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SozialfälleWer zahlt Beerdigungen von Armen?

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Das anonyme Gräberfeld auf dem Euskirchener Friedhof, auf dem die Zwangsbestattungen stattfinden. (Bild: Nickel)

Das anonyme Gräberfeld auf dem Euskirchener Friedhof, auf dem die Zwangsbestattungen stattfinden. (Bild: Nickel)

Euskirchen – Sterben ist bekanntlich teuer - wer einen Angehörigen würdig unter die Erde bringen möchte, kann schnell in der Pflicht sein, einige Tausend Euro bezahlen zu müssen. Für sozial Schwächere wird der Sterbefall in der Familie schnell zum Schuldengrab. Laut Sozialgesetzbuch können Bestattungskosten zwar vom Sozialhilfeträger übernommen werden. In der Realität ist dies jedoch ein langwieriger bürokratischer Akt, der nicht selten negativ beschieden wird. „Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen“, heißt es arg schwammig in dem Gesetz. Ab wann und inwieweit die Zumutbarkeit besteht, bleibt jedoch offen und wird von Fall zu Fall entschieden.

Für die Bestatter in der Kreisstadt Euskirchen sind Begräbnisse, bei denen die Angehörigen auf Unterstützung seitens des Sozialamtes hoffen, ein rotes Tuch - sie lehnen die Aufträge in der Regel ab. Was herzlos klingt, ist ein nicht tragbares unternehmerisches Risiko: „Unsere Erfahrung ist, dass geprüft und geprüft wird, und am Ende bleiben wir auf den Kosten sitzen“, fasst Richard Ernst als Vorsitzender des Kreisverbandes Euskirchen des Bestatterverbandes NRW die Problematik zusammen. Eine Zusage vor der Bestattung, dass die Kosten ganz oder anteilig vom Sozialamt übernommen werden, gibt es nicht. Verstorbene aber müssen laut Bestattungsgesetz innerhalb von acht Tagen beerdigt oder in ein Krematorium überführt worden sein - Angehörigen bleibt nicht die Zeit, zuerst auf einen Bescheid des Sozialamtes zu warten.

Berta Keppel (Name geändert) erging es nicht anders. Als im Dezember ihr Sohn verstarb, der zuvor als Hartz-IV-Empfänger in Euskirchen gelebt hatte, hoffte sie auf Hilfe seitens des Sozialamtes. Doch schon bei der Suche nach einem Bestatter begannen die Probleme: „Wir haben drei Unternehmen in Euskirchen gefragt, alle haben abgelehnt mit der Begründung, dass sie schlechte Erfahrungen hätten mit der Kostenerstattung durch das Sozialamt.“

Trauriges Beispiel

Keppel selber verfügt nur über eine schmale Rente. Dennoch wollte sie für ihren Sohn ein bescheidenes, aber würdiges Begräbnis organisieren. Der zuständige Sachbearbeiter beim Sozialamt vertröstete auf die Zeit nach seinem Urlaub. Mittlerweile sind gut vier Wochen vergangen, der Sohn wurde entgegen seiner Wünsche in einer anderen Kommune bestattet. Die über 80-jährige Mutter ist angesichts der offenen Rechnungen von rund 2100 Euro verzweifelt, der Antrag auf Kostenerstattung ist noch immer nicht bearbeitet. „Allein die Friedhofsgebühr beläuft sich auf 585 Euro - zahlbar innerhalb eines Monats.“

„Angehörige müssen jede Menge Unterlagen beibringen - und wenn es dann vier Geschwister oder mehrere Kinder gibt und nur einer nicht mitzieht, dann stockt das ganze Prozedere“, sagt Bestatter Ernst. Seine Euskirchener Kollegin Ingrid Sonntag-Steeg weiß von einem Fall zu berichten, bei dem das Sozialamt seit Februar 2010 den Antrag auf Kostenübernahme prüft.

Karl-Heinz Linden, Leiter der „Arge“, bestätigt, dass es vorab keine Kostenübernahmeerklärungen seitens des Sozialhilfeträgers gebe. Der Prüfaufwand sei enorm, jedoch „zwingend erforderlich“. Schließlich sei die Behörde in der Pflicht, keine Steuermittel zu verplempern. Sozial schwache Menschen könnten aber auch nach einer bereits erfolgten Bestattung noch einen Antrag auf Kostenerstattung stellen: „Wirklich arme Bürger bleiben nicht auf der Strecke, das kann ich garantieren.“

Dass die Situation für alle Beteiligten knifflig ist, weiß auch Karl-Heinz Linden. „Unsere Behörde kann jedoch nicht als Ausfallbürge bei den Bestattern eintreten. Für diese gehören die Kosten eines Begräbnisses leider zum unternehmerischen Risiko.“

Bestatter erleben es leider immer wieder: Sind die Verstorbenen einmal unter der Erde, nehmen es manche Angehörige mit den Zahlungsverpflichtungen nicht mehr so genau: „Wir können im Falle des Nichtzahlens ja unsere Leistung nicht rückgängig machen“, so Bestatter Richard Ernst, der betont, dass es ihm oft sehr leid täte, Trauernde wegschicken zu müssen, die nicht genau wissen, wie sie ein Begräbnis mit Trauerfeier bezahlen sollen.

Manch ein Bestatter gibt verzweifelten Angehörigen dann den dezenten Hinweis, „die Sache“ auszusitzen: Nach acht Tagen nämlich, in denen man einen Toten beispielsweise nicht aus dem Krankenhaus abholen lässt, tritt das Ordnungsamt auf den Plan. Was dann folgt, ist zwar keine sonderlich würdige Bestattung des Verstorbenen, aber eine günstige. Das Gräberfeld für die „Zwangsbestattungen“ auf dem Euskirchener Friedhof mutet allerdings alles andere als würdig an - ein nacktes Stück Rasen im Rücken zweier Gräberreihen. Das Geld, rund 1500 Euro, versucht die Stadt bei den Angehörigen wieder einzustreichen. Der ausführende Bestatter jedenfalls kann sich seiner Bezahlung sicher sein.

Lehrgeld bezahlt

„Es gibt sicherlich solche und solche - die einen, die unverfroren auf Staatskosten leben, die anderen, die arm sind, sich abstrampeln und wirklich nicht wissen, wie sie Geld für eine Beerdigung aufbringen sollen“, so ein Bestatter, der keine Sozialbegräbnisse mehr übernimmt, nachdem er „reichlich Lehrgeld bezahlen musste“. Für letztere täte es ihm leid, aber er sei nun mal „kein Wohlfahrtsunternehmen“.

Die Bestatter, allen voran ihr Sprecher Richard Ernst, wünschen sich, dass bundesweit ein gesetzlicher Mindeststandard festlegt würde, für den die Sozialhilfeträger dann in Vorleistung gehen könnten. „Wüssten wir vorab, dass beispielsweise 1500 Euro bewilligt werden, könnten wir als Bestatter ganz anders arbeiten und dem Verstorbenen wäre ein würdiger Abschied sicher.“ Auch mit wenig Geld könne man ein würdevolles Begräbnis zustande bringen: „Es muss nicht der Eichesarg sein, anstatt wuchtiger Kränze reichen auch ein paar schöne Blümchen.“

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