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Tiere in Köln und RegionHundehalter wegen Giftködern zunehmend alarmiert

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Hundehalter sind vorsichtig geworden: Regina Herborn (rechts) erlebte bereits einen Schreckmoment mit Hündin Ella.

Hundehalter sind vorsichtig geworden: Regina Herborn (rechts) erlebte bereits einen Schreckmoment mit Hündin Ella.

Köln – Vier Tage lang hat Dobermann-Dame Yucca nichts gefressen, musste nach dem Trinken wieder erbrechen. Die ersten zwei Tierärzte konnten nichts feststellen. Auch Röntgenbilder und Blutanalyse brachten keinen Befund.

„Wir sind davon ausgegangen, dass sie einfach etwas Falsches gefressen hat“, sagt Besitzer Harald Mayer aus Witzhelden. Doch die Sorge war zu groß und er fuhr mit ihr in eine Spezialklinik. „Dort wurde dann zum Glück der Gummiköder entdeckt, der einen Darmverschluss verursacht hatte. Er sah aus wie ein großes Stück Fleisch.“ Yucca wurde notoperiert und überlebt.

Giftköder im Internet

Die Angst von Hundebesitzern, ihr Tier könnte einem Giftköder zum Opfer fallen, ist groß. Wie berechtigt diese Angst ist, ist dagegen völlig unklar. Die Macher der Internetseite „Giftköder-Radar“ verschicken monatlich rund 18.000 Warnungen an ihre Mitglieder. Im Vergleich zu 2015 sei die Zahl um etwa zwölf Prozent gestiegen, sagt Sascha Schoppengerd, Betreiber der Seite. „Die Hundehalter sind sensibler geworden und melden auch kleinste Verdachtsfälle.“

Auch beim Thema Giftköder seien Fake-News ein Problem. „Schaut man sich heute in sozialen Netzwerken wie Facebook oder in Hundeforen um, dann bekommt man oft den Eindruck, dass überall Menschen mit Gift oder Rasierklingen in den Hosentaschen herumlaufen. Dem ist aber eindeutig nicht so“, betont Schoppengerd.

Wie viele Fälle es jährlich genau gibt, lässt sich tatsächlich kaum beziffern. Es gibt in NRW keine Stelle, die zentral Zahlen und Fälle erfasst, in denen Hunde Opfer von ausgelegten Giftködern geworden sind. Zuständig sind die kommunalen Ordnungsbehörden der Städte und Gemeinden sowie die Polizei.

„Immer wieder melden uns Leute verdächtige Funde. Aber ich kann mich an keinen echten Giftköder-Fall während der letzten Jahre erinnern“, sagt Peter Elke von der Essener Polizei. Auch er warnt vor Hysterie im Internet. „Nur wenn ein rechtlicher Nachweis vorliegt, handelt es sich um einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und damit um eine Straftat.“

Das Thema Giftköder sei mit viel Emotion behaftet, sagt Carlo Pingen, der auf dem Gut Bergerhof im Pulheim eine Tierarztpraxis betreibt. „Von 100 Tieren, die uns mit Magen-Darm-Symptomen gebracht werden, sagen uns 95 Halter, ihr Hund habe einen Giftköder gefressen. Letztlich bleibt einer übrig.“ Besonders krasse Fälle, in denen etwa ein Hunde hassender Nachbar ein vergiftetes Stück Wurst über den Zaun wirft, erlebe man als Tierarzt allenfalls ein- bis zweimal in der Karriere. Vorsätzliche Vergiftungen seien eher selten der Fall. Meistens würden die Hunde versehentlich Stoffe zur Ratten- und Schneckenbekämpfung wie etwa Blaukorn fressen.

Gleichwohl geht auf den Hundewiesen die Angst um. Regina Herborn spaziert auf ihrer Gassi-Strecke, dem Äußeren Grüngürtel in Köln. An der Leine tollt Hündin Ella, mit der sie schon einen Schockmoment erleben musste. Das Tier hatte ein mit Stoff umwickeltes Stück Stacheldraht im Fell hängen. „Das hätte auch schlimmer ausgehen können.“ Sie ist fest davon überzeugt, dass dies kein Zufall war.

Und es gibt weitere Fälle: Im Kreis Euskirchen sucht die Polizei derzeit nach Zeugen im Zusammenhang mit Giftködern. In Bad Münstereifel hat der Hund einer 57-Jährigen aus zwei Plastiktüten mit fleischigem Inhalt gefressen und daraufhin Krampfanfälle bekommen. Im anderen Fall vertilgte ein Rhodesian Ridgeback mit blauen Körnern durchsetzte Brühwurststücke. Auch hier vermutet die Polizei Ratten- oder Schneckengift. Beide Tiere überlebten.

Tierarzt Ralf Unna aus Köln-Bayenthal, Vorsitzender des Landestierschutzbundes, fordert eine zentrale Erfassung der erkrankten Tiere und der Fundstellen von Ködern sowie die Analyse der Gifte, um die Täter aufspüren und strafrechtlich verfolgen zu können. „Dann hätte man auch einen besseren Überblick darüber, was wirklich passiert, nicht nur, was die sozialen Medien hypen.“

Wenn man präparierte Köder mit Rasierklingen, Glassplittern oder Gift finde, dann solle man sie einschicken und den Vorfall zur Anzeige bringen, rät Unna. Denn solche Köder seien nicht nur für Hunde gefährlich, sondern auch für kleine Kinder.

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