu vermeiden. Für die Zeugin in einer rosageblümten Bluse schien der Auftritt eine Folter zu sein. Ihre Stimme wurde immer leiser, die Erinnerungen waren zunächst auch zäh. „Ich weiß nicht genau“, sagte sie immer wieder, „ich habe an dem Abend so viel getrunken. Mir fehlen einige Stellen.“ Wodka-Energy war das zentrale Getränk. Auch wurden Joints geraucht.

Kein Alibi für Walid S.

Bereits viermal war die 17-Jährige im Vorfeld des Prozesses vernommen worden. Trotz aller Ungenauigkeiten ihrer Erinnerung belastete sie am Ende Walid S. Ein Alibi kann sie ihm nicht geben. Denn just zur Tatzeit um 0.20 Uhr war der Freund nicht in ihrer Nähe. Gemeinsam mit einem Kumpel war er angeblich um Mitternacht aufgebrochen, um Getränke bei einer Tankstelle zu holen. Die Ex-Freundin: „Gefühlt war er eine halbe bis eine Stunde weg. Es war eine lange Zeit. Ich habe wiederholt versucht, ihn zu erreichen, er ist aber nie dran gegangen.“ Der erste Kontakt war dann erst wieder um 1.16 Uhr. Von dem schrecklichen Geschehen am Godesberger Rondell, das sich in 300 Meter Luftlinie entfernt ereignet hatte, habe sie in der Nacht nichts gehört. Durch einen einzigen Faustschlag war der 17-jährige Schüler Niklas ins Koma gefallen, fünf Tage später starb er in der Klinik.

Den Freund nie direkt gefragt

Als die Täterbeschreibung veröffentlicht wurde, die auf Walid S. passte, sei sie gefragt worden, ob er der Schläger sei. Da habe sie immer geantwortet: „Nein, wir waren ja an dem Abend zusammen.“ Erst als sie erfahren habe, dass der tödliche Angriff auf Niklas P. nach Mitternacht gewesen war, seien ihr Zweifel gekommen: „Der war so lange weg, der hat bestimmt was damit zu tun. Ich habe ihn aber nie danach gefragt.“ Als Walid S. am 17. Mai 2016 verhaftet wurde, schien sie nicht überrascht gewesen zu sein. Schließlich hatte die Schülerin in den Monaten zuvor zahlreiche Schlägereien miterlebt, in die Walid S. verwickelt war. Meistens passierte es, so die 17-Jährige auf Nachfrage, wenn er „unter Alkohol oder von etwas getroffen war.“ Da habe „ein kleiner Anlass“ schon ausgereicht.

Anderthalb Stunden dauerte ihre Aussage. Draußen vor dem Gerichtssaal fiel die immense Anspannung: Die 17-Jährige weinte und wurde von Freundinnen gehalten. Sie habe, so hieß es, nach wie vor Kontakt zu Walid S. In der Haft besuchen dürfe sie ihn nicht, aber schreiben. Der Briefwechsel wird kontrolliert.

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