„Das ist nicht alles Talent“Tischtennisspielerin Petrissa Solja im Interview

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Petrissa Solja mit Shan Xiaona

Patrissa Solja mit Shan Xiaona.

Düsseldorf – Frau Solja, Sie haben im vergangenen Jahr in Rio Silber mit der deutschen Mannschaft gewonnen. Gehen Sie Dank dieser Olympiamedaille jetzt entspannter in die WM ab Montag in Düsseldorf?

Das motiviert schon, man hat mehr Selbstbewusstsein – muss aber weiter abliefern. Ich kann mich nicht auf diesem Erfolg ausruhen.

Hat sich mit dem Erfolg etwas für Sie verändert?

Ich werde öfter mal erkannt. Und mein Name, Solja, ist ein Begriff, nicht nur im Tischtennis, sondern im gesamten Sport. Das ist ganz schön. Aber sonst hat sich leider nichts weltbewegendes getan.

Petrissa Solja Olympia

Patrissa Solja gewinnt mit der Mannschaft Silber in Rio.

Ihr Vater hat Ihnen, Ihrer Mutter und Ihren beiden Schwestern das Tischtennisspielen beigebracht, alle haben mindestens Bundesliga gespielt. Und jetzt holen Sie als die Jüngste Olympiasilber. Große Freude bei allen? Oder auch Neid?

Das Beste kommt halt zum Schluss. Aber niemand ist neidisch. Alle freuen sich für mich, alle fiebern immer mit. Wir sind eine typische Tischtennisfamilie. Mein Vater ist wegen des Tischtennis mit 20 Jahren aus der Tschechei nach Deutschland gekommen.

Und Sie sind diejenige der Solja-Frauen mit dem größten Talent?

Das ist nicht alles Talent. Ich muss auch hart arbeiten. Und sicherlich: Mit dem dritten Kind schafft man es vielleicht, Fehler zu vermeiden, die man vorher gemacht hat. Man weiß vielleicht besser, wie es geht, wie man die Trainingsstruktur am besten aufbaut.

Ist die anstehende Heim-WM für Sie vom Gefühl her größer als es die Olympischen Spiele waren?

Nein. Olympia, das ist alle vier Jahre, und wir hatten letztes Jahr eine super Chance, eine Medaille zu holen. Der Druck war einfach riesig. Deshalb bin ich auch besonders stolz, dass wir diesem Druck standgehalten haben. Olympia ist etwas Größeres, aber schöner finde ich die Heim-WM. Das kann ich schon im Vorfeld mehr genießen. Ich freue mich darauf. Vor Olympia war nicht nur Freude dabei. Das war ein Riesendruck.

In Rio hat die breite Öffentlichkeit aber nicht unbedingt eine Medaille von Ihnen erwartet. Jetzt, als Olympiazweite, bei der WM im eigenen Land, sieht das schon anders aus.

Das wünscht sich jeder, ja. Aber eine WM ist sogar noch schwieriger als Olympia. Es können sechs Chinesinnen starten, bei Olympia sind es nur zwei, da ist immer ein Medaillenplatz übrig für eine Nicht-Chinesin. Ich freue mich einfach auf die WM. Ich spüre keinen Druck, dass ich unbedingt eine Medaille holen muss. Und ich denke, dass das Publikum mich zu meiner Leistung pushen wird. Die Leute bekommen viel zu tun.

Dass Ihr Name bekannt geworden ist, liegt ja nicht nur an Olympiasilber, sondern auch daran, dass Sie zu den fünf deutschen Athletinnen gehören, die im Vorfeld der Spiele für den Playboy abgelichtet wurden.

Durch den Playboy habe ich natürlich viel Aufmerksamkeit bekommen. Wahrscheinlich noch mehr, als wenn ich in Rio Gold geholt hätte. Schade eigentlich, oder? Aber das war eine tolle Erfahrung. Und die Bilder sind sehr schön geworden, finde ich.

Es heißt, Sie hätten die erste Anfrage des Playboys gelöscht, weil Sie die Mail für Spam gehalten haben. Stimmt das?

Nein, gelöscht habe ich sie nicht. Die Mail wurde mir von meiner Trainerin aus Berlin weitergeleitet, sie war um meine Kontaktdaten gebeten worden. Und da stand drunter: Fotochefin Playboy. Ich dachte: Hm, ist das jetzt so eine Spam-Mail? Manchmal kommt ja einfach nur Schrott. Aber gut, ich habe geantwortet. Und es hat sich herausgestellt, dass die wirklich großes Interesse an mir hatten. Ich hatte natürlich nie im Kopf, dass mal eine solche Anfrage kommen könnte. Ich war einfach überrumpelt. Dann habe ich mir das lange durch den Kopf gehen lassen. Habe mich mit meinen Eltern und meinem Freund besprochen. Und dann habe ich zugesagt.

Wie war die erste Reaktion Ihres Freundes?

Man kann es sich vorstellen, als Mann, wenn es heißt, deine Freundin soll sich ausziehen und Millionen Menschen, vor allem Männer, sehen das dann – er hat am Anfang keinen Luftsprung gemacht. Aber das war dann geklärt und er ist jetzt auch stolz. Er hat mich wirklich unterstützt. Ich habe ihm gesagt: Die Fotos sind ja nur zum Gucken.

Es wurde schon über Sie geschrieben, dass Sie ein Wahnsinnstalent an der Platte seien, aber Defizite in der Athletik hätten. War das so? Ist das so? Oder schreiben so etwas Menschen, die Sie nur angucken und keine Ahnung haben?

Athletik ist relativ. Es wird ja immer nach Fehlern gesucht, was man noch optimieren könnte. Sicherlich bin ich zumindest abseits vom Tisch nicht die Schnellste. Ich laufe nicht die schnellsten 800 Meter. Aber das ist auch nicht nötig für den Tischtennissport. Dafür habe ich viele andere Dinge, wie Ballkontrolle, Übersicht. Man kann sich immer verbessern. Wenn ich die 800 Meter gut laufen könnte, würde das dem Tischtennis auch nicht schaden. Aber für das Tischtennisspielen bin ich schon gut gebaut.

Petrissa Solja

Patrissa Solja.

Als Spitzensportlerin ist man Blicken auf den eigenen Körper besonders ausgesetzt, da darf bloß kein Gramm zu viel Fett dran sein, sonst wird gelästert. Haben Sie gelernt, das gelassen zu sehen?

Von Klein auf wird im Sport darauf geachtet, wie man aussieht. Ob man durchtrainierte Beine hat oder einen flachen Bauch. Man bekommt schon als kleines Kind eingetrichtert, dass das so sein muss. Aber es scheint ja nicht so schlecht zu laufen bei mir, auch wenn ich Speckröllchen habe. Es zieht keiner fester Rückhand als ich. Ganz kalt lässt mich das alles aber natürlich nicht. Klar, ich bin nicht super durchtrainiert. Aber ich versuche, darüber zu stehen. Inzwischen gelingt mir das besser als früher. Mir ist wichtig, dass ich Kraft habe, um zu trainieren. Ich war nach einer starken Diät auch schon sieben Kilo leichter, habe aber keinen Ball mehr getroffen. Warum soll ich also abnehmen, damit ich für die meisten besser aussehe, obwohl das für meinen Sport nicht gut ist? Das ist nicht notwendig.

Im Mixed spielen Sie bei der WM mit dem chinesischen Vizeweltmeister Fang Bo. Was bedeutet das für Sie?

Das ist schon etwas Besonderes, Klar sind die Chinesen in der Tischtenniswelt noch immer die Könige. Man hat zuletzt aber auch gesehen, dass es etwas bröckelt. Bei den Damen hat bei den Asienmeisterschaften eine Japanerin gewonnen. Trotzdem, spielerisch sind die Chinesen die Besten. Und die suchen sich nur gute Spieler aus für die Doppel. Das zeigt, dass sie mich respektieren.

Jetzt treffen Sie also kurz vor dem WM-Start auf diesen Chinesen und sollen mit ihm möglichst den Titel gewinnen. Sind Sie nervös?

Wahrscheinlich werde ich vor dem Mixed schon nervöser sein als vor den anderen Spielen. Weil das für mich etwas Neues ist. Aber wir können alle alles spielen, Einzel und Doppel. Die gewissen paar Prozent machen es aus, wenn man eingespielt ist. Aber Fang Bo ist ein super Spieler, er hat seine Schläge drauf. Ich spiele auch recht gut Doppel. Das wird schon harmonieren. Die Aufmerksamkeit wird natürlich riesig sein. Aber bis jetzt haben die Menschen mich immer beflügelt. Ich möchte in allen Wettbewerben um eine Medaille spielen.

Zur Person

Petrissa Solja, geb. am 11. März 1994 in Kandel, Tischtennisspielerin, Olympiazweite 2016 mit der Mannschaft, im Doppel mit Sabine Winter Europameisterin 2013 und 2015, spielt in der Bundesliga für den ttc berlin eastside. Im Einzel Nummer 20 der Weltrangliste. Startet bei der WM vom 29. Mai bis 2. Juni in Düsseldorf im Einzel, im Doppel mit Winter und im Mixed mit dem chinesischen Vize-Weltmeister Fang Bo.

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