Abo

AteliersArbeiten auf einer Insel der Kreativität – Einzug im Kunsthaus Troisdorf

Lesezeit 4 Minuten
Eine Mischung aus Kalkül und Zufall bestimmt die Arbeiten von Beata Obst. An der Arbeit im Troisdorfer Kunsthaus schätzt die 50-Jährige ganz besonders die familiäre Atmosphäre.

Eine Mischung aus Kalkül und Zufall bestimmt die Arbeiten von Beata Obst. An der Arbeit im Troisdorfer Kunsthaus schätzt die 50-Jährige ganz besonders die familiäre Atmosphäre.

Troisdorf – Im Flur leiten die Bilder „Summer rain“ und „Gucci Brille“ den Besucher zum Atelier von Beata Obst.

Zwei hyperrealistische Porträtbilder in Öl auf Leinwand, wie sie charakteristisch sind für die Arbeit der aus Polen stammenden Künstlerin. Die Gesichter sind verborgen oder durch eine neongrüne Brille verfremdet. In diesem schrillen Kolorit tropft auch der „Sommerregen“ auf eine der Figuren nieder.

Solche Bilder hat Beata Obst bislang noch in Köln gemalt, wo sie im Künstlerhaus Poll ein Atelier hatte. Das war ihr irgendwann zu anonym. „Man sieht fast nie jemanden.“ Durch ihren Kollegen Marc Kirschvink erfuhr sie, dass im Kunsthaus Troisdorf ein Atelier frei wurde.

Alles zum Thema Gerhard Richter

Die 50-Jährige bewarb sich und bekam nun den Zuschlag, was sie als Glücksfall wertet: „Das Kunsthaus ist eine Insel. Die Räume sind wunderbar. Ich mag die familiäre Atmosphäre, und der Puls geht hier langsamer als in Köln.“

Als gutes Zeichen wertet Beata Obst auch, dass sie bei den Tagen der offenen Ateliers Ende März auf Anhieb zwei Bilder an eine Troisdorfer Sammlerin verkaufen konnte.

Noch wirkt ihre zwei Räume umfassende Werkstatt unbenutzt, auf der Staffelei steht ein fertiges Porträt. Die Wanduhr muss noch aufgehängt werden. „Die begleitet mich schon seit Jahrzehnten. Ich beginne immer früh am Vormittag mit der Arbeit, denn ich brauche das Tageslicht ebenso wie die Ruhe“, sagt Beata Obst.

Studiert hat sie an der Kunsthochschule im polnischen Nysa, seit 26 Jahren lebt die Mutter eines Sohnes in Deutschland. „Viele meiner Kommilitonen sind ins Ausland gegangen; wer geblieben ist, macht keine Kunst mehr“, beschreibt sie die schwierige wirtschaftliche Situation in ihrer Heimat. Sie selbst wird inzwischen von Kunsthändlern in Köln (Galerie Esch-Renner) und München (Galerie Flash) vertreten, ist in Ausstellungen und auf Kunstmessen präsent.

„Und ich helfe jungen Menschen, die Kunst studieren wollen, bei der Mappenvorbereitung“, erzählt Beata Obst. Stolz sei sie darauf, dass bislang jeder ihrer Schützlinge einen Studienplatz bekommen hat.

„Wer nicht sicher ist, ob er diese Laufbahn wirklich einschlagen will, sollte es lassen.“ War sie selbst immer sicher? Das „Ja“ kommt ohne ein Zögern. Solche Coolness strahlen auch ihre Bilder aus, ein Mix aus Kalkül und Zufall: Die Porträtansichten, isoliert vor einem weißen Hintergrund, verfremdet Obst, in dem sie einen Schwung kontrastierender Farbe – Lila, Türkisblau, Grün – über die Leinwand kippt und unkontrolliert zerlaufen lässt. Wie diese Bilder im Zusammenspiel mit den Werken der anderen Kunsthaus-Residenten wirken, wird man im Juli sehen. Dann wird die Gruppen-Ausstellung „Visionen“ eröffnet.

Ein paar Türen weiter im Kunsthaus Troisdorf richtet sich ein anderer Neuzugang ein: Fakhri Bismanto Bohang (Jg. 1988) wurde unter 20 Bewerbern als Stipendiat ausgewählt. Bohang kommt aus Indonesien, wo er – auf Wunsch der Eltern – Ingenieurwissenschaft studierte.

Vor vier Jahren siedelte er nach Deutschland über, wo er in Aachen ein Masterstudium absolviert. „Mein Vater ist Architekt; ich habe ihm schon als Kind beim Zeichnen gern über die Schulter geschaut“. Seine Schwester Lala Bohang ist eine bekannte Zeichnerin, die mit ihren surrealen Bildern und ihrer dezidiert feministischen Sicht für Aufsehen sorgt.

Als Querdenker sieht sich auch der Autodiakt Fakhri Bohang, der fotorealistische Bilder von Landsleuten, von Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und Eritrea malt – biometrische Porträts wie aus dem Pass, aber ins Monumentale gesteigert und von üppiger Leuchtkraft.

Der Schweizer Maler Franz Gertsch, aber auch Gerhard Richter habe ihn inspiriert, erzählt Bohang, der durch Europa gereist ist und sich Anregungen in vielen Museen holte – von der Renaissance bis Andy Warhol. Für den jungen Ingenieur ist es ein Luxus, dass er nicht mehr in der heimischen Küche in Köln arbeiten mus, sondern für zwei Jahre ein eigenes Atelier zur Verfügung hat.

Hier kann er auch in Ruhe Auftragsarbeiten fertigstellen – etwa das Porträt einer Professorin, das die Universität Oxford kaufen will. Das reicht freilich für den Lebensunterhalt nicht aus; den bessert Bohang zur Zeit mit dem Einräumen von Konservendosen im Supermarkt auf.

KStA abonnieren