Bunter Vogel im RathausHennefer Amtsleiter Müller-Grote zeigt seine Tattoos

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Aus dem Urlaub in Polynesien hat Müller-Grote die Unterarm-Tattoos mitgebracht. Die grafischen Elemente sind beheimatet in der Lapita-Kultur, die sich von Asien aus in der Südsee verbreitet hat.

Aus dem Urlaub in Polynesien hat Müller-Grote die Unterarm-Tattoos mitgebracht. Die grafischen Elemente sind beheimatet in der Lapita-Kultur, die sich von Asien aus in der Südsee verbreitet hat.

Hennef – Ein bunter Vogel in einer Behörde? Das könnte schwierig werden, dachte sich Amtsleiter und Pressesprecher Dominique Müller-Grote. Sein erstes Körperbild sollte deshalb nicht zu sehen sein. „Und meiner Tochter hab ich eingeschärft: Sag es bloß niemandem.“ Mittlerweile ragen Elefantenrüssel und Stoßzähne aus dem T-Shirt-Ärmel, blüht eine Rose auf seinem Handgelenk und flattert ein Vogel auf seiner Wade. Und als er jetzt aus dem Südseeurlaub kam, fragten die Kollegen auf dem Rathausflur: „Wo sind die neuen Tattoos?“

Diese Grafiken zieren die Unterarme des Fünfzigjährigen: rechts gestochen von einer Maschine, links ein kleineres von Hand „gemalt“. Selbst in Polynesien, wo ein Mensch ohne Tätowierung auffällt, sei schwierig gewesen, einen Künstler zu finden, der das uralte, noch ursprüngliche Handwerk ausübt und der seriös und mit höchsten Hygienestandards arbeitet, erzählt der Leiter des Kulturamts.

Ehefrau musste Ja sagen

Die Faszination für den bleibenden Körperschmuck erwachte bei ihm während eines Schüleraustauschs. In England stand der Jugendliche vor dem Fenster eines Tätowierers – und traute sich nicht rein. Wohl wissend, dass es massiven Ärger gegeben hätte mit der Familie: „Die hätten mich sofort zum Hausarzt geschickt“, zum Entfernen. Dann ruhte das Thema, auch als er volljährig geworden war, Philosophie studierte, als Verwaltungsangestellter beruflich Fuß fasste und eine Familie gründete.

Vor etwa sieben Jahren begann Müller-Grote, sich mit Stilen, Techniken und mit der Geschichte eingehend zu beschäftigen. „Die Körperbilder gab es in allen Gesellschaften, selbst Ötzi war schon tätowiert.“ Er sprach auch mit seiner Frau darüber: „Mir war wichtig, dass sie einverstanden ist.“ Vor vier Jahren ließ er sich sein Erstes stechen, an der Schulter, so dass ein T-Shirt-Ärmel es bedecken kann. 17 sind es mittlerweile.

Seit einem warmen Sommertag zeigt er sie auch im Büro. An diesem Tag trug er ein weißes Hemd, und entdeckte auf dem Weg zu einem Termin mit dem Bürgermeister erschreckt vor dem Spiegel, dass die nachtblaue Farbe durch den Stoff schimmerte. Sein oberster Chef Klaus Pipke reagierte gelassen, fragte nur: „Du bist tätowiert?“ Seine tiefgehende Leidenschaft sei nie zum Problem geworden, so Dominique Müller-Grote. Vielleicht auch, weil er seinen individuellen Schmuck nicht in jeder Situation zeigt. Im Rathaus trägt er immer lange Hosen, bei offiziellen Terminen meist Anzug, in Rats- und Ausschusssitzungen auch bei hohen Temperaturen ein langärmeliges Hemd.

Seine Frau würde sich selbst nie die Haut verzieren lassen; sein Sohn, 25, hat es dem Vater nachgetan. Und die zwölf Jahre alte Tochter? Sie müsste auf jeden Fall warten, bis sie volljährig ist. „Man sollte die Motive mit Bedacht auswählen und sich bewusst sein, dass sie ein Leben lang zu einem gehören.“ Und dabei einkalkulieren, dass die Nadelstiche die berufliche Karriere verhindern können. Zumindest in unserer Kultur: „In Polynesien tragen selbst Bankangestellte Tattoos.“

Umfrage: Dürfen Amtsträger tätowiert sein?

Ich habe vor Polizisten mit Tattoo genau so großen Respekt. Bei einigen sieht das richtig gut aus.Tätowierungen sind doch total normal, meine beiden letzten haben mir sogar meine Eltern geschenkt.

Svenja Lütz, 20, Studentin Japanologie, Troisdorf

Ich lehne Tattoos ab, eigentlich auch bei anderen. Zu Uniformträgern passt das nicht. Ein Verbot halte ich aber trotzdem nicht für den richtigen Weg, die persönliche Freiheit sollte vorgehen.

Sven Missenich, 20, Auszubildender, Siegburg

Jeder muss das doch selbst wissen, auch Polizisten, ob in Uniform oder nicht, und andere Amtsträger. Bei Jugendlichen finde ich es aber oft schlimm. Man muss bedenken ist, dass die Farbe schädlich ist.

Gerda Missenich, 60, Rentnerin, Siegburg

Früher ging es um lange Haare, heute lassen viele junge Leute ihre gesunde Haut mit Bildern bedecken. Kleinere würde ich akzeptieren, größere finde ich unseriös. Aber der Mensch ist frei.

Josef Hawle, 68, Künstler, Troisdorf

Ich würde noch nicht mal einen Mann heiraten, der Tattoos hat. Und zu Polizisten, Soldaten und anderen in Uniform passt das einfach nicht. Es ist für mich eine Verunstaltung des Körpers.

Monika Harling, 55, Arbeiterin, Siegburg

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