Bickendorf/OssendorfLeuchtturm-Projekte haben den Sozialraum stabilisiert

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Die Mädchengruppe im Café Bickolo hat frischen Obstsalat gemacht. Acelya (10) präsentiert ihr Essen.

Die Mädchengruppe im Café Bickolo hat frischen Obstsalat gemacht. Acelya (10) präsentiert ihr Essen.

Köln – Arbeitslosigkeit, Drogenprobleme, vereinzelte Fälle von Vandalismus. Es ist noch gar nicht so lange her, da drohte das Viertel Ossendorfpark zu kippen. Jugendliche machten 2006 aus reiner Langeweile viel Unsinn, und die ersten Familien überlegten, aus dem Quartier wegzuziehen. Seitdem ist viel passiert.

Vor allem durch die Eröffnung des Familienhauses des Sozialdienstes Katholischer Männer und dank dem benachbarten Kinder- und Jugendprojekt der Awo können 4000 Menschen in der Siedlung Angebote für fast alle Lebenslagen gemacht werden. „Das ist ein Leuchtturmprojekt“, sagt Sozialraumkoordinator Thomas Wydra.

Innerhalb von wenigen Jahren hätten die Mitarbeiter des von „wir helfen“ mit 300.000 Euro unterstützten Projektes die „Herzen der Menschen“ gewonnen, sagt Familienhaus-Leiterin Mechtild Frömbgen.

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Gut kommt zum Beispiel die Sozialberatung an, die 2015 genau 173 Mal in Anspruch genommen wurde. Hier kommen Menschen hin, die ihre Schulden nicht mehr bezahlen können. Menschen, die Probleme mit der Bürokratie haben oder durch eine Trennung vom Partner aus der Bahn geworfen wurden. „Manchmal ruft sogar der Gerichtsvollzieher an“, sagt Frömbgen, die die betroffenen Familien dann zu einer Beratung einlädt.

Ein weiterer Schwerpunkt sind Angebote für Familien. Es gibt zweimal in der Woche Eltern-Kind-Gruppen, eine Bewegungsgruppe für Eltern mit Kindern von 18 bis 36 Monaten und einen Musikgarten, in dem die Jungen und Mädchen mit einer Betreuerin singen. Außerdem engagiert sich das Team um Frömbgen im Projekt „Bildungsbegleitung“, in dessen Rahmen unter anderem ein chinesisches Kind Deutschunterricht erhält und ein anderes mit gehörlosen Eltern in die Stadtbibliothek begleitet wird. Hinzu kommen Nachbarschaftsaktionen, etwa Weihnachtsmärkte und Sommerferienspielaktionen.

Der Awo-Jugendtreff, der sich ebenfalls an der Franz-Raveaux-Straße befindet, ergänzt das Angebot im Familienhaus: Leiter Paul Hauth sperrt die Türen täglich von 16 bis 20 Uhr auf. Dann kommen 30 bis 50 Mädchen und Jungen, um Kicker oder Tischtennis zu spielen, im Internet zu surfen oder Musik zu hören.

Es gibt eine Kochgruppe, einen Basteltreff, eine Hausaufgabenhilfe und ein Zirkusprojekt, das zusammen mit dem Landschaftsverband Rheinland durchgeführt wird. Die Fußballer haben den Ehrenfelder Soccer-Night-Cup gleich zweimal gewonnen. Am wichtigsten ist vielleicht einfach, dass Peter Hauth den Kindern und Jugendlichen zuhört, wenn sie Sorgen haben. Dann geht es beispielsweise um Liebeskummer oder Probleme mit den Eltern, um Drogen oder auch um die Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Szenenwechsel. Durch die TV-Dokumentation „Ohne Gang bist du nichts“ erreichten die Y-Häuser am Ossendorfer Weg/Matthias-Brüggen-Straße 2002 im Westend traurige Bekanntheit. Zuvor hatten Jugendbanden mit Drogendelikten und Körperverletzungen von sich Reden gemacht.

Den Film hält Sozialraumkoordinator Wydra zwar für völlig übertrieben: „Ein ganzes Viertel wurde damals schlechtgemacht.“ Richtig sei aber, dass es auch im Westend soziale Probleme gebe. Die Arbeitslosigkeit ist groß, die Kinderarmut ebenfalls. Ein Drittel der Mütter und Väter müsse ihre Kinder alleine erziehen.

Heimat für 26.000

Der Sozialraum Bickendorf/Westend/Ossendorf liegt im Kölner Westen zwischen Westfriedhof, Äußerer Kanalstraße und zwei Gewerbegebieten.

In den Vierteln leben 26.000 Menschen, 4000 von ihnen im Ossendorfpark, 5000 im Westend. Thomas Wydra ist seit dem Jahr 2009 Sozialraumkoordinator, Träger ist die Outback-Stiftung. (ris)

Ein Mieterrat, der von 2003 an unter anderem Feste, Mieterversammlungen, eine Kleiderkammer und ein Frühstückscafé organisierte, hatte bald Erfolg: Raser in Spielstraßen wurden ermahnt, verschmutzte Häuser gemeinsam gesäubert, erste Feste ausgerichtet. Später stieg der Veedel e.V. als Trägerverein ein, die Rhein-Energie-Stiftung förderte das Projekt mehrere Jahre. Als nach vier Jahren das Fördergeld ausblieb, übernahm die Wohnungsbaugesellschaft GAG, die Hunderte Häuser im Sozialraum unterhält, die Trägerschaft.

Mit einem vom Land NRW bewilligten Projektantrag wird seit 2015 der neue Verein „Aktion Nachbarschaft“ finanziert. Bestehende Angebote wie Kinder- und Jugendgruppen, Koch- und Sportkurse, Vorleseprojekte und Beratungsmaßnahmen wurden ausgebaut. Derzeit wird ein Spielplatz erweitert.

Unsicher ist dagegen die Zukunft des Café Bickolo. Die Einrichtung an der Clemens-Hastricht-Straße, die seit 22 Jahren Sport- und Kochkurse, eine Kleiderkammer, eine Senioren- und eine Kindergruppe sowie soziale Beratungen anbietet, hat massive Geldprobleme. Im vergangenen Jahr haben sowohl die evangelische als auch die katholische Gemeinde die Zuschüsse kürzen müssen. Seitdem ist das Team um Leiterin Gudrun Alles auf der Suche nach neuen Sponsoren. „Passiert nichts, ist im Sommer Schluss“, sagt sie.

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