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Einmalig in DeutschlandErstklässler an Hennefer Grundschule bekommen alle ein iPad

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Trotz digitaler Medien: Abgeguckt wird immer noch. Dabei sind Niklas (l.) und Emil echte Könner mit dem iPad.

Trotz digitaler Medien: Abgeguckt wird immer noch. Dabei sind Niklas (l.) und Emil echte Könner mit dem iPad.

Hennef – „Ich finde es toll, dass ich spielen und lernen miteinander verbinden kann“: Konzentriert schaut die sechs Jahre alte Lilly auf ihr iPad – im Deutsch-Unterricht der Elefantenklasse, der 1 C an der Gemeinschaftsgrundschule Gartenstraße. Sie ist etwas bundesweit Einmaliges. Denn erstmals bekommen Grundschüler ein persönliches Tablet, mit dem sie vier Jahre arbeiten werden, bis zur weiterführenden Schule. Und das gleich ab der ersten Klasse.

Am Dienstag haben sie die iPads bekommen. Sie durften sich die Hüllen aussuchen, rot sind sie, dunkel- und hellblau, gelb und orange, insgesamt acht Farben. Emil hat eine blaue, Niklas eine grüne ergattert. Sie sitzen in der ersten Reihe, begeistert gehen sie bei dem Spiel mit. Sie müssen den Anlaut eines Wortes per Touch auf ihrem Gerät antippen. Am Whiteboard, der interaktiven Tafel, laufen die Antworten zusammen. Die beiden reißen die Arme in die Höhe, freuen sich über richtige Ergebnisse.

Initiative der Klassenlehrerin

Das bundesweit einmalige Projekt hat Klassenlehrerin Ulrike Gemein angeschoben. Mit ihrer Schulleiterin Anke Hennig war sie bei der Bildungsmesse „Didacta“ auf der Suche nach Sponsoren, als das Konzept bereits stand. Dort trafen sie auf Susanne Rupp und Katja Schwaniger vom Berliner Cornelsen-Verlag. „Wir sind zwei sehr überzeugten, kompetenten Lehrern begegnet“, sagte Rupp, Leiterin der E-Didaktik.

Vier Jahre lang will sie die Schule begleiten und dabei lernen: „Wo ist der zwischenmenschliche Dialog wichtig, wie sieht das digitale Klassenzimmer aus?“ Besonders überzeugend fand sie, dass es gleich ab der ersten Klasse los geht. 9000 Euro investierte der Verlag in die Geräte für die 21 Schüler. Die Tablet-Klasse wird wissenschaftlich begleitet, aus den Ergebnissen werden sich neue Schulungs- und Medienkonzepte entwickeln.

Jährlich 400.000 Euro für digitale Medien

Tablets gab es auch vorher schon an der Schule, immerhin investiert die Stadt jährlich rund 400.000 Euro in digitale Medien. Die 31 Geräte waren in einem Pool und konnten abgerufen werden. Neu ist, dass die iPads jetzt personalisiert sind. Gemein erhofft sich davon noch mehr individuelle Förderung. Hennig schätzt die Möglichkeiten eines direkten Feedbacks.

Bei jedem Lernschritt erhält der Schüler eine sofortige Rückmeldung, weit mehr, als eine einzelne Lehrerin leisten könnte. Deutschförderung für Migrationskinder, die Einbindung aller Kinder – auch im Zusammenhang mit dem Inklusionsgedanken – das einfache Produzieren von Präsentationen und Filmen sind weitere Aspekte des Projekts, das im November durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Verlag besiegelt wurde. Die Stadt unterstützt als Schulträger die Klasse beim technischen Management und schaffte zwei Aufbewahrungsschränke als Ladestation für 2400 Euro an, die inklusive Verkabelung eingebaut wurden.

Erfahrungswerte für weitere Medienberatung

Bürgermeister Klaus Pipke bekannte sich dazu, dass Schule das Rüstzeug für digitale Medien an die Hand geben müsse. „Wir müssen so früh wie eben möglich anfangen“, betonte er, auch wenn es als „aufgedrängte Bereicherung“ empfunden werde.

Schulamtsdirektorin Gabriele Hufgard setzt auf Erfahrungswerte für weitere Medienberatung, will aber kooperative Lernformen, soziale und motorische Fähigkeiten sowie andere Lernarbeiten im Auge behalten. Gespannt ist sie auf die Vergleichsarbeiten in Klasse 3. Die Eltern sind mit im Boot, unterstützen das Projekt. Anja Raesch sieht die individuelle Arbeitserleichterung, Nicole Gräber findet, dass es das Lernen für Jungs schmackhafter mache. Und Schulpflegschaftsvorsitzende Silvia zur Nieden berichtete von dem Prozess, der zur Tablet-Klasse führte, von strikter Ablehnung bis zum „Wir probieren es mal.“ 21 Eltern jedenfalls machen mit.

Hennefer Modell findet landesweit Beachtung

Das Hennefer Medienkompetenz-Modell (HNKM) gibt es schon seit 2000, damals einigten sich die städtischen Schulen auf ein abgestimmtes Vorgehen zum Einsatz neuer Medien. Es wurden Standards und Zertifizierungen für die einzelnen Schulstufen entwickelt. „Wir haben das als Projekt erkannt und ziehen das durch“, hat sich Bürgermeister Klaus Pipke von Anfang an auf die Fahne geschrieben und eine IT-Abteilung etabliert.

Das Hennefer Modell hat landesweit Beachtung gefunden, die Stadt war und ist damit vielen Kommunen weit voraus. Jährlich investiert Hennef rund 400 000 Euro in digitale Medien, trotz Haushalts-Sicherungskonzept.

Bereits 2005 wurde der erste Medienentwicklungsplan erarbeitet. Aktuell wird die bereits dritte Auflage für den Zeitraum von 2017 bis 2022 aufgestellt. Darin ist unter anderem die IT-Konzeption und die Homogenisierung der Ausstattung in den Schulen geregelt. Er enthält die Investitionsplanung für den pädagogischen Bereich, Regelungen zu Wartung und Support durch die IT-Abteilung sowie Vernetzung, Controlling, Finanzbedarf. (rvg)

„Schüler wechseln auch zum Buch“

Seit 2004 ist Ulrike Gemein Lehrerin an der Gemeinschaftsgrundschule Gartenstraße. Seither beschäftigt sie sich mit dem Thema „Digitale Medien“.

Frau Gemein, was hat sich in den vergangenen 13 Jahren geändert?

Schon immer habe ich medienunterstützt gearbeitet. Das fing mitLaptops und den interaktiven Whiteboards an, Tablets nutze ich bereits länger. An unserer Schule gibt es einen Pool von 31 Geräten. Und wir Pädagogen haben sehr viel gelernt. Insgesamt gibt es eine deutlich verbesserte Ausstattung. Früher habe ich Lerninhalte meist selber erstellt, inzwischen gibt es auf dem Markt viele Lern-Apps, darunter sind auch einige, die ich persönlich für gut halte.

Was ist das Neue an dem Projekt Tablet-Klasse?

Wir haben früher schon damit gearbeitet, aber wir sind an Grenzen gestoßen. Die will ich jetzt überwinden. Die Tablets an der Schule werden von allen genutzt. Und jedes Gerät schafft nur drei Profile angemeldeter Nutzer. Da kann ich nicht sicher sein, dass ein Schüler beim nächsten Unterricht, das selbe Gerät bekommt. Mit dem iPad für jedes Kind kann ich individuelle Übungen zusammenstellen. Es gibt direktes und häufiges Feedback bei jedem Schritt.

Wollen die Kinder denn jetzt nicht nur noch damit lernen?

Nein, die wechseln selbstständig zwischen den Medien. Viele wollen nach einer gewissen Zeit nicht nur auf dem Computer lesen, sondern nehmen irgendwann lieber ein Buch zur Hand. Das iPad setze ich nur ein, wo es mir hilft. Dafür suche ich die Lerninhalte und Apps aus, die zentral verwaltet werden. Das Tablet ist nur zum Lernen da, es werden keine anderen Spiele heruntergeladen.

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