Interview mit Bernd Leno„Es brach vieles auseinander“

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Bernd Leno ist in Zell am See ins Training zurückgekehrt.

Bernd Leno ist in Zell am See ins Training zurückgekehrt.

Leverkusen/Köln – Herr Leno, Sie trainieren seit Montag in Zell am See mit dem neuen Leverkusener Trainer Heiko Herrlich. Welchen Eindruck vermittelt er?

Er legt sehr viel Wert auf das Team. Wie andere auch hat er festgestellt, dass uns in der letzten Saison Geschlossenheit, der Teamgedanke gefehlt haben. Wir hatten und haben super Spieler, konnten es aber als Mannschaft nicht auf den Platz bringen.

Der Trainer sprach nach den ersten Testspielen von mangelnder Siegermentalität.

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Wir sind Zwölfter geworden, das sagt alles. Wir waren in so einem Flow, aus dem wir nicht mehr herauskamen, es brach vieles auseinander. Zu wenige Spieler waren präsent. Genau das darf uns nicht wieder passieren. Und genau da versucht der Trainer, uns zu packen. Es war offensichtlich, dass es da nicht gestimmt hat. Am Ende haben wir noch die Kurve gekriegt, es war aber drei Sekunden vor zwölf.

Das Team hat sich verändert, zum Beispiel sind Calhanoglu und Chicharito weg. Wie bewerten Sie das?

Ich habe mich mit beiden sehr gut verstanden, beide waren sehr gute Spieler. Auf der anderen Seite wird das Geld, das eingenommen wurde, kurz- und mittelfristig in die Mannschaft investiert. Mir wurde gesagt, dass wir noch Verstärkung bekommen. Ich sehe es auch so, dass uns die ein oder andere Verstärkung gut tun würde. Jeder Neuzugang pusht den Konkurrenzkampf und die Mentalität.

Auch Ihr Name tauchte vor Kurzem auf dem Transfermarkt auf. Bayer erklärte Sie aber sofort als unverkäuflich. Was sagen Sie dazu?

Es gab Angebote, das stimmt. Grundsätzlich hätte ich in Hinblick auf die WM gern Champions League gespielt. Der Verein hat aber klar gesagt, dass man mit mir plant und dass es da keine Chance gibt. Deshalb war es für mich schnell vom Tisch. Ich sage aber nicht: Ich muss hier bleiben. Ich sehe mich auch in der Schuld und will einen möglichst großen Anteil zum Comeback besteuern.

Ein Jahr ohne Champions League halten Sie aus?

Zwei oder mehrere Jahre ohne internationale Spiele wären schon problematisch. Deswegen wäre es schon optimal, dass wir mit Bayer wieder nach Europa kommen, am besten natürlich wieder in die Champions League.

Beim Confed-Cup in Russland haben Sie im Spiel gegen Australien ein paar Fehler begangen, danach spielte Ihr Konkurrent ter Stegen im deutschen Tor. Wie haben Sie das verkraftet?

Es war mein schwächstes Spiel der Saison, es waren zwei dumme Aktionen, ansonsten habe ich gut gehalten. Das hat der Bundestrainer auch gesagt. Er hat mir Mut zugesprochen und gesagt, dass er mir trotzdem vertraut.

Sie wurden in Teilen der Medien zum Verlierer des Turniers erklärt. Nehmen Sie so etwas zur Kenntnis?

So funktionieren Teile der Medien: Man wird in die Höhe geschossen und auch unsanft auf den Boden zurückgeholt. So ist das Geschäft. Man gewöhnt sich daran und lernt, damit umzugehen. Ich bin sechs Jahre dabei.

Trotzdem haben Sie den Status der Nummer zwei hinter Manuel Neuer an ter Stehen verloren.

Klar, das muss man realistisch so sehen. Ich werde aber nicht aufgeben. Das Wichtigste für mich ist, sagen zu können, dass ich alles gegeben habe. Dann bin ich mit mir im Reinen. Ich werde in dieser Saison angreifen, auch wenn es nicht in der Champions League ist.

Es heißt, Sie und ter Stegen seien schon lange verfeindet. Ist das wahr oder ein Mythos?

Es ist bekannt, dass wir uns in der U16, 17, 18 nicht optimal verstanden haben. Es war aber nie so, dass wir uns angepöbelt oder angestresst hätten. Wir waren und sind einfach Konkurrenten. Torwart zu sein, ist eine spezielle Situation. Wir sind Einzelkämpfer. Der Bundestrainer würde aber niemals zwei Torhüter nominieren, die miteinander nicht klar kommen. Wir haben Spaß zusammen, wir lachen im Training. Es heißt aber nicht, dass wir Freunde sein müssen.

Haben Sie ein Torwart-Vorbild?

Als ich noch kleiner war, war es Iker Casillas. Mittlerweile bin ich in einem Alter, in dem ich keine Poster über dem Bett hängen habe.

Auch nicht der Italiener Gianluigi Buffon, der mit fast 40 noch spielt?

In der Hinsicht ist er ein Vorbild.

Er spielt in dem Alter noch überragend. Ich habe ihn im November kennengelernt, als wir gegen Italien gespielt haben. Er kannte mich, er sagte mir, dass er mich für einen super Torwart hält. Ich habe sein Trikot bekommen, das hat mir viel bedeutet.

Zur Person

Bernd Leno, geboren am 4. März 1992 in Bietigheim-Bissingen; der Torhüter begann 1998 bei Germania Bietigheim, wechselte 2003 zum VfB Stuttgart und 2011 zu Bayer 04 Leverkusen, wo er Nachfolger von René Adler wurde, Vertrag bis 2020. 200 Bundesliga-, 37 Champions-League-Spiele und fünf in der A-Nationalmannschaft.

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