AnkerschänkeDie Taverne in Mülldorf ist ein beliebter Treff für Bewohner

Lesezeit 3 Minuten
Alles im Griff: Kostas Jordanidis (r.) und sein Sohn Anestis an den Zapfhähnen im Schankraum. Hier wird auch Fußball geschaut, mit Dartspfeilen geworfen und an Automaten gespielt.

Alles im Griff: Kostas Jordanidis (r.) und sein Sohn Anestis an den Zapfhähnen im Schankraum. Hier wird auch Fußball geschaut, mit Dartspfeilen geworfen und an Automaten gespielt.

Mülldorf – Es ist ein nicht sehr hübscher Flachbau, gelegen am Ende einer Sackgasse, vis à vis ragen die Hochhäuser in den Himmel. Drinnen Holz und warme Farben, Kostas Jordanidis, klein, wuselig, violettes Hemd, gestreifter Schlips, güldene Krawattennadel, hat im Schatten der bis zu 13-stöckigen Wohntürme ein Refugium geschaffen.

Die Ankerschänke im Sankt Augustiner Stadtteil Mülldorf mutet an wie ein zweites Wohnzimmer. Hier kommt nur selten jemand zufällig vorbei. Der Wirt kennt seine Pappenheimer, hat schon Ehen gestiftet und Paare versöhnt. Und ist nach einem Ausflug ins Linksrheinische selbst im Viertel fest verankert.

Wohnung gekauft

„Die Ankerstraße hat zu Unrecht ihren schlechten Ruf“, sagt der 50-Jährige, der gegenüber seiner Taverne anfangs erst eine Wohnung angemietet und später gekauft hat. Klar, die beiden letzten Hochhäuser würden eine schwierige soziale Mischung bergen.

„Doch wenn Menschen arm sind, sind sie noch lange nicht schlecht.“ In den vorderen Häusern mit den großen Eigentumswohnungen lebten die Erfolgreicheren, „Polizisten, Ärzte, Beamte“. Da gebe es mit Sicherheit auch Probleme, so Kostas Jordanidis, aber versteckter.

Gerade volljährig geworden, hatte er den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Führte zunächst in Eschweiler ein Lokal, mit Unterstützung seines Vaters Anestis. Später zwei und einen Imbiss. Der Vater hatte zuvor zwei Kneipen in Siegburg.

Unter der Kappe ist eine griechische Spirituosen-Spezialität.

Unter der Kappe ist eine griechische Spirituosen-Spezialität.

Auf die Frage, ob er sich einen anderen Beruf hätte vorstellen können, schweigt Kostas lange. Nach reiflicher Überlegung schüttet er den Kopf: „Nein“, sagt er mit einem breiten Lächeln, „das war immer mein Traum.“

Seit fast 20 Jahren steht er nun in der Ankerschänke am Zappes, wirkt mit seiner lockigen „Vokuhila“-Frisur wie frisch den 80ern entsprungen. Immer mit Krawatte, bestätigt sein Sohn Anestis junior: „Ich kenn’ ihn gar nicht anders.“ Der 21-Jährige packt wie seine Schwestern mit an, wenn er gebraucht wird. Mutter Nopi, 47, hat die Küche im Griff. Und auch Großvater Anestis senior kann nicht loslassen und steht hinterm Tresen, wenn Not am Mann ist. Wie Silvester.

Im Flachbau hinter den Hochhäusern fast versteckt befindet sich die Ankerschänke nebst Biergarten.

Im Flachbau hinter den Hochhäusern fast versteckt befindet sich die Ankerschänke nebst Biergarten.

Für die angemeldeten Gäste gab’s Büfett und Unterhaltung, bis zu 70 finden Platz in der Pinte. Für spontane Besucher blieb die Tür zu. Im Sommer wird im Biergarten zwischen Betonkübeln und griechischen Statuen auch schon mal der Holzkohlegrill entflammt.

Rund 1550 Menschen leben im hoch verdichteten Viertel, ein Drittel aller Mülldorfer. Hier gibt’s einen kleinen russischen Lebensmittelladen, eine winzige Spielhalle – und halt Kostas Taverne, in die sich allerdings nur selten Griechen verirren. Weil es in der Gegend kaum welche gibt, so Kostas: „Nur eine Familie dort und eine dahinten.“

Zahlreiche Devotionalien überwiegend vom Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln sind in der Gaststätte ausgestellt.

Zahlreiche Devotionalien überwiegend vom Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln sind in der Gaststätte ausgestellt.

Am Eingang grüßt schon ein Geißbock, drinnen herrscht komplett der FC. Daneben schlägt Kostas’ Herz aber auch für Paok Saloniki. 100 Prozent sei er Grieche, obwohl in Deutschland geboren und aufgewachsen, sagt der 50-Jährige. Die Kinder beherrschen fließend die Sprache seiner Eltern, und auch Tochter und Schwiegersohn sprechen mit Kostas ersten Enkelin daheim nur Griechisch.

Die Familie wird hochgehalten. Auch deshalb schenkt er nicht nur Bier aus, sondern seinen Gästen gern sein Ohr. Der Beichtvater der Ankerstraße hat so manche Beziehung schon gekittet, in einigen Fällen reichte schon der Rat: „Kauf einen Blumenstrauß.“ Die schönste Begegnung erlebte der Wirt vor gar nicht langer Zeit: Eine Frau fand durch seinen Tipp nach 38 Jahren ihren verloren gegangenen Vater wieder. Er ist Kostas Stammgast.

KStA abonnieren