FC-Kapitän Lehmann im Interview„Erneut Platz fünf ist nicht realistisch“

Lesezeit 5 Minuten
Kapitän Matthias Lehmann ist seit 2012 beim 1. FC Köln.

Kapitän Matthias Lehmann ist seit 2012 beim 1. FC Köln.

Köln – Herr Lehmann, Sie absolvieren gerade Ihre 34. Vorbereitung als Fußballprofi (Sommer/Winter, d. Red.). Fällt sie Ihnen schwerer als früher?

Ich kann zum Glück noch nicht sagen, dass sie mir schwerer fällt als in den letzten Jahren. Sie ist natürlich anstrengend, aber das passt schon, denn ich fühle mich insgesamt fit. Ich gehe allerdings früher schlafen als früher, mittlerweile sind bei mir spätestens um 22 Uhr die Lichter aus. Schlafen ist für mich die beste Regeneration.

Bei vielen jüngeren Spielern sind moderne Regenerationshilfen wie Recovery Boots (Stiefel) schwer angesagt. Ist das auch was für Sie?

Alles zum Thema Anthony Modeste

Genau die habe ich jetzt bestellt, ernsthaft! (lacht). Dennoch glaube ich nicht an alles, was mittlerweile auf dem Markt ist. Kompressionshosen und – Socken tun mir allerdings schon seit Jahren gut.

Mit den sozialen Netzwerken können Sie aber offenbar wenig anfangen. Bei Facebook oder Instagram sind Sie jedenfalls nicht zu finden.

Wenn ich zu jemandem Kontakt haben will, dann rufe ich ihn an – auch wenn das vielleicht etwas altmodisch daherkommt. Ich muss anderen nicht meinen Status in sozialen Medien mitteilen oder irgendetwas kommentieren. So spannend ist mein Leben auch nicht (lacht). Wenn Mitspieler das machen, dann ist das vollkommen okay, aber ich brauche Facebook und Co. einfach nicht.

Zu Ihrer Anfangszeit gab es kein Facebook. Was hat sich in der Vorbereitung im Vergleich zu Ihren ersten Profi-Jahren noch verändert?

Die ersten zehn bis 14 Tage haben wir damals keinen Ball gesehen, sondern fast nur den Wald. Laufen war also immer angesagt. Heute liegt das Hauptaugenmerk auf ganz intensiven Spielformen mit Ball.

Mir fällt zudem auf, dass die jüngeren Spieler heute durch die Internate viel besser ausgebildet sind und selbstbewusster auftreten. Damals haben wir in der Kabine von den älteren Mitspielern noch richtig Lack bekommen. Mit uns wurde kaum gesprochen, und wir wollten bloß kein falsches Wort sagen. Heute ist alles viel lockerer, angepasster und für die jüngeren Spieler auch sicherlich einfacher.

Mit 34 Jahren erleben Sie bald Ihre erste internationale Saison.

Deshalb gehe ich sie auch mit großer Freude an! Als Schüler habe ich Panini-Bilder gesammelt. Vor einer WM oder EM habe ich der Auslosung entgegengefiebert, selbst Tabellen gemacht und mitgeschrieben. Das mache ich zwar nicht mehr (lacht), aber auch jetzt als Spieler kann ich es kaum erwarten, bis gelost wird.

Für mich wird es ein Glücksmoment sein, wenn es im Europapokal richtig losgeht und man selbst mittendrin ist. Damit hätte ich doch vor zwei Jahren niemals gerechnet. Und dann wollen wir uns auch für unsere Fans richtig gut präsentieren und nicht nur Sightseeing machen.

Für Sie wäre es aber wegen Ihrer Flugangst doch am besten, wenn es für den FC nach Arnheim oder Waregem geht?

Kurze Busfahrten wären für mich in der Tat nicht schlecht. Ich fliege einfach nicht gerne, aber manchmal geht es nicht anders. Und dann lass ich das über ich mich ergehen.

Wie verreisen Sie in den Urlaub?

Mit dem Auto.

Da geht es dann aber nicht gerade weit weg.

Stimmt, letztmals bin ich wohl vor sieben, acht Jahren mit dem Flieger in den Urlaub – nach Mallorca. Von meiner Heimat Ulm aus ist es nicht so weit nach Italien. Da ist es auch schön.

Sie sind nicht nur der Spieler mit der meisten Erfahrung, sondern Sie führen den FC auch erneut als Kapitän in die neue Saison. Was ist, wenn der Kapitän mal auf der Bank sitzt?

Wir spielen erstmals in drei Wettbewerben. Deshalb wird es zwangsläufig Wechsel geben. Es wird bestimmt auch so kommen, dass ich mal auf der Bank Platz nehme. Aber das ist kein Problem.

Wie würden Sie Ihre letzte Saison beschreiben?

Nach einem guten Start kam meine Knie-Verletzung aus dem Nichts. Der Weg zurück war echt hart. Drei, vier Monate nur zuschauen zu können, das tat weh. Und dann habe ich natürlich auch wieder eine gewisse Zeit gebraucht, um in den Spielrhythmus zu kommen. Gegen Saisonende war ich dann ja wieder gut dabei.

Und Sie halfen mit, dass der FC Platz fünf erreichte. Ist der überhaupt wiederholbar?

Es ist schwierig, jetzt ein Ziel zu benennen. In Kitzbühel werden wir uns mit der Mannschaft zusammensetzen und das Ziel ausarbeiten. Wir wissen, dass die letzte Saison eine außergewöhnliche war. Wenn alles normal verläuft und die Mannschaften, die geschwächelt haben, wieder in die Spur finden, dann wird es schwierig für uns, erneut Platz fünf zu erreichen. Jedem sollte klar sein, dass der für uns keine Selbstverständlichkeit ist. Jetzt einen Platz fünf als Ziel auszugeben, das wäre falsch und nicht realistisch.

Zumal Anthony Modeste nicht mehr da ist, der 25 Tore erzielt. Das Theater um seinen Wechsel nach China war zuletzt das große Thema. Haben Sie Verständnis für Modeste?

Natürlich habe ich für Tony Verständnis. Ganz ehrlich: Dass man ins Grübeln kommt, wenn man ein derartiges Angebot eines anderen Klubs erhält, das ist doch logisch. Aber solch ein Angebot erhalte ich nicht mehr (lacht).

Wie will der FC Modeste ersetzen? Wie ist Ihr Eindruck von Neuzugang Jhon Córdoba?

Jhon macht einen guten Eindruck. Aber wir müssen das schon auf mehrere Schultern verteilen und allesamt torgefährlicher werden. Tony eins zu eins zu ersetzen, das wird nicht möglich sein.

Ihr Vertrag läuft 2018 aus. Sie werden jetzt sicherlich sagen, dass Sie sich im Winter mit dem Verein zusammensetzen wollen.

Stimmt, Sie sind ein Wahrsager! (lacht) Ich kann nur sagen: Ich fühle mich gut, warum sollte ich dann im Sommer aufhören? Und dass ich mich beim FC wohlfühle und zu vielen im Klub ein gewachsenes Verhältnis habe, da mache ich ja keinen Hehl draus.

KStA abonnieren