Aberglaube im SportDas sind die kuriosesten Marotten von Fußballern

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Gewinnbringendes Ritual? Bei der Heim-WM 1998 küsste der Franzose Laurent Blanc vor jedem Spiel die Glatze seines Torwarts Fabien Barthez.

Köln – Wie bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich ist Bayern-Stürmer Thomas Müller auch nach den ersten sechs Spielen der neuen Bundesliga-Saison torlos geblieben. Am Wochenende traf er im Trikot der Nationalmannschaft im WM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien (3:0) gleich doppelt. Angesprochen auf den zurückgefunden Torriecher offenbarte er, wieder die Schienbeinschoner von Lukas Podolski getragen zu haben – „ein Spielchen“ zwischen ihm und Zeugwart Thomas Mai.

Ein solch kurioses Ritual ist unter Fußballern keine Seltenheit. 20 kuriose Fakten über Glücksbringer oder Marotten von Fußballspielern.

1. Jugendliche Schienbeinschoner

Der Schienbeinschoner ist ein häufig verwendetes Glücks-Accessoire unter Fußballern. Nationalstürmer Mario Gomez (31) vertraut beispielsweise seit 16 Jahren auf dieselben Schienbeinschoner. Auch bei Bastian Schweinsteiger scheinen die Schützer eine besondere Bedeutung zu haben – sie stammen ebenfalls noch aus seiner Juniorenzeit. Hierbei handelt es sich aber nicht ausschließlich um eine nationale Angelegenheit: Auch der englische Verteidiger John Terry hat einen Schienbeinschoner-Tick: Als seine beiden Glücksbringer einmal im Camp Nou in Barcelona verloren gingen, suchte der Engländer im gesamten Stadion und hörte erst auf als er sie wiedergefunden hatte.

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Thomas Müller (l.) trägt Schienbeinschoner mit der Aufschrift „Poldi“.

2. Sonderbares Platzempfinden

Doch nicht nur die Schoner, auch die Schuhe bieten viel Raum für Aberglauben. So trug Gerd Müller, der „Bomber der Nation“, stets Schuhgröße 41, obwohl er eigentlich 38 hatte. Damit könne er sich besser drehen, begründete er einst. Der österreichische Torjäger Johann Ettmayer, der sich auch schon längst im Ruhestand befindet, trug hingegen konsequent zwei Nummern zu klein. Seine Erklärung scheint naheliegend: „Ich wollte immer ein Kondom an den Füssen haben, sonst hast du doch kein Gefühl.“

3. Wundersame Glatzenküsse

Gefühlvoll war auch das Ritual innerhalb der französischen Nationalmannschaft bei der Heim-WM 1998. Dort küsste der damalige Libero Laurent Blanc vor jeder Partie die Glatze seines Keepers Fabien Barthez. Offenbar mit Erfolg: Mit nur zwei Gegentreffern holte Frankreich den Titel.

4. Rindersteaks statt Hühnerfleisch

Ebenfalls weltmeisterlich: Bei der WM 1986 in Mexiko durfte die argentinische Nationalmannschaft um Superstar Diego Maradona fünf Wochen lang kein Hühnerfleisch zu sich nehmen, weil ihr Trainer Carlos Bilardo der Überzeugung war, dass Hühnerfleisch Unglück bringe. Stattdessen kamen Rindersteaks bei den „Gauchos“ auf den Teller. Kaum zu glauben, aber am Ende wurde Argentinien Weltmeister. Vielleicht lag das allerdings auch an einem anderen Ritus: Nachdem sich Bilardo vor der ersten Partie des Turniers von einem Spieler die Zahnpasta geliehen hatte, kam es bis zum Endspiel vor jedem Duell zur Leihgabe.

Von Krebsen, Skorpionen und Löwen

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Bayer 04 Leverkusens Chicharito betet vor jedem Spiel.

5. Urinieren auf dem Platz

Ebenfalls argentinisch, ebenfalls kurios: Der argentinische Keeper bei der WM 1990, Sergio Goycochea, vollzog vor wichtigen Elfmeterschießen eine besonders bizarre Marotte: Während seine Teamkollegen mit einem Kreis einen Sichtschutz um ihn herum bildeten, urinierte er auf den Platz. Die Methode erwies sich sogar als erfolgreich – zumindest bis zum Finale in Rom.

6. Weihwasser als Wundermittel

Nicht auf Urin, dafür aber auf Weihwasser vertraute Italiens Coach Giovanni Trapattoni bei der WM 2002. Seine Schwester, eine Nonne, hatte ihm geweihtes Wasser geschenkt. Dies spritze der damals 63-Jährige vor den Partien seiner Equipe auf den Rasen. Mit mäßigem Erfolg – die Italiener schieden im Achtelfinale gegen den Gastgeber Südkorea aus.

7. Brasilianische Bibelgrüße

Ebenfalls überzeugt vom Glauben war der Brasilianer Jorginho, der bei Bayer 04 Leverkusen und später Bayern München nicht darauf verzichten wollte, gegnerischen Mannschaftskapitänen vor dem Spiel neben dem Wimpel auch noch eine Bibel zu überreichen.

8. Beten und Kreuzzeichen

Auch Beten oder das Kreuzzeichen sind häufig gesehene Rituale auf und neben dem grünen Rasen. Eine Vielzahl an Spielern bekreuzigt sich beim Betreten des Platzes, wie etwa Ex-Nationalspieler Miroslav Klose oder Brasiliens ehemaliger Sturmstar Ronaldo. Andere Athleten beten vor dem Spiel, beispielsweise der zum Islam konvertierte Bayern-Spieler Franck Ribery oder auch Bayer 04 Leverkusens Stürmer Javier Hernández, genannt Chicharito. Letzterer betet vor dem Anpfiff immer mit Blick gen Himmel gerichtet kniend am Mittelkreis.

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Auch die Astrologie konnte die Niederlage gegen Italien am Ende nicht verhindern – Frankreichs Nationaltrainer Raymond Domenech (vorne) nach dem Finale 2006.

9. Skurile Sternzeichen

Frankreichs ehemaliger Nationaltrainer Raymond Domenech war weniger von der Macht der Religion als vielmehr von der Macht der Sterne überzeugt. „Die Astrologie ist bei der Zusammensetzung einer Mannschaft ein kleines, aber sehr relevantes Kriterium. Sehr geeignet für ein Team sind Spieler mit dem Sternzeichen Krebs.“ Auch bei der WM 2006 soll er seine Spieler auch nach ihrem Sternzeichen aufgestellt haben. So spickte er seine Startelf oftmals mit vielen Krebsen, die als nicht-mannschaftsdienlich geltenden Skorpione wurden teilweise sogar ganz aus seinem Kader verbannt. Auch mit Löwen tat sich Domenech schwer, weil sie stets bereit seien „Dummheiten zu begehen“: „Wenn ein Löwe in meiner Abwehr spielt, halte ich bei jeder seiner Ballberührungen die Luft an.“

Erfolgsbringender Kaffeeklatsch

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Kölns ehemaliger Sportdirektor Udo Lattek jubelt in seinem blauen Glückspullover.

10. Vorausschauende Sparsamkeit

Eine Verweigerung des Löwen wäre im Mutterland des Fußballs undenkbar. Schließlich zieren drei Löwen das Wappen des englischen Nationalteams. Die Marotte von Englands Fußball-Legende Gary Lineker ist hingegen ähnlich amüsant: Er schoss beim Aufwärmen niemals auf das Tor, um sich mögliche Treffer für das Spiel aufzusparen. Gelang ihm in der ersten Halbzeit kein Treffer, wechselte er in der Pause das Trikot. „War ich dagegen erfolgreich, behielt ich das Trikot an“, sagte Lineker.

11. Mode und Accessoires

Kleidungstücke haben generell eine besondere Mystik im internationalen Fußballgeschäft. Hier drei deutsche Beispiele. In der Saison 1987/88 trug der damalige Sportdirektor des 1. FC Köln, Udo Lattek, beim 1:1 in Karlsruhe am ersten Spieltag einen blauen Strickpulli. Dieser wurde fortan zum Glückbringer auserkoren – bis zur 1:2-Niederlage des FC bei Werder Bremen vierzehn Spieltage später. Auch Bundestrainer Jogi Löw vertraute bei der WM 2010 in Südafrika einem blauen Kaschmir-Pullover, seinen Aberglauben bringt er außerdem durch Ketten oder Armbänder zum Ausdruck, mit denen er seine Spieler bei Turnieren ausstattet. Ein anderes Glücksobjekt hatte Felix Magath. Während seiner Zeit als Trainer beim VfL Wolfsburg vertraute er monatelang auf eine apfelgrüne Krawatte – so lange, bis sein Klub besiegt wurde.

12. Auf Anraten einer Wahrsagerin

Adrian Mutu, ehemaliger rumänischer Nationalspieler, legte besonders viel Wert auf seine Kleidung. Bei Spielen trug der ehemalige Akteur von Juventus Turin immer dieselbe Unterwäschemarke. Beim ehemaligen kolumbianischen Nationalkeeper Rene Higuita musste die Unterhose unterdessen immer blau sein – eine Wahrsagerin hatte ihm dies empfohlen.

13. Kaffee und Kuchen

Doch nicht nur Kleidung, auch die Nahrung hat Ritual-Potenzial. Nach erstmals glückbringender Wirkung führte Trainer Gyula Lóránt bei Eintracht Frankfurt in der Saison 1976/77 einen „Kaffeeklatsch“ vor dem Spiel ein. Immerhin blieb die Mannschaft mit Kaffee und Kuchen im Magen 21 Spiele in Serie unbesiegt.

14. Warme Wanne

Für viele Fußballer beginnen die Rituale oftmals schon lange vor dem Spiel. Einer unter ihnen: Der Franzose Eric Cantona, viermaliger englischer Meister mit Manchester United, legte sich zu seiner aktiven Zeit an jedem Spieltag morgens um acht Uhr für fünf Minuten in eine warme Wanne.

15. Bahnbrechender Bankwechsel

Um mindestens eine ähnliche Wohlfühlatmosphäre zu erlangen, ließ sich der inzwischen verstorbene Jörg Berger etwas Außergewöhnliches einfallen, indem er im April 1998 vor seinem ersten Spiel als Coach von Eintracht Frankfurt die Trainerbank wechselte und künftig die ursprünglich für die Gastmannschaft vorgesehene Bank in Anspruch nahm. Dem Platz seiner unglückseligen Vorgänger traute Berger offenbar nicht. Auch hier mit Erfolg: Am Ende gelang ihm mit der „Mutter aller Rettungen“ der Bundesliga-Klassenerhalt.

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Cristiano Ronaldo nimmt vor jedem seiner Fresitöße eine Cowboy-Pose ein.

16. Im Bus hinten, im Flieger vorne

Eine Reihe an Spleens vollzieht Superstar Cristiano Ronaldo. Bei der Anreise im Mannschaftsbus sitzt er immer in der hintersten Reihe, bei der Anreise im Flugzeug jedoch in der vordersten. Den Platz betritt er – stets mit perfekt gestylter Frisur – zuerst mit dem rechten Fuß. Sein standardmäßiger Luftsprung kurz vor dem Anpfiff ist genauso auffällig, wie seine Cowboy-Positionierung vor jedem Freistoß. Außerdem weiß er im Stadion genau, wo seine Angehörigen sitzen, um ihnen nach seinen Toren zujubeln zu können. Damit ihm solche gelingen, spielt Ronaldo schon vor der Partie in der Kabine für ein besseres Ballgefühl mit dem Spielgerät.

Zahlenfetischisten

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Ex-Nationalmannschafts-Kapitän Michael Ballack, hier im Dress vom FC Chelsea, hatte ein besonderes Verhältnis zur Rückennnummer 13

17. Analoges Anziehen

Auch Weltmeister Bastian Schweinsteiger legt Wert auf einen immer gleichen Ablauf vor dem Spiel, beispielsweise bei der Ankleidung. Dazu zählt das Anfeuchten der Socken und Schuhe, „um ein besseres Ballgefühl zu haben.“

18. Gestenreicher Jubel

Der ehemalige FC- und Bayern-Stürmer Carsten Jancker küsste nach seinen Treffern jedes Mal seinen Ehering als Zeichen und Dank für die Liebe (zu) seiner Frau. Ein wenig selbstverliebter war ein anderer: Der italienische Stürmer Luca Toni schraubte nach seinen Toren immer an seinem Ohr – als symbolisches Zeichen für „Avete capito“ (Habt ihr das gesehen?)

19. Zielbewusste Zahlenspiele

Nur den wenigsten Kickern ist die Trikotnummer gleichgültig – und so bleiben die meisten Fußballer aus bestimmten Gründen einer bestimmten Nummer treu. Als Musterbeispiel dient Bruno Akrapovic, einst Mittelfeldspieler bei Energie Cottbus. Er weigerte sich jahrelang, eine andere Rückennummer als die „8“ zu tragen. Der Grund: Akrapovic unterschrieb am 8. August 1988 seinen ersten Vertrag in Deutschland bei Arminia Hannover. Ein ähnliches Kaliber vor seiner Zeit war der Brasilianer Mario Zagallo, Weltmeister als Spieler und Trainer. Zagallo verlangte als Spieler ebenfalls immer die 13, wohnt im 13. Stock und heiratete am 13. Januar. Übrigens: Auch der Franzose William Gallas musste beim FC Chelsea einst seine Rückennummer 13 für einen Zugang abtreten. Dabei handelte es sich um keinen geringeren als den ehemaligen Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Michael Ballack, der ebenfalls einen Spleen für diese Zahl hatte.

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Arsenals Kolo Touré (r.) im Zweikampf mit Roms Francesco Totti beim 1:0-Sieg der Londoner im Champions League-Spiel der Saison 2008/2009.

20. Last but not least

Apropos William Gallas. Dass Marotten teilweise auch über das Ziel hinausschießen können, zeigte einst Kolo Touré. Der Nationalspieler der Elfenbeinküste ist dem Aberglauben verfallen, immer als letzter Spieler seines Teams den Rasen betreten zu müssen. Problematisch wurde es 2008/09 bei einem Champions League-Spiel seines ehemaligen Arbeitgebers FC Arsenal und dem AS Rom. Tourés Mitspieler Gallas hatte sich kurz vor der Halbzeit verletzt und wurde noch in der Kabine behandelt. Als der zweite Durchgang angepfiffen wurde, wollte Touré keinesfalls als Vorletzter wieder auf das Feld. Seine Mannschaft musste kurzzeitig mit neun gegen elf spielen. Erst als Gallas wieder aufgelaufen war, betrat auch Touré – natürlich als letzter Spieler seines Teams – das Spielfeld. Und das auch noch ohne die Bewilligung des Schiedsrichters, wofür er mit einer Gelben Karte bestraft wurde! Arsenal gewann letztlich trotzdem mit 1:0, Touré wurde ein paar Monate später an Manchester United transferiert...

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