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Sein Ladenlokal ist ein Gotteshaus

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Gebrauchte Orgeln und etliche andere Musikinstrumente füllen die Trinitatis-Kirche in Wuppertal, die Andreas Ladach vor einigen Jahren gekauft hat.

Gebrauchte Orgeln und etliche andere Musikinstrumente füllen die Trinitatis-Kirche in Wuppertal, die Andreas Ladach vor einigen Jahren gekauft hat.

Wuppertal - So einen ungewöhnlichen Firmensitz haben nur wenige Unternehmer: In der ausgedienten, mehr als 125 Jahre alte Trinitatis-Kirche in Wuppertal geht Andreas Ladach einem bundesweit wohl einmaligen Beruf nach: Der 37-Jährige kauft in ganz Europa Kirchenorgeln, die nicht mehr benötigt werden, und verkauft sie an andere Kirchengemeinden weiter.

Entsprechend gut gefüllt ist die zur Lagerhalle umfunktionierte Kirche, die Ladach vor wenigen Jahren von der Stadt gekauft hat und in der nun die Kircheninstrumente in allen Größen zu finden sind. Man könnte Ladach deshalb auch den „Herrn der Orgeln“ nennen, denn über die Vermittlung des studierten Elektroingenieurs wechseln pro Jahr rund 80 Kirchenorgeln ihren Besitzer.

Vor allem in England und Deutschland kauft Ladach von Gemeinden Kirchenorgeln an. Gerade in diesen Ländern werden immer mehr Kirchen geschlossen oder anderweitig genutzt - und damit werden die Orgeln meist überflüssig. Die Instrumente verkauft Ladach dann überwiegend an interessierte Gemeinden in Polen, Portugal und Italien: „In diesen Ländern gibt es noch jede Menge Kirchengebäude ohne Orgeln“, sagt er.

Das „Gefälle in der europäischen Orgeldichte“ ist damit der Motor seines Geschäfts. Und das Angebot stößt auf großes Echo. Denn eine gut erhaltene Gebraucht-Orgel kostet nach Restaurierung und Installation im Schnitt nur rund 40 Prozent des Preises für eine Neuanfertigung - ein lohnendes Geschäft für die Gemeinden. „Ich habe da eine echte Marktlücke entdeckt, denn viele Gemeinden können sich neue Orgeln einfach nicht leisten“, erläutert Ladach, der auf die ungewöhnliche Handelsidee mehr oder weniger zufällig gestoßen ist.

Als Jugendlicher hatte der gebürtige Wuppertaler über die Jugendgruppe seiner Kirchengemeinde häufiger Reisen nach Polen unternommen. Die Sprache liegt ihm, und als während seines Studiums 1996 eine Düsseldorfer Kirche seine Dolmetscherdienste anfragte, um eine Orgel nach Polen zu vermitteln, weckt sie Ladachs Neugier. Noch während des Studiums begann er damit, nebenher vereinzelt Orgeln in Deutschland zu verkaufen.

„Schnell war mir klar, dass das mein späterer Beruf werden würde, und nicht das Ingenieurswesen“, erzählt Ladach. Inzwischen hat er zwei Mitarbeiter im Geschäft und pendelt in ganz Europa hin und her. Ob von Flensburg nach Paris, von Lausanne nach Danzig oder aus der Schweiz bis nach Norwegen - die Orgeln wechseln häufig über mehrere Hundert Kilometer den Besitzer. Entsprechend viel ist Ladach unterwegs: „Ich lege pro Jahr mehr als 50 000 Kilometer mit dem Wagen zurück, hinzu kommen noch einmal Bahntickets für rund 2500 Euro“, rechnet er seinen mobilen Aufwand zusammen.

Seine Kenntnis des europäischen Orgel-Marktes verdankt Ladach nicht zuletzt Kontakten zu vielen Orgelbauern, die auch von dem Handel mit den Kircheninstrumenten profitieren. Denn Ladach und seine Mitarbeiter zerlegen und prüfen zwar die Orgeln auf technische Funktionsfähigkeit und beraten die interessierten Kirchengemeinden. Den Einbau, die Restaurierung und das Stimmen der Pfeifen vor Ort ist aber Aufgabe der dortigen Orgelbauer - so trägt der Wuppertaler Unternehmer zur Erhaltung ihrer Zunft bei.

Auch die Kirchenorgeln der Gemeinde Otzenrath, die dem Braunkohletagebau Garzweiler II weichen muss, werden durch Ladachs Vermittlung eine neue Heimat finden - wahrscheinlich in Polen oder Italien. Überflüssige Kirchenorgeln gebe es nicht, sagt der Unternehmer: „Irgendwie findet jede Orgel einen neuen Abnehmer.“ (ddp)

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