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Nach fast 20 JahrenMaria Linsmann verlässt das Bilderbuchmuseum Burg Wissem

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Troisdorf – Sie wird diesen schönen Moment vermissen: „Montagsmorgens, wenn das Museum geschlossen ist, bin ich gerne alleine in Ruhe durch die Ausstellung gegangen.“ Maria Linsmann verlässt das Bilderbuchmuseum Burg Wissem, das sie seit 1998 als ihr Projekt betrachten durfte. Am Freitag, an ihrem letzten Arbeitstag, kamen viele der Weggefährten, Mitarbeiter, Freunde und Künstler zum Abschiedsempfang.

„Wenn die Kinder klein sind, muss man ihnen Wurzeln geben, wenn sie groß sind – Flügel“: Die Mutter von drei Kindern weiß da, wovon sie spricht. Sie verabschiedet sich von einer liebgewonnen Aufgabe sicher mit etwas Wehmut, aber auch mit Stolz auf das Geleistete. Unter ihrer Ägide ist das Museum für Bilderbuchkunst der Stadt Troisdorf weithin bekannt geworden: „Nicht nur über den Rhein-Sieg-Kreis hinaus, sondern im gesamten Bundesgebiet“, wie Bürgermeister Klaus Werner Jablonski am Freitag zu Recht feststellte.

Denn Maria Linsmann war und ist gut vernetzt in der Welt und hat es genutzt. Vorträge über die Sammlungen in der Burg hielt sie in vielen Ländern, wobei ihr die Auftritte in Peru, in Australien und in Japan besonders in Erinnerung blieben. „Vor der Japanreise habe ich einen Kotau-Kursus absolviert. Und ich hatte dann auch eine Begegnung mit der Kaiserin – die kennt seitdem das Troisdorfer Museum“, erzählt die 54-Jährige. Den Kotau übrigens wende sie nicht mehr an.

Gut vernetzt musste sie allein deswegen sein, weil ein solches Museum nur mit Hilfe der Politik, der Künstler, der Sammler und von Sponsoren wachsen kann. Dann kommt auch das Publikum, weitere wichtige Bezugsgruppe – in diesem Fall mit Kind und Kegel. In vielen Ausstellungen gab es nicht nur etwas zu gucken, sondern auch viel zu tun für den Nachwuchs, kreativ und spielerisch. 50.000 Besucher lockt man sonst nicht an, aber das gelang in manchen Fällen. Dass dies nicht ohne das Mitarbeiter-Team der Burg Wissem zu machen war, versteht sich.

Maria Linsmann-Dege, so ihr Familienname, ist 1962 in Dortmund geboren, hat in Wien Kunstgeschichte, Pädagogik, Soziologie und Theaterwissenschaften studiert, in Aachen promoviert, danach im Bonner Landesmuseum und beim Kunstverein Bielefeld gearbeitet, bevor sie Oberkustodin am Museum Schloß Morsbroich in Leverkusen wurde. Dann bewarb sie sich, mittlerweile privat Kölnerin, in Troisdorf.

„Mein Gott, was ist das für ein Gruselschloß“, war ihr erster Eindruck, als sie sich gemeinsam mit ihrem Mann Stefan Dege die Burg Wissem ansah. „Alles war düster, die Kassiererin machte dann das Licht an“. Sie beschloss gleichwohl, das Amt zu übernehmen, denn: „Hier gibt es etwas zu tun“.

Seit 1998 wurde das Herrenhaus renoviert und umgebaut, das Museum für Industrie- und Stadtgeschichte auf der anderen Seite des Burghofs errichtet, samt neuer Museumsverwaltung. Die Künstlerbuchreihe mit großen Namen wie Baselitz und Uecker hat Maria Linsmann etabliert ebenso wie die Reihe „Künstler aus der Region“, in der sie Buchkunst von hiesigen Zeitgenossen zeigte wie Heinrich Küpper oder Hans Delfosse.

Zahlreiche Stiftungen und Nachlässe kamen ins Haus, nachdem wichtige Künstler und Privatsammler Vertrauen in diese Institution gefasst hatten. Das lag sicher auch an der konsequenten Haltung von Linsmann: Einem sehr gut betuchten Troisdorfer, der viel Geld geben, aber dafür seinen Namen am Museum sehen wollte, erteilte sie eine Absage. Zusammen mit der Stadt Siegburg rief Troisdorf die Stiftung Illustration ins Leben, die Deutschlands einziges Spezialmuseum für künstlerische Buchillustration unterstützt.

Aber alle Stiftungen leiden derzeit an den historisch niedrigen Zinserträgen. Die Zahl der Menschen, an die Maria Linsmann sich gerne erinnert, ist groß. Um nur einige zu nennen: Angefangen hat ihr Sammeln mit Hilfe von Gertraud Middelhauve, „eine Vollblutverlegerin und schlaue Frau. Sie hat die Mona Lisa unter den Bilderbüchern ins Haus gebracht: das Original von ’Das kleine Blau und das kleine Gelb’ von Leo Lionni.“

Leitende Kuratorin

Eine der schönsten Begegnungen sei die mit dem legendären Friedrich Karl Waechter gewesen. Der Zeichner, Karikaturist und Kinderbuchautor spielte bei der Ausstellungseröffnung Tischtheater: „Das Wasserglas war Heinz, die Flasche hieß Pit.“ Und nicht zuletzt zählt zu ihren beeindruckenden Begegnungen die mit dem Schüler, der mit seiner Klasse eine Ausstellung besuchte und anschließend ganz begeistert seine eher bildungsfernen Eltern dazu brachte, zum ersten Mal in ihrem Leben ein Museum zu besuchen.

Die Nachfolge an der Burg hat Linsmann bereits im vorigen Jahr an Pauline Liesen übergeben, zuletzt war sie leitende Kuratorin. Sie widmet sich nun neuen Aufgaben, will Ausstellungen kuratieren, ihre Honorarprofessur an der Kölner Uni ausüben und weitere Pläne verfolgen. Was sie ihrem flüggen Troisdorfer Kind wünscht: „Die Politik soll das Museum weiterhin gut unterstützen“. Dieser Wunsch braucht besonders offene Ohren in Zeiten von Mittelkürzungen: 30 Prozent des Etats soll das Museum einsparen.

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