PsychologieDas Gegenteil von Horror-Clown

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Köln – Es klopft vorsichtig an der Tür zum Krankenhauszimmer. „Halli Hallo, darf ich reinkommen?“, fragt Halli Hallo und schaut schüchtern rein. Halli Hallo ist ein Muttersöhnchen. Aber der Mann mit Clownsnase und knallbunter Latzhose hat magische Kräfte. Und immer seine Überraschungstasche dabei. In ihr lebt sein kleiner Freund Juan Fernando, die schnellste Schnecke der Welt. Alles ist möglich. Vor allem sehr kranke und sehr traurige Kinder zum Lachen zu bringen.

Wenn Halli Hallo das Zimmer der Uniklinik verlassen hat, verwandelt er sich wieder in Fernando Cézar Vieira. Der 48-Jährige hat in Brasilien die Zirkusschule besucht. Und seit vielen Jahren arbeitet er als ausgebildeter Klinikclown mit kranken und behinderten Kindern. Sie zum Lachen zu bringen, ist weit mehr als eine Blödelei. „Es bedeutet viel Arbeit“, so Vieira. Sie bringt Ablenkung von Schmerzen, Angst und Heimweh, beeinflusst aber auch den Gesundheitszustand positiv, wie die Gelotologie erforscht hat. Gefördert werden Empathie, Kraft und Optimismus. Neue Energie. Mut. Zuversicht.

Einsätze auch in Flüchtlingsheimen

Die Kölner Klinikclowns e.V. gründeten sich nach amerikanischen Vorbild 1995 aus einem Kreis Künstlerinnen und Künstlern. Sie sind genau das Gegenteil von Horror-Clowns: schaden niemanden, helfen allen. Heute muntern zehn Clowns Mädchen und Jungen – aber auch Senioren – in 21 Einrichtungen der Region auf.   Ob es sich bei dem Kind um ein deutsches oder zugereistes handelt, ist ihnen egal. „Kinder sind Kinder – egal welcher Herkunft“, sagt Vieira.

Er sorgt auch in Flüchtlingsunterkünften für Pausen vom engen und stressigen Miteinander wildfremder Menschen und sich fremd gewordener Familien, deren Kinder oft verlernt haben, Kind zu sein. „Sie wieder spielen zu sehen, war sehr emotional. Auch für ihre Mütter und Väter.“ Wo Sprache nicht möglich ist, helfen pantomimische Elemente und Musik. „Das ist eine universelle Sprache“, sagt Veronika Hoffend, die im Verein für Spendenakquise zuständig ist. Denn der Einsatz ist keineswegs ehrenamtlich möglich.

Improvisation und Einfühlung gefragt

Die Clowns zeigen kein einstudiertes Programm. Es entsteht immer ein neues spontanes Spiel. Neben dem künstlerischem Können in den Bereichen Musik, Zauberei, Pantomime und Akrobatik sind dabei schnelle Wahrnehmung, großes Einfühlungsvermögen und Improvisationstalent nötig. Dafür erhält der Clown ein Honorar. „Finanziert wird dieses durch Spenden, Fördervereine und Paten.“ Oft müssen sie erklären, warum der Einsatz überhaupt Geld kostet.

Als Schatzmeister kümmert er sich mit Veronika Hoffend ehrenamtlich um die Finanzierung

Als Schatzmeister kümmert er sich mit Veronika Hoffend ehrenamtlich um die Finanzierung

Die Ausbildung zum Klinikclown dauert ein Jahr und beinhaltet auch Psychologie. Das Kindliche muss häufig zunächst unter einem ganzen Berg Sorgen herausgekitzelt werden. Ebenso bei Geschwisterkindern, die oft im Schatten stehen. Vieira hat zudem eine Fortbildung zum Traumatherapeuten. Er ist darauf vorbereitet, mit Kindern aus Kriegsgebieten umzugehen. „Was, wenn mir vor ihnen ein Luftballon platzt?“, fragte er sich vor der Weiterbildung. „Werden sie dann an eine Bombe erinnert und retraumatisiert?“ Nein, beruhigte die Ausbilderin. Ein Knallgeräusch, positiv eingebettet, wenn der Clown dabei lache, könne sogar heilsam sein. Vermeiden sei eher schädlich. „Damit füttern wir das Trauma.“ Der Clown selbst muss den Umgang mit schwer verletzten Kindern lernen. „Verbrannte Kinder oder Kinder ohne Gliedmaßen.“

Raum auch für Traurigkeit

Luftballonspiel ist auch mit verstümmelten Händchen möglich. „Und wenn die Augen lachen, sind alle Kinder wieder schön.“ Trotzdem sei die psychische Belastung sehr hoch und nicht im Dauereinsatz möglich. Maximal drei Stunden, dreimal wöchentlich ist das Limit für jeden Klinikclown.

Die Verkleidung ist minimal. Gesicht und Mimik bleiben immer erkennbar. „Auch Traurigkeit kann während unseres Einsatzes hochkommen und ist auch gut. Das müssen wir auffangen können.“ Die Clowns arbeiten, wenn möglich, immer zu zweit. Damit sie optimal auf den aktuellen Gesundheitszustand eingehen können, gibt es vor jedem Einsatz ein Übergabegespräch mit den Pflegern. Hinzu kommen regelmäßige Trainings, Workshops und Coachings.

In anderen Ländern mehr Anerkennung

Als Mitglied im Dachverband für Clowns in Medizin und Pflege Deutschland e.V. kämpfen die Kölner mit darum, dass Klinikclown – die Ausbildung dauert ein Jahr – als Beruf anerkannt werden. Andere Länder sind da weiter. Vieira: „In den Niederlanden werden sie von den Krankenkassen auf Rezept bezahlt. In Israel sind sie in den Kliniken fest angestellt und kommen nicht nur zu Besuch. „Sie begleiten Operationen, Therapien und Reha, um die Angst zu nehmen.“ Das ist das Ziel des Vereins: Eines Tages kein Verein mehr zu sein. „Dass es endlich ein Budget dafür gibt.“ Der zweieinhalbstündige Einsatz zweier Clowns einmal wöchentlich kostet 14 000 Euro jährlich.

Spenden statt Geschenke

So unterstützen Sie "wir helfen"-Projekte wie die Kölner Klinikclowns:

Mit „wir helfen – weil Kinderseelen zerbrechlich sind“ bitten wir um Spenden für Projekte, die Kinder und Jugendliche beistehen, deren Seelen aufgrund von Krankheit oder Trauer leiden. Spendenstand: 298 368,03 Euro . Jeder Cent wird weitergegeben.

Die Spendenkonten des gemeinnützigen Vereins lauten:

Kreissparkasse Köln

IBAN: DE03 37050299 0000162155

Sparkasse Köln-Bonn

IBAN: DE21 37050198 0022252225

Kontoinhaber: Unterstützungsverein „wir helfen“

Wenn Sie nicht in der Spenderliste erwähnt werden wollen, schreiben Sie bitte auf dem Überweisungsträger am Anfang des Verwendungszwecks +A+, wünschen Sie eine Spendenbescheinigung, vermerken Sie bitte +S+ und Ihre vollständige Adresse, legen Sie auf beides Wert, +AS+.

Wer im Advent an der Aktion „Spenden statt Geschenke“ teilnehmen möchte, kann bei „wir helfen“ Faltblätter anfordern. Sie können Grußkarten oder Einladungen beigelegt werden.

Kontakt: ☎ 0221/224-2840 (Spenden), -2241 (Förderung) und -2462 (Redaktion).

ksta-wirhelfen@dumont.de

http://www.ksta.de/wirhelfen

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