Sven Heuchert in SiegburgEine Reise ins Herz der Finsternis

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In der Buchhandlung R2 der Brüder Remmel las Sven Heuchert aus seinem Buch „Dunkels Gesetz“.

In der Buchhandlung R2 der Brüder Remmel las Sven Heuchert aus seinem Buch „Dunkels Gesetz“.

Siegburg – Der Mann heißt Dunkel – Richard Dunkel. Ein passender Name für den Ex-Söldner, der von einer finstereren Vergangenheit umgetrieben wird. Die Gegenwart ist kaum besser: Dunkel verschlägt es ins deutsch-belgische Grenzgebiet, wo er in einer stillgelegten Mine einen Security-Job übernimmt. Dort ist ein Kind zu Tode gekommen; von seiner Leiche haben die Wildschweine kaum etwas übrig gelassen.

Literarische Langstrecke

„Altglück“ heißt der Ort, der seine besten Tage längst hinter sich hat. Hier warten windschiefe Häuser, eine speckige Tanke, verrottende Schuppen, rostige Silos und ein trostloser Puff namens „Walterchen“. Hier raucht man noch Reval ohne Filter, dröhnt sich morgens schon mit Wodka zu, knallt streunende Hunde kurzerhand mit der Schrotflinte ab. Kleine Dealer hoffen auf die große Kohle, und dafür greifen sie auch mal zum Baseballschläger. Die nächste Polizeistation ist 30 Kilometer entfernt. Ein „lähmendes Vergessen“ liegt über diesem Land.

„Ja, es ist eine Reise ins Herz der Finsternis“, so sieht es Sven Heuchert selbst, der aus seinem Roman „Dunkels Gesetz“ in der Buchhandlung R² las. Hier hat die literarische Karriere des Siegburgers (Jahrgang 1977) begonnen: Vor zwei Jahren brachten die Brüder Remmel in ihrem Bernstein-Verlag den Storyband „Asche“ heraus, der „hohe Wellen geschlagen hat“, so Paul Remmel. Nun zeige Heuchert, dass er auch die literarische Langstrecke beherrscht. Sein Erstling eroberte Platz fünf auf der Krimi-Bestenliste des Deutschlandfunks im September.

„Es ist ein Roman, der in der Provinz spielt, aber kein Regionalkrimi“, so Heuchert. Und auch kein Whodunit-Krimi – denn wer dem Jungen „die Augen auf null gedreht hat“, steht nach einigen Seiten fest. Vielmehr orientiert sich „Dunkels Gesetz“ an einer Erzähltradition, in der es weder Helden noch Happy End gibt, dafür aber eine Femme fatale. Hier ist es eine verlebte Schönheit, die ihre Tochter durchbringen und nur „irgendwo ankommen will“, aber ahnt: „Was wir hier machen, führt in eine Katastrophe.“ Die ist im „Noir-“Genre unausweichlich, doch orientiert sich Heuchert nach eigenem Bekenntnis weniger an Chandler und Hammett, sondern mehr am Kurzgeschichten-Autor Raymond Carver. Sicher, dessen Finesse bleibt unerreicht. Die holzschnittartig gezeichneten Figuren in „Dunkels Gesetz“ gewinnen wenig Tiefe. Mancher Erzählfaden bleibt in der Luft hängen. Dennoch ist Heuchert ein herausragender Krimi gelungen. Der knallharten Story entspricht ein lakonischer Stil, der den Gossen- und Ganovenjargon genau einfängt. Und sinnlich-präzise ist auch die Schilderung der unwirtlichen Landschaft. Sie wird zum Resonanzraum für all die Verlierer und Ausgestoßenen: „kilometerlange Einöde“ mit Straßen, an deren Rändern sich der Asphalt auflöst, nasse Felder, aus denen schwarze Stümpfe „wie gebrochene Finger“ ragen. Am Ende verlässt Dunkel dies raue Gegend. Aber der Leser hat das Gefühl: Er wird wiederkommen – was der Autor bestätigt, der am Exposé für die nächste Folge arbeitet.

Sven Heuchert: Dunkels Gesetz. Ullstein, 186 Seiten, 14,99 Euro.

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