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Leipzig-Vorstandschef„Der FC hat eine überragende Entwicklung genommen“

Lesezeit 6 Minuten
Oliver Mintzlaff

Oliver Mintzlaff (links)

Herr Mintzlaff, Sie haben am Abend der Krawalle von Dortmund während des Spiels zwischen 8000 RB-Fans im Gästeblock gestanden. Was haben Sie von den Ausschreitungen mitbekommen?

Zunächst gar nichts, wir waren begeistert über die Euphorie. Die zum Teil primitiven und diffamierenden Plakate haben wir zwar in Teilen gesehen, aber weder Ralf Rangnick noch ich haben uns damit beschäftigt. Das hat uns nicht tangiert. Vom Ausmaß der Vorfälle haben wir erst nach dem Spiel erfahren.

Sie haben sich danach eigens mit Herrn Watzke und Herrn Rauball zum Krisengespräch getroffen. Warum war das nötig?

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Herr Watzke hatte sich bei Ralf Rangnick per SMS für die Vorfälle entschuldigt. Daraufhin haben wir zu einem Treffen in Berlin eingeladen – ein respektvolles, sehr sachliches vernünftiges Gespräch. Wir waren uns einig darin, dass wir als Teil der Bundesliga alle gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, damit so etwas nicht wieder passiert. Gewalt hat im Fußball nichts verloren – nirgendwo.

Es gab viele kritische Stimmen gegen Hans-Joachim Watzke, weil er verbal das Klima dafür geschaffen habe, dass der Protest eskalierte. Teilen Sie diese Einschätzung?

Nein, und das haben wir weder Herrn Rauball noch Herrn Watzke vorgeworfen. Das Verhältnis war auch zuvor nicht schlecht, es war normal. Natürlich hat Herr Watzke ab und zu die eine oder andere Spitze gegen uns losgelassen, doch das gehört ein Stück weit zum Fußball mit dazu. Das konnten wir alles richtig einsortieren.

Welche Konsequenzen werden die Vorfälle von Dortmund für RB Leipzig haben?

Jeder Verein ist in der Verantwortung sicherzustellen, dass nicht nur die Gastmannschaften vernünftig empfangen werden, sondern insbesondere auch die Gästefans ohne Attacken an- und abreisen können. Da sind alle in der Pflicht, zumal das nicht nur unseren Verein betrifft – es ist schließlich eine ligaweite Problematik. Wir wollen, dass auch weiterhin Familien und Kinder zu unseren Auswärtsspielen fahren können. Fakt ist, dass es bisher ligaweit über 60 Vorfälle gab, von denen lediglich drei uns betroffen haben. Das muss einfach richtig eingeordnet werden, ohne dass ich die Vorkommnisse verharmlosen möchte.

Gibt es Aspekte des Protestes, die Sie nachvollziehen können?

Wir leben Gott sei Dank in einem freien, demokratischen Land, in dem jeder seine Meinung äußern darf. Andere Klubs zeigen, dass es andere Strukturen gibt, die alle ihre Daseinsberechtigung haben. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass jemand unser Modell nicht gutheißt. Das ist auch okay. Aber wir sind eben davon überzeugt, dass dieser Weg für uns der richtige ist.

War Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie einen Kulturkampf im Fußball würden ausfechten müssen, als sie 2014 den Job angetreten haben?

Nicht in dem Ausmaß. Aber ich habe damals auch nicht damit gerechnet, dass wir jetzt schon in der 1. Bundesliga spielen und sogar auf Platz zwei stehen würden. Aber ich finde, dass dieser sogenannte Kulturkampf auch ein Stück weit ein Konstrukt der Medien ist. Wir haben so viele Klischees, die man uns vorgeworfen hat, gar nicht bedient: dass wir alles aufkaufen, dass es einen finanziellen Großangriff gibt, wir 200 Millionen Euro in den Kader stecken, Mario Götze & Co. verpflichten. Am Ende sind wir mit dem jüngsten Team mit der wenigsten Bundesligaerfahrung in die Saison gegangen.

Sie sind gern gut vorbereitet. Geht Ihnen die Entwicklung mit der möglichen Qualifikation für europäische Wettbewerbe nicht zu schnell?

Sportlicher Erfolg kann nie schnell genug kommen. Im Leistungssport will man gewinnen. Da kann man nicht sagen, warten wir lieber noch zwei Jahre, um alle Strukturen anzupassen.

Wie groß wird der Umbruch im Team zur neuen Saison sein, wenn RB tatsächlich in Champions oder Europa League starten darf?

Auch hier verfolgen wir einen langfristigen Weg. Wer Ralf Rangnick kennt, kennt seine Maximen: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, nach der Saison ist vor der Saison. Ralf ist Visionär, sehr weitsichtig. Sollten wir international spielen, hätten wir andere Bedürfnisse und Budgets als wenn wir nur in zwei Wettbewerben starten würden.

Fans und Kritiker beschäftigt gleichermaßen, ob Leipzig im Rahmen des Financial Fairplays der Uefa überhaupt europäisch spielen dürfte.

Diesbezüglich ist öffentlich sehr viel Halbwissen im Umlauf.

Und was eine mögliche Wettbewerbsverzerrung durch zwei Red-Bull-Klubs angeht?

RB Leipzig und Red Bull Salzburg sind zwei eigenständige Vereine.

Beide Klubs sind von dem Geld von Red Bull abhängig.

Ich bin der Ansicht, dass jeder Profi-Klub vom sportlichen Erfolg abhängig ist. Und das gilt auch für uns in Leipzig. Ich kann nur für RB Leipzig sprechen: Wir sehen bezüglich des Financial-Fair-Play und hinsichtlich der Integrität des Wettbewerbs keine Probleme auf uns zukommen.

Am Wochenende gastiert der 1. FC Köln erstmals in Leipzig. Wie ist Ihr Verhältnis zu den Kölner Verantwortlichen, auch nach den Vorkommnissen im Hinspiel?

Das Verhältnis ist gut. Wir haben Herrn Spinner, Herrn Wehrle und Herrn Schmadtke zum Mittagessen eingeladen und haben einen vernünftigen und guten Austausch, auch in der Aufarbeitung der Geschehnisse rund um das Hinspiel (Kölner Ultras blockierten die Buseinfahrt des Stadions, diverse Straftaten gegen RB-Fans nach dem Spiel, Anm.d.Red.) Auch wenn ich selbst nicht dabei sein kann, freue ich mich als Rheinländer, wenn der 1. FC Köln nach Leipzig kommt, hoffe allerdings, dass die Punkte bei uns bleiben. Das würden die Kölner schnell vergessen, weil sie Karnevalssonntag und Rosenmontag genug zu feiern haben (lacht).

Hatten Sie als Bonner eine besondere Beziehung zum FC?

Ich war zwar kein Fan des FC, aber ich bin in Bonn aufgewachsen, da lag Köln vor der Haustür. Ich bin öfter ins Stadion gegangen und habe mich gefreut, wenn Köln gewonnen hat. Später gab es dann immer mal wieder Phasen mit Höhen und Tiefen. Doch seit das „Dreigestirn“ verantwortlich ist, hat der FC eine überragende Entwicklung genommen. Man sieht, dass nachhaltige und konzeptionelle Arbeit zum Erfolg führt.

Viele nehmen Sie als Quereinsteiger im Fußball wahr.

Ich habe schon seit 2003 80 bis 90 Prozent meiner Zeit mit Profifußball zu tun gehabt. Da war mein Interesse sehr groß, auch im Fußball weiterzuarbeiten. Dass ich danach in einer Agentur als Berater mit hochklassigen Spielern wie Mario Gomez oder Bernd Leno zusammengearbeitet habe, ist für meine Arbeit heute sehr hilfreich.

Sie haben auch die Schlagersängerin Andrea Berg gemanagt.

Damit hätte ich tatsächlich nicht gerechnet. Aber es war eine tolle Erfahrung, ich habe viele Mechanismen des Management-Geschäfts von einer anderen Seite kennengelernt. Als Quereinsteiger würde ich mich nicht bezeichnen. Ich war halt kein Fußballprofi, sondern komme aus der Wirtschaft. Deswegen scoute ich auch keine Talente, sondern überlasse das lieber Ralf Rangnick.

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