ErinnerungenEine Zeitreise in das ehemalige Kaufhaus Hertie in Troisdorf

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Na denn Prost! Bei der Weinprobe kredenzten die Mitarbeiterinnen den Kunden edle Tropfen.

Na denn Prost! Bei der Weinprobe kredenzten die Mitarbeiterinnen den Kunden edle Tropfen.

Troisdorf – Das Haus sollte „Alles, was das Herz begehrt“ bieten.

Als im Sommer 1970 das Kaufhaus Hertie an der Kölner Straße seine Pforten öffnete, war das in der Wahrnehmung mancher Troisdorfer „ein Kulturschock“: 100 000 Artikel im Sortiment, eine Verkaufsfläche von über 10 000 Quadratmetern, 700 Parkplätze für „unsere motorisierten Besucher“.

Größer als in Bonn und Bad Godesberg war das Haus, das Großstadtflair nach Troisdorf brachte. Nun widmet das Museum für Stadt- und Industriegeschichte (Musit) den 14 Jahren Hertie in Troisdorf eine Ausstellung.

Enorme Resonanz

„Es ist eine sehr persönliche Ausstellung geworden“, freute sich Musit-Leiterin Dr. Pauline Liesen über die enorme Resonanz auf ihren Aufruf, Exponate und Erinnerungen zur Verfügung zu stellen.

Denn nicht nur auf das Unternehmen wollten die Ausstellungsmacher Liesen und Dr. Petra Recklies-Dahlmann ihren Blick richten, sondern auch und vor allem auf die Menschen: „Wer hat dort gearbeitet, wer eingekauft?“ fragten sie sich und die Troisdorfer.

36 Personen stehen nun auf der Liste der Leihgeber, viele weitere haben am Telefon, schriftlich oder persönlich ihre Erinnerungen geschildert. „Hertie war nicht nur ein Kaufhaus“, hat Pauline Liesen in diesen Gesprächen erfahren.

„Es war die schönste Zeit meines Arbeitslebens“, berichteten viele, „sie würden das jederzeit wieder aufleben lassen.“ Immer noch kommen die Troisdorfer „Hertianer“ zu Treffen zusammen, schon seit Aufbaubeginn am Montag haben immer wieder Neugierige in die Remise gelugt.

An eine „andere Zeit“ erinnert sich auch Thomas Weigel, der Sohn des ersten Geschäftsleiters in Troisdorf: Geboren in Berlin, hatte Thomas Weigel die Firma Hertie schon „in die Wiege gelegt bekommen“, bevor er selbst eine Lehre als Dekorateur machte und 1976 bei Hertie in Troisdorf anfing.

„Die Deko allein bestand aus 40 Leuten“, schwärmt er noch heute; sechsmal im Jahr änderte sich allein die dominierende Farbe der Schaufenster, in denen auch Lebensmittel zu Ungarn- oder Frankreich-Wochen gezeigt wurden.

Zu Fuß kamen die Kunden damals aus Oberlar, um in der Frischfisch-Abteilung – mit Lebendfischbecken! – einzukaufen, die Stoffabteilung war nicht nur bei jungen Frauen beliebt.

„Wir waren eine Gemeinschaft, jeder kannte jeden – eigentlich fast eine Familie“, erinnerte sich vor zwei Jahren Heidelore Gottfried, damals die Organisatorin eines Treffens, 30 Jahre nach der Schließung.

Zur offenkundig besonders großen Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen gehörte – zu sehen in der Ausstellung – aber auch, dass die Verkäuferinnen bei der Weinprobe bedienten und bei Modenschauen Pelze oder andere Kleidung selbst vorführten.

Martina Sürtenich, damals stets mit dabei, hatte auch ihren Mann bei der Arbeit kennengelernt. „Es sind viele Ehen da entstanden“, weiß auch Thomas Weigel, dessen Hertie-Laufbahn 1977 schon aus Troisdorf wegführte und 1998 in Ulm endete.

Zur „Nadelprinzessin“ wurde die Siegerin eines hausinternen Nähwettstreits gekürt. „Was haben wir für Weihnachtsdekos gemacht“, schwärmt Thomas Weigel: Wochenlang sei vorbereitet und umgesetzt worden.

Sein Kollege Rolf Sürtenich griff für die Ausstellungsmacher noch mal in die Werkzeugkiste: Er gestaltete die Fensternischen der Remise und das Ausstellungsgewächshaus mit den Modepuppen.

Die Probleme des Hertie-Konzerns gingen auch am Standort Troisdorf nicht vorbei: Umsatzeinbußen führten zur Schließung von Hertie-Häusern, im Sommer 1984 folgte dem Räumungsverkauf die Schließung des Hauses.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 18. September, 11 Uhr, eröffnet. Sie ist zu sehen bis zum 13. November.

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