Nach KreuzbandrissRudi Völler kann die Rückkehr von Florian Wirtz kaum erwarten

Lesezeit 4 Minuten
Flowirtz

Florian Wirtz beim Training

Leverkusen – Wer dieser Tage vormittags an der Bay-Arena vorbeikommt, sieht mit ein wenig Glück einen jungen Mann trainieren, der auf dem Fußballplatz sehr vermisst wird. Wenn er den Ball jongliert, Pässe spielt und zu Dribblings ansetzt, könnte man glauben, es sei nie etwas passiert und er werde mit dem Team zum Spiel beim FC Bayern München reisen (Freitag, 20.30 Uhr).

Das wäre eine Version der Realität, in der Bayer 04 Leverkusen mit großer Wahrscheinlichkeit weniger Probleme hätte als jetzt. Denn mit Florian Wirtz in der Mannschaft gehörte die Werkself zum Spektakulärsten, was die Fußball-Bundesliga zu bieten hatte. Seit seinem Kreuzbandriss am 13. März im Derby gegen den 1. FC Köln ist das nicht mehr der Fall. Trotz aller schönen Bilder wird es allerdings noch dauern, ehe der 19-Jährige sein Comeback in einem Pflichtspiel wagen darf. „Florian befindet sich in seinem Verlauf. Es ist gut, dass er auf dem Platz steht, aber es ist bis zur Rückkehr noch ein mittellanger Weg“, sagte Trainer Gerardo Seoane.

Das könnte Sie auch interessieren:

Florian Wirtz befindet sich nach mehr als einem halben Jahr der Rehabilitation in der Phase, die alles erlaubt, außer direkte Zweikämpfe mit den Kollegen. Die Bänder im linken Knie sind vollständig verheilt. Allerdings ist die letzte Muskelbalance noch nicht hergestellt. Erst wenn auf beiden Seiten dieselben Kraftwerte herrschen, ist die Rückkehr in den harten Wettkampf möglich.

Es versteht sich von selbst, dass alle bei Bayer 04 diesen Tag aus tiefstem Herzen herbeiwünschen. Mit nur einem Sieg aus den ersten sieben Spielen befindet sich der mit hohen Zielen gestartete Werksklub auf Platz 15 in einer tiefen Krise. Alles, was Wirtz auszeichnet – die Spiellust, die Unberechenbarkeit und die Fähigkeit, jeden Mitspieler in die beste Position zu bringen – fehlt der Mannschaft. In 31 Pflichtspielen der Vorsaison war der Nationalspieler an 24 Toren direkt beteiligt, in der Bundesliga lautete die Bilanz vor seinem Unglücksspiel 23/17. Seit seinem Aus hat kein anderer Angreifer einen ähnlichen Einfluss aufs Spiel von Bayer 04.

Auch Klub-Legende Rudi Völler sieht in der langen Abwesenheit des Ballgenies einen Grund für die Krise. „Florian Wirtz ist ein absolutes Ausnahmetalent, selbstverständlich vermissen wir ihn sehr“, sagt der ehemalige Geschäftsführer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, „man muss ehrlich sagen, dass wir nach seiner Verletzung im März auch in der Endphase der vergangenen Saison nicht mehr denselben Offensivfußball gespielt haben wie mit ihm. Durch seine Fähigkeiten macht er alle Mitspieler besser. Aber er muss jetzt einfach die nötige Zeit bekommen, denn er soll noch viele Spiele für uns machen. Bis dahin müssen wir es schaffen, ihn angemessen zu ersetzen“, so Völler.

Als realistischstes Szenario beschrieb Klubchef Fernando Carro zuletzt im Interview mit dieser Zeitung eine Rückkehr von Wirtz Ende Oktober. Die Frage, ob der selbst um jeden Funken Inspiration in seinem Kader kämpfende Bundestrainer Hansi Flick bei der WM-Nominierung in Versuchung käme, ist aktuell nicht zu beantworten. Die Erfahrung sagt: Den Florian Wirtz in der Verfassung von März 2022 wird man nach überstandenem Kreuzbandriss erst im Januar 2023 sehen. Der 19-Jährige hat sich, wie aus seinem Umfeld zu hören war, von diesem Druck selbst befreit und die Weltmeisterschaft für sich zur nachrangigen Angelegenheit erklärt. Alle Konzentration gilt der Rückkehr auf den Platz.

Die nächsten Spiele entscheiden über den Trainer

Ob Gerardo Seoane, den Wirtz persönlich schätzt, dann noch sein Trainer sein wird, ist von den Ergebnissen in allernächster Zukunft abhängig. Die kommenden Spiele, wahrscheinlich alle noch ohne Florian Wirtz, lauten: FC Bayern (auswärts), Schalke (heim), Porto (a), Frankfurt (a), Wolfsburg (h). Danach sollte die Situation deutlich besser sein als heute, denn Leverkusens Treue zum Fußball-Lehrer aus der Schweiz ist aktuell ein Vorschussgeschäft, das von diesem umgehend mit Punkten und Siegen ausgeglichen werden muss.

Rudi Völler, der als Mitglied des Gesellschafterausschusses noch nah an der Aktualität ist, hat die Rückendeckung für Seoane in diesem Sinne unterstützt: „Natürlich haben wir zu wenige Spiele gewonnen, aber aus meiner Sicht war nach dem ärgerlichen Pokal-Aus nur das Spiel gegen Hoffenheim richtig schlecht. Das muss man bei der Bewertung der Gesamtsituation berücksichtigen“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Natürlich wird es bei den Bayern schwer, denn sie haben außer gegen Stuttgart aus meiner Sicht immer gut bis sehr gut gespielt und unglaublich viele Möglichkeiten produziert. Ich bin mir aber sicher, dass wir am Freitag eine gute Chance haben und danach die Kurve bekommen, denn unser Anspruch bleibt das internationale Geschäft.“

Der von Florian Wirtz übrigens auch.

KStA abonnieren