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Mit Service durch die KriseEinzelhändler setzen auf Bestellungen und Lieferungen

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Jonathan Wohlfahrt, im Rewe-Markt in Niederseßmar unter anderem zuständig für den Abholservice.

Jonathan Wohlfahrt, im Rewe-Markt in Niederseßmar unter anderem zuständig für den Abholservice.

Oberberg – Ein Tischchen im Eingang ersetzt die Ladentheke, das Kartenlesegerät die Kasse, die Kunden müssen draußen bleiben. Sie können die dekorativ arrangierten Bücher im Innern nur von Ferne betrachten: Wie an einem improvisierten Marktstand reicht der Bergneustädter Buchhändler Christian Baumhof ihnen Papiertüten mit über den „Tresen“. Gleich neun Bücher hat Ulrike Bohle bestellt, jetzt sind sie da, als Geschenk verpackt.

Gleich vier weitere Lesehungrige stehen weiträumig auf dem Bürgersteig Schlange. Das Wochenende steht bevor, einen Krimi nimmt ein Kunde mit nach Hause, am Vortag telefonisch bestellt, schneller geht’s auch im Internethandel nicht. Und die ausführliche telefonische Beratung gab’s gratis dazu.

Kunden wollen den Einzelhandel unterstützen

Hannah Bohle kommt sogar zweimal in der Woche vorbei, um Nachschub abzuholen, auch weil sie den Einzelhändler unterstützen will: „Es ist ja ein Trauerspiel, was in den Städten passiert, da sollten wir dafür sorgen, dass uns erhalten bleibt, was wir noch haben!“ Der Andrang an diesem Morgen täuscht: Mit seinem Abholservice im Lockdown verkauft Baumhof wesentlich weniger Bücher als sonst, es sei ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt er, vor allem sei es „ein Service für die Kunden, die gerade jetzt so viel Zeit zum Lesen haben“.

Auch Wolfgang Seitz in Wiehl bietet einen Abhol- und sogar einen Lieferservice an. Die Schuhe werden in der Regel im Internet auf der Homepage des Schuhhauses bestellt, „aber wer sich für ein Modell aus dem Schaufenster interessiert, kann natürlich auch anrufen oder mailen, alles ist möglich“, sagt Seitz. Zum kontaktlosen Abholen an einem Schalter hinter dem Haus wird ein Termin vereinbart.

Eine eventuelle Rückgabe funktioniert genauso. Vieles ist zur Zeit reduziert, als Schuhgeschäft ist man abhängig von der Mode. „Wer will nächsten Sommer noch gelbe Schuhe tragen“, seufzt der Vorsitzende des Oberbergischen Einzelhandelsverbands und beklagt das Ausbleiben von staatlichen Hilfen. Es sei Zeit, die neue Kollektion fürs Frühjahr zu bestellen – doch von was soll er sie bezahlen, wenn das Weihnachtsgeschäft komplett ausgefallen ist? Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 sei der Bestellservice einigermaßen gelaufen, erzählt er.

„Es war schönes Wetter, alle wollten raus!“ Jetzt seien die Straßen verödet, die Umsätze auf ein Viertel geschrumpft, „das einzige was geht, sind Kinderschuhe. Da ist sogar eine Frau aus Köln zum Abholen nach Wiehl gekommen, weil dort alles leergefegt ist.“ So bieten er und seine Frau Gabriele an, die Schuhe auch zu den Kunden nach Hause zu bringen. „Wir stellen sie vor der Tür ab, warten draußen, bis sie anprobiert wurden. Stammkunden können auch per Überweisung bezahlen.“ Alles, um durchzuhalten in dieser „sehr, sehr ernsten Situation“.

Über „30 bis 40 Prozent mehr Kundschaft“ kann sich dagegen der Bioprodukte-Lieferant Novum in Bergneustadt freuen, erläutert Niederlassungsleiter Andreas Weibelzahl. Einmal die Woche wird in Oberberg und den Nachbarkreisen an einem festen Tag ausgeliefert, im Abo, das bis spätestens zwei Tage vorher aber auch verändert werden kann. Waren es bis zu Beginn der Corona-Krise vor allem junge, ernährungsbewusste Familien, die den Service nutzten, so seien es jetzt mehr und mehr „vorsichtige Menschen, die lieber zu Hause bleiben “, hat Weibelzahl beobachtet.

Jonathan Wohlfahrt, im Rewe-Markt in Niederseßmar unter anderem zuständig für den Abholservice, kann das bestätigen. Bestellt wird dort per App, ein Zeitfenster von zwei Stunden zum Abholen ausgewählt, und schon macht sich ein Mitarbeiter auf den Weg durch den Markt, um den Einkauf in einer Pfandkiste zusammenzustellen. Frisches kommt in eine Isolierkiste mit Kühlakkus, Tiefkühlkost in spezielle Gefrierschränke. Alles steht in einem besonderen Raum bereits gescannt zum Abholen bereit, bezahlt wird inklusive Servicegebühr an einer speziellen Kasse.

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„Wir haben zur Zeit 15 Plätze, wenn wir doppelt so viele anbieten würden, dann würden sie wohl auch genutzt, gerade zur Zeit“, ist Wohlfahrt überzeugt. Ganze Wocheneinkäufe stehen am Samstagvormittag bereit. Einzige Hürde nach seiner Erfahrung: Ältere Kunden täten sich recht schwer mit der Bestellung per App.

Den Eindruck hat auch Alexander Bosbach, Marktleiter der DM-Drogeriemärkte in Gummersbach und Bergneustadt. Drei Stunden vor dem gewünschten Abholtermin kann auf der Homepage online bestellt auch bezahlt werden. Der Einkauf steht dann in einer Papiertüte zum Abholen bereit. „Ich hab’s mit meiner Schwiegeroma im Altenheim getestet, sie braucht auf jeden Fall Hilfe dabei, aber es funktioniert besser als eine handgeschriebene Einkaufsliste “, resümiert er. Insgesamt komme das Serviceangebot bei der Kundschaft an: Nutzten es in Bergneustadt zu Anfang im März 2020 um die fünf Kunden pro Tag, so seien es zur Zeit auch mal 15, darunter viele Familien mit Kindern.

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