Zweiter Weltkrieg in SiegburgWiderstand und tatkräftige Hilfe noch im Siegburger Zuchthaus

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Siegburg – Acht Jahre lang hat gebürtige Kölner Wilhelm Pertz in der Siegburger Justizvollzugsanstalt eingesessen, von 1937 bis 1944. „Vorbereitung zum Hochverrat“ lautete das Urteil des Volksgerichtshofs für das Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD). Pertz war schon Jahre zuvor als bekennender Gegner des Nationalsozialismus und somit als „politisch unzuverlässig“ aus dem Dienst der Stadt Köln entlassen worden.

Am Mittwoch verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig für Wilhelm Pertz einen Stolperstein in Köln-Höhenberg und erinnert damit an einen Mann, der „die Bedrohung durch den Nationalsozialismus früher erkannt hat, als die meisten seiner Zeitgenossen, und der unter Gefahr seines Lebens gegen das NS-Regime kämpfte“, so die Begründung.

Mit bei der Stolpersteinverlegung dabei sein werden auch Abgesandte der JVA Siegburg. Denn Wilhelm Pertz steht auch für den Mut derjenigen Häftlinge, die sich trotz aller Repressalien immer wieder aktiv am Widerstand beteiligt haben.

Für Erich Sander geschmuggelt

Bis zum Dezember 1940 saß der damals schon 57-jährige Pertz in Einzelhaft; ab Januar 1941 aber wurde er bei einem der Außenarbeitskommandos eingesetzt. Damit eröffneten sich für den Gefangenen Gelegenheiten, Briefe und Foto-Negative seines Mitgefangenen Erich Sander hinaus- und Lesestoff wieder mit in die Anstalt hineinzuschmuggeln. Erich, den Sohn des berühmten Fotografen August Sander hatte Pertz in der Kölner SAPD-Gruppe kennengelernt, die Sander geleitet hatte. „Weil zu dieser Zeit schon viele der eigentlichen Aufseher an die Front abkommandiert waren und man Handwerker aus Siegburg für diese Aufgabe rekrutiert hatte, waren die Kontrollen lascher als zuvor“, erklärt Dr. Ulrich Eumann, wissenschaftlicher Mitarbeiter aus dem NS-Dokumentationszentrum in Köln.

Pertz war es gelungen, Kontakt mit der Mutter Erich Sanders aufzunehmen. „Es gab insgesamt drei Mithäftlinge, die Sander geholfen haben, Briefe, Negative und Abzüge aus der Anstalt herauszubringen“, so der Wissenschaftler Eumann. Nicht mehr nachzuvollziehen ist heute, wer welches und wie viele Dokumente hinausgeschafft hat. Die Negative jedenfalls waren zu dieser Zeit auf Glasplatten fixiert und hatten deshalb durchaus ein erhebliches Gewicht.

Der Nachwelt sei durch die Arbeit Sanders und der Mithilfe seiner Gefängniskameraden eine „deutschlandweit einmalige Dokumentation über ein NS-Gefängnis“ erhalten geblieben, so Ulrich Eumann, der eine Ausstellung über Sander und seine Arbeit kuratiert hat. Sie wird am 23. Oktober im ELDE-Haus eröffnet werden. Erich Sander starb am 23. März 1944 im Siegburger Krankenhaus – nur noch ein halbes Jahr Haft hätte er bis zu seiner Entlassung vor sich gehabt.

Willi Pertz indes überlebte nicht nur die Haft im Siegburger Zuchthaus, sondern auch seine anschließende Verschleppung in das Konzentrationslager Sachsenhausen im Jahr 1944 und die kurz darauf folgende Verlegung in das Konzentrationslager Ravensbrück. Er wurde kurz vor Kriegsende befreit. Am 25. Mai 1944 traf Willi Pertz in gestreifter KZ-Kleidung wieder in Köln ein.

In der Nachkriegszeit war Wilhelm Pertz weiterhin politisch sehr engagiert. 1958 wurde er als Vertreter der SPD Mitglied der Kölner Stadtverordnetenversammlung. Wie viele seiner Mitkämpfer litt er bis an sein Lebensende an den Folgen von Folter und Haft. Wilhelm Pertz starb 1965 in Köln.

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