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GreifvogelschutzstationEitorferin Dagmar Schröter jagt mit ihren Falken

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Falke Chico ist fehlgeprägt, sieht seine Besitzerin, die Falknerin Dagmar Schröter, als Partnerin und ist sehr zutraulich.

Falke Chico ist fehlgeprägt, sieht seine Besitzerin, die Falknerin Dagmar Schröter, als Partnerin und ist sehr zutraulich.

Eitorf – Manee reißt den Schnabel auf und schreit durchdringend. Der neunjährige Wüstenbussard regt sich über den Besuch in seinem Revier mächtig auf.

Und verschmäht deshalb sogar das tote Küken, das Dagmar Schröter ihm anbietet. Ganz anders Chico, der sich zutraulich auf der behandschuhten Faust seiner Besitzerin niederlässt und Streicheleinheiten einfordert.

Denn Dagmar Schröter ist zugleich seine Partnerin – so zumindest sieht es der vierjährige Ger-Lannerfalke. „Er ist fehlgeprägt“, beschreibt Schröter trocken die Romanze. „Seine Eltern haben ihn nicht angenommen.“ Die Eitorferin zog den Greifvogel von Hand auf. Deshalb lassen ihn Artgenossinnen kalt.

Für die Zucht gibt es Bella und Kami. „Die beiden sind unzertrennlich wie ein altes Ehepaar“, porträtiert Dagmar Schröter die Falken.

„Man darf die Vögel nicht vermenschlichen“, warnt die Falknerin, und doch spricht aus fast jedem Satz das innige Verhältnis, das die 53-Jährige zu ihren Tieren hat.

Schröter züchtet nicht nur Falken und jagt mit Greifvögeln, sie hat auch 2002 „Hagard“ mitbegründet, die Greifvogelauffangstation der Kreisjägerschaft Rhein-Sieg.

Und so pflegt Dagmar Schröter in ihrem Anwesen, das sie mit Ehemann Klaus (52), einem passionierten Jäger, in Eitorf-Bach bewohnt, auch verletzte Fundtiere – zum Beispiel einen Uhu, der ihr aus Hennef-Geistingen gebracht wurde.

Sie vermutet, dass er gegen eine Hochspannungsanlage geflogen ist und sich Prellungen zugezogen hat. In einer Woche wird er die ersten Flugübungen absolvieren und hoffentlich bald im Wald verschwinden, der direkt hinter den Volieren beginnt.

„Als Fünfjährige habe ich erlebt, wie ein Mäusebussard bei uns im Garten gelandet ist“, erzählt Dagmar Schröter über ihr frühes Schlüsselerlebnis.

„Seine imposante Erscheinung hat mich sehr beeindruckt. Ein paar Tage später ist er leider verendet, und wir haben ihn begraben.“

Zum Elternhaus in Eitorf-Schmelze gehörte auch ein Fischteich.

Der Vater angelte, „und wir sind viel gewandert. Für die Erlebnisse in der Natur, wie ich sie jedem Kind heute wünsche, bin ich sehr dankbar.“ Als Schülerin hat sie ein Praktikum im Wildfreigehege Hellenthal absolviert, später dann die Falkner- und Jägerprüfung abgelegt.

30 Jahre lang sammelte Dagmar Schröter Erfahrung im Umgang mit Greifvögeln und hat die „drei wichtigsten Tugenden“ längst verinnerlicht: „Geduld, Geduld und nochmals Geduld“.

Da gab es zum Beispiel den jungen Mäusebussard, der bei Sturm aus dem Nest gefallen war und der sich vor dem Himmel ängstigte. „Vier Wochen hat er nur auf dem Boden geschlafen.“

Eigenständige Persönlichkeiten

Die Jäger der Lüfte beschreibt sie als „eigenständige Persönlichkeiten“. Die Falknerin: „Sie spüren genau, wie die Stimmung ist. Ein Vogel kommt zum Beispiel nicht auf die Faust, wenn man zuvor Stress im Büro hatte.“

Den vermisst die gelernte Industriekauffrau nicht mehr: Sie zog nicht mit, als vor fünf Jahren ihr Arbeitgeber nach Niedersachsen umsiedelte. „Ich wollte für meine alten Eltern in Eitorf da sein.“ Seit einem Jahr leitet sie nun die Greifvogelschutzstation von Gut Leidenhausen.

„Man möchte natürlich jedes Tier retten“, sagt sie. „In etwa 70 Prozent der Fälle gelingt das. Aber bei einem gelenknahen Bruch ist nichts mehr zu machen.“

Dann steht für den Vogel die letzte Fahrt zum Tierarzt an. Sterben und Tod gehören zum Alltag der Falknerin, wenn sie mit ihren Vögeln jagt und einem Beutetier den Herzstich versetzt, um sein Leiden zu verkürzen.

Bei der ersten Beizjagd, der Jagd mit einem Greifvogel, ist dies der Augenblick der Wahrheit: „Ein Vogel ist darauf programmiert, die Beute zu verteidigen. Tut er es nicht, ist das ein großer Vertrauensbeweis. Das heißt, ich habe gut gearbeitet.“

Ihre großen Volieren hat die Hobbygärtnerin mit Blumen und Kräutern, Beeten und Wiesenflächen umrahmt. Auf einer tummeln sich Meerschweinchen.

„Das sind keine Kuscheltiere, sondern Futter für die Greifvögel außerhalb der Jagdzeit“, stellt Schröter nüchtern klar, die das professionelle Töten der Meerschweine im Zoo gelernt hat.

Dass ein reduzierter Fleischkonsum zum bewussten Leben in und mit der Natur gehört, ist für das Ehepaar selbstverständlich: „Einmal in der Woche“ kommt Fleisch auf den Tisch, bevorzugt Wild aus der eigenen Jagd, denn Klaus Schröter ist Jagdaufseher in Eitorf-Bohlscheid.

Wie ein Rassehund

„Reich wird man in diesem Beruf nur an Erfahrung“, sagt Dagmar Schröter über die Falknerei. Preise im fünfstelligen Bereich sind nur mit Tieren zu erzielen, die in die arabischen Golfstaaten gehen.

Doch das bringt die Hobbymalerin, die ihre gefiederten Schützlinge auch auf Leinwand bannt, nicht übers Herz. „Allein die weite Reise möchte ich ihnen nicht zumuten.“ Schröter ist zufrieden, wenn ihre Falken, „die soviel kosten wie ein Rassehund“, in der Region eingesetzt werden. Etwa an der holländischen Grenze, wo ein ehemaliger Eitorfer Falke Krähen jagt. „Und zwar sehr erfolgreich, darauf bin ich stolz.“ (as)

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