Neuzugang des 1. FC Köln im PorträtLeonardo Bittencourt – eine hochbegabte Frohnatur

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Meistens mit einem Lächeln im Gesicht zu beobachten: Leonardo Bittencourt, Neuzugang des 1. FC Köln

Meistens mit einem Lächeln im Gesicht zu beobachten: Leonardo Bittencourt, Neuzugang des 1. FC Köln

Köln – Nach diesem Transfer geriet Jürgen Klopp selbst für seine Verhältnisse mal so richtig ins Schwärmen. „Ich bin stolz, dass er sich uns ausgesucht hat“, sagte der ehemalige Trainer von Borussia Dortmund im Dezember 2011 und sprach über den damals 17 Jahre jungen Leonardo Bittencourt, der sich soeben dafür entschieden hatte, ein halbes Jahr später von Energie Cottbus zum BVB zu wechseln. Klopp war begeistert und wähnte in diesem Drei-Millionen-Euro-Deal einen großen Coup für sein damals so erfolgreiches Hochleistungsensemble: „Er ist schnell, technisch stark und passt perfekt in unser System.“

Perfekt war hat das mit Bittencourt und dem BVB allerdings nicht. Schon ein Jahr, fünf Bundesliga-Spiele, ein Tor und einen Champions-League-Einsatz später wechselte er weiter zu Hannover 96. In Dortmund war es nicht einmal seine eigene Leistungsfähigkeit, die für die geringe Spielzeit verantwortlich war. Bittencourt hatte das Problem, einer der unerfahrensten Spieler in einer hervorragend besetzten und funktionierenden Mannschaft zu sein, die es bis ins Finale der Champions League schaffte.

Seine Konkurrenten hießen unter anderem Mario Götze, Ilkay Gündogan, Marco Reus und Jakub Blasczcykowski. Bittencourt, so seiner Zeit die Meinung in Dortmund, habe durchaus das Zeug zum überdurchschnittlichen Bundesliga-Profi, doch angesichts der Konkurrenz werde er sich bei der Borussia vorerst eher nicht zu einem solchen entwickeln können. Der BVB gab ihn nach Hannover ab – allerdings nicht, ohne sich eine Rückkaufoption im mittleren einstelligen Millionen-Bereich garantieren zu lassen – sicher ist sicher.

Mit Bittencourts Wechsel zum 1. FC Köln, den sein neuer Verein am Dienstagabend aus dem Nichts verkündet hat, ist diese Option erloschen. Der Sohn des brasilianischen Ex-Bundesliga-Stürmers Franklin, der zu Beginn des Jahrtausends für Cottbus gespielt hat, ist nach Milos Jojic nun schon der zweite Neuzugang, der die kreativen Defizite des FC beheben und das Spiel von Peter Stögers Mannschaft um Dynamik und überraschende Momente bereichern soll.

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Bittencourt, an dem 2011 auch die Bayern interessiert gewesen sein sollen, hat bis 2019 beim FC unterschrieben, die Nummer 21 wird sein Trikot zieren und der junge Mann freut sich auf seine neue Aufgabe: Der FC verfüge über „eine sehr gut zusammengestellte Mannschaft, ein tolles Umfeld und Fans, die ihre Mannschaft mit Leidenschaft unterstützen“, sagt Bittencourt, der bislang nicht durch überzogene Allüren ausgefallen, sich für klare Worte aber nicht zu schade ist.

Bittencourt soll den FC etwa 2,5 Millionen Euro kosten, heißt es. Gemessen an seinem Marktwert, der auf sechs Millionen Euro geschätzt wird, ist der noch immer erst 21 Jahre alte und in Leipzig geborene Mittelfeldmann ein recht günstiger Einkauf. Beim Zustandekommen des Deals dürften einerseits die guten Kontakte des Kölner Geschäftsführers Jörg Schmadtke zu seinem ehemaligen Klub Hannover eine Rolle gespielt haben. Andererseits haben die Niedersachsen wohl auch guten Gewissens davon abgesehen, einen Spieler zum Verbleib zu zwingen, der daran kein Interesse mehr hatte. „Leo ist vor einigen Tagen auf uns zugekommen und hat um die Freigabe für seinen Wechsel nach Köln gebeten – er wollte eine neue Herausforderung“, wird Manager Dirk Dufner zitiert.

Bittencourt selbst, der bei Hannover zumeist auf den offensiven Außenbahnen zum Einsatz gekommen ist und beim FC vor allem für den linken Flügel eingeplant sein dürfte, gehörte bei den 96ern zu den Lieblingen der Fans und bedankte sich via Twitter noch am Dienstagabend artig für die Unterstützung – während sein neuer Mitspieler Philipp Hosiner etwa zeitgleich ein Foto ins Netz stellte, das Bittencourt gemeinsam mit den weiteren fünf Neuzugängen des FC beim gemeinsamen Besuch in einem Sushi-Restaurant zeigte.

Der FC bekommt nach Innenverteidiger Dominique Heintz einen weiteren Spieler, der zuletzt für Deutschland bei der U-21-Europameisterschaft in Tschechien im Einsatz war. In bester Form war Bittencourt allerdings nicht – während seines 57. und letzten Bundesliga-Spiels für Hannover hatte er im April einen Muskelfaserriss erlitten und war nicht mehr zum Einsatz gekommen. In Köln ist er zweifellos ein Kandidat für die erste Elf – wie er es lange auch in Hannover war. „Wir sind zuversichtlich, dass er in unserem Team die nächsten Schritte in seiner sportlichen Entwicklung gehen wird“, sagt jedenfalls Jörg Schmadtke, der noch während seiner Zeit in Hannover den damaligen Wechsel Bittencourts vom BVB zu 96 eingefädelt haben soll.

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Unter den Fans des 1. FC Köln hat der plötzliche Neuzugang am Dienstagabend für Begeisterung, ja, geradezu für Euphorie gesorgt. Überraschend ist das nicht: Mit Bittencourt verbinden sie nach 14 Partien ohne eigenes Tor in der vergangenen Saison die Hoffnung auf ein variableres und aktiveres Offensivspiel des FC – und das passt ja zur Vorstellung von Trainer Peter Stöger, der als primäres Ziel zwar erneut den möglichst früh gesicherten Klassenerhalt nennt, aber auch erklärt hat: „Wir wollen versuchen, eine Mischung aus den Heimspielen der Rückrunde und den Auswärtsspielen der Hinrunde zu finden.“

Das Personal für dieses Vorhaben steht ihm zur Verfügung. Halten die Neuzugänge, was sie versprechen, dann hat sich der FC mit den Stürmern Anthony Modeste und Philipp Hosiner sowie den Mittelfeldspielern Jojic und Bittencourt in der Offensive bemerkenswert verbessert.

Ziel: Rio 2016

Und Bittencourt ist ja nicht nur der Mann für spektakuläre Aktionen auf dem Rasen – er ist auch noch einer für die gute Laune im Team. Bei der U-21-Nationalelf, für die er in seinen 20 bisherigen Einsätzen insgesamt drei Mal getroffen hat, ist er in der Kabine für die Musik zuständig. Damit Bittencourt, der als eine Frohnatur gilt, diesen Job auch im nächsten Sommer während der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro übernehmen darf, wird er sich in seinem ersten Jahr in Köln beweisen müssen.

An persönlicher Motivation wird es ihm daher nicht mangeln – zumal die Spiele in der Geburtsstadt seines Vaters stattfinden. „Ausgerechnet in Brasilien, ausgerechnet in Rio. Mein Vater hat mir erzählt, dass es immer der Traum seines mittlerweile verstorbenen Vaters war, dass er eines Tages Olympia spielt“, hat Bittencourt dazu neulich bei spox.com erklärt, und weiter: „Er hat es nicht geschafft, aber jetzt habe ich die Möglichkeit. Mein Vater hat sich riesig gefreut. Das ist schon eine geile Geschichte.“ Ja, so kann man das sagen.

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