Geburtsstation in Sankt AugustinKrach um den Kreißsaal

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Die Asklepios Kinderklinik in Sankt Augustin

Die Asklepios Kinderklinik in Sankt Augustin

Sankt Augustin – Erst vor sechs Jahren wurde in den neu errichteten Kreißsälen der Asklepios-Kinderklinik in Sankt Augustin das erste Baby geboren. Jetzt soll die Geburtshilfestation schließen. Schon Mitte 2017 soll dort Schluss sein. Der Ausbau hatte damals fast drei Millionen Euro gekostet. An der Zahl der Geburten liegt das nicht. Die sind mit 1000 pro Jahr sehr stabil, wie der ärztlichen Direktor Ehrenfried Schindler bestätigte.

Die Klinik wolle sich in Zukunft auf ihre Spezialgebiete Orthopädie, Pädiatrie und Neurochirurgie konzentrieren, die auch überregional bedeutsam seien, heißt es von Seiten des Unternehmens. „Es geht dabei nicht um Wirtschaftlichkeit“, betonte Unternehmenssprecherin Rune Hoffmann. Es gehe um Spezialisierung. Die Patientinnen sollen zukünftig in Bonn oder Troisdorf entbinden.

Mit diesem Schritt der Spezialisierung folgt die Klinik einer politischen Leitlinie von NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne). „Wir brauchen einen Umbau der Krankenhauslandschaft, damit wir auch in Zukunft noch gut versorgt werden können“, erklärte Steffens. Kliniken müssten sich auf ihre Stärken konzentrieren, Überkapazitäten abbauen und kooperieren. Die Herausforderungen haben sich in den letzten Jahren geändert: Es gibt beispielsweise immer mehr ältere Patienten, daher muss die Zahl der geriatrischen Abteilungen ausgebaut werden, in der Geburtshilfe gibt es dagegen Überkapazitäten. Für diese Anpassung und andere Maßnahmen im Krankenhausplan NRW gibt es seit 2016 den „Strukturfonds NRW“, der mit 210 Millionen Euro beim Umbau der Krankenhäuser unterstützen soll.

„Die Schließung in Sankt Augustin ist ein gelungenes Beispiel wie in NRW der Krankenhausplan vor Ort umgesetzt und zwischen den Krankenhäusern kooperiert wird“, sagte Lothar Kratz, Sprecher der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Mit dem Krankenhausplan sichert die Landesregierung die flächendeckende und wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung. Ob diese in Sankt Augustin nun noch gewährleistet ist, muss die Landesregierung prüfen und die Schließung dann noch genehmigen.

Wenn Klinken und Krankenhäuser als Wirtschaftsunternehmen überleben wollen, dann werden sie sich vom Komplettangebot verabschieden müssen, ist der Tenor der Krankenhausreform in NRW. Den Trend der Spezialisierung verfolgen einige Kliniken auch durch Kooperationen: „In NRW schließen sich immer mehr Krankenhäuser zu Verbünden zusammen und stimmen innerhalb dieser ihr Leistungsspektrum ab“, so Kratz. Vor allem in Ballungszentren wie dem Rheinland.

Das ist im St. Vinzenz-Hospital in Köln-Nippes schon Alltag. Im Verbund mit dem Marien-Hospital, dem St. Franziskus-Hospital und dem Heilig Geist-Krankenhaus unter dem Dach der Stiftung der Cellitinnen arbeiten die Mediziner schon Standort übergreifend.

Jedes Haus habe andere Schwerpunkte, so eine Sprecherin des Vinzenz-Hospitals. Das habe auch politische Gründe, damit man sich nicht gegenseitig die Patienten wegnehme. Durch den Schulterschluss bündele man Kompetenzen, die man nicht in einer Klinik zusammenbekomme. Die Zusammenarbeit werde derzeit auch intensiviert. Die Frauenkliniken des Heilig Geist-Krankenhaus und des St. Vinzenz-Hospital seien gerade zusammengelegt worden, damit jede Patientin besser behandelt werden könne.

Aber die Krankenhauslandschaft in NRW ist sehr durchmischt. Der Unterschied zwischen den Ballungszentren und den ländlichen Regionen ist sehr groß. Die Zahl der Krankenhäuser in Regionen mit sinkender Bevölkerung sei immer noch so hoch wie vor 25 Jahren, heißt es im NRW-Gesundheitsministerium. In Großstädten gebe es dagegen oft gleich mehrere Spezialzentren. Das führe ohne Vernetzung zu starker Konkurrenz. Dass eine Abteilung nicht aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen wird, wie in Sankt Augustin, ist aber eher selten der Fall.

Die Schließung der Geburtsstation hat, entgegen der positiven Einschätzung von Lothar Kratz, im Rhein-Sieg-Kreis für viel Kritik gesorgt. Denn in der ländlichen Region gibt es ohne die Asklepios-Klinik im Umkreis nur noch drei Standorte der Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe, in dem Schwangere entbinden können: Bonn, Bad Honnef und Troisdorf. Um eine Unterversorgung etwa der Landbevölkerung zu verhindern, ist der Krankenhausplan gedacht. Der stellt zum Beispiel sicher, dass auch künftig das nächste erreichbare Krankenhaus nicht mehr als 20 Kilometer entfernt liegen darf. Wenn der Betreiber ein Krankenhaus schließen wolle und die Kriterien des Krankenhausplans dann nicht mehr erfüllt seinen, könne die Landesregierung die Schließung unterbinden, so Kratz von der Krankenhausgesellschaft NRW.

Grundsätzlich ist aber Fakt: „Die Zahl der Kliniken wird kleiner werden“, sagt der Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums, Christoph Meinerz. Das sei auch der richtige Weg. Es gebe nicht so viele Spezialisten, aber immer mehr Patienten. Deswegen sei eine Spezialisierung von Kliniken sinnvoll. Studien würden außerdem zeigen, dass dadurch die Qualität der Behandlungen steige. Immer mehr Menschen erkundigten sich, wo man sie besten behandeln könne und nähmen dafür auch längere Strecken in Kauf, so dass nicht die nächste Klinik immer die erste Wahl sei, sagte Meinerz. Auch der Wohlfühl-Faktor und das gute Arzt-Patienten-Verhältnis werde immer wichtiger.

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