ScheidungWoran Familien zerbrechen

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Rainer Hoffmann mit einem Spielzeug seiner beiden Jungs, die er seit der Scheidung alleine betreut

Köln – Spätestens nach der Geburt des zweiten Kindes war Maria Hoffmann mit der Erziehung und dem Haushalt völlig überfordert. „Die Situation ist immer wieder eskaliert“, erinnert sich ihr Mann Rainer (beide Namen geändert) gut vier Jahre nach der Scheidung des Paars. Abends, wenn er von der Arbeit kam, war oft noch der Frühstückstisch gedeckt, die Kleinkinder trugen schmutzige Windeln. Der Vater erlebte, wie seine Frau die Kinder anschrie und auch schon einmal schlug. Besonders schlecht konnte sie mit dem älteren Jungen umgehen, der auf seinen kleinen Bruder immer wieder eifersüchtig reagierte. Rainer Hoffmann: „Sie konnte ihre Wut kaum noch zügeln.“

Erst später stellte sich heraus, dass die Mutter unter einer psychischen Erkrankung litt. Das Paar holte sich zunächst Hilfe von der Stadt, die Kinder wurden schnell in eine Kindertagesstätte aufgenommen, am Nachmittag halfen die Großeltern der Mutter, um sie zu entlasten. Und das Jugendamt stellte eine Familienhilfe, die mit der Frau Pläne erarbeitete, wie sie sich am Vormittag am besten erholen und die Nachmittage mit den Kindern strukturieren konnte. Es half wenig: Maria Hoffmann versuchte dreimal, sich umzubringen, Klinikaufenthalte folgten. Als auch der Mann in eine psychische Krise rutschte, war das Ende der Ehe besiegelt.

Schon vor der Trennung leiden die Kinder

Scheidung ist in Deutschland mittlerweile eine Normalität. Gut 163 000 Ehen wurden 2015 geschieden, bundesweit ist das jede dritte. Damit müssen 180 000 Kinder jedes Jahr plötzlich ohne ständigen Kontakt zu einem Elternteil – meist dem Vater – auskommen. Schon vor der Trennung leiden die Kinder: „Viele beziehen die Streitigkeiten zwischen Mama und Papa auf sich, machen sich unsichtbar, um keinen Anlass zu geben, dass es zu Hause wieder laut wird“, sagt Barbara Gerblich vom Verein Familiensache. Oft würden die Kinder mit ihrem seelischen Schmerz alleingelassen, weil auch die Eltern zu angeschlagen sind, um sich richtig um sie zu kümmern. Manche der Kleinen ziehen sich daher in sich zurück und fühlen sich hilflos wegen der Trennung der Eltern. Andere werden aggressiv oder reagieren mit körperlichen Beschwerden.

Die eigentliche Trennung geht an den Mädchen und Jungen ebenfalls nicht spurlos vorüber. Meist streiten sich Eltern über die Besuchsregelungen am Wochenende. Manchmal fordere ein Elternteil mehr Mitbestimmung, manchmal melde er sich überhaupt nicht, so Gerblich. „Familiensache“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, zwischen zerstrittenen Elternteilen zu vermitteln.

Der 2011 von drei Kinderanwältinnen in Köln gegründete Verein bietet daher unter anderem Mediationen zwischen ehemaligen Partnern an, Elternkurse für getrennt lebende Mütter und Väter, Kurse für Väter nach der Trennung und auch Gruppen für Scheidungskinder. Gut 50 Familien betreuen die Mitarbeiter von Familiensache im Jahr. Ein Teil der Arbeit wird vom Jugendamt bezahlt, der Rest durch Spenden finanziert.

Mutter-Kind-Kontakt war nur unter Aufsicht möglich

Auch das einstige Ehepaar Hoffman wurde vom Jugendamt auf den Verein aufmerksam gemacht. Die Kinder waren nach der Scheidung beim Vater geblieben. Die Mutter war so einsichtig gewesen, die Kinder – wegen ihrer Krankheit – nicht betreuen zu wollen, bestand allerdings auf ihrem Besuchsrecht. Das wollte der Vater ihr aber nur unter Aufsicht einräumen. So nahmen die Eltern beim Verein am Programm „Begleiteter Umgang bei Trennung und Scheidung“ teil, wo die Treffen der Mutter mit den Kindern mit Hilfe einer Betreuungsperson des Vereins stattfanden. Das war auch notwendig, erinnert sich Gerblich, weil die Frau zunächst kaum mit den Jungen umgehen konnte. „Sie war am Anfang eigentlich nur eine Besucherin, die beim Spielen zuguckte.“

Der vertraute Rahmen stärkte Mutter und Kinder im gegenseitigen Umgang. Einmal im Monat fand zudem ein Elterngespräch statt, in dem beispielsweise Informationen zwischen Mutter und Vater über Geburtstagsgeschenke, Schule und andere Dinge aus dem Alltag ausgetauscht werden konnten. Zweieinhalb Jahre lief das ganz gut. Dann verkomplizierte sich die Situation, weil beide Elternteile neue Partner gefunden hatten. Die Mutter hatte offenbar die neue Situation weniger gut verkraftet als ihr Ex-Partner: Es habe von ihrer Seite aus wüste Beschimpfungen gegeben, und auch ein Schlichtungsgespräch beim Verein Familiensache sei eskaliert. „Ich bin aufgestanden und gegangen“, sagt Rainer Hoffmann. Er findet das schade, „denn die Kinder waren hier gut angekommen“.

Der Verein Familiensache hat seinen Sitz an der Dillenburger Straße 69 in Köln-Kalk, ☎  0221/94 65 40 95.

http://www.familiensache-koeln.de

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