DFL-Chef Seifert über Hopp-Schmähung„Die Totengräber der Fußballkultur“

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PIC FC vs. Hopp dpa

Dieses Schmäh-Plakat von Kölner Fans gegen TSG-Mäzen Dietmar Hopp erhitzt die Gemüter.

  • Wegen der Schmähungen gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp muss sich der 1. FC Köln vor dem DFB verantworten.
  • DFL-Boss Christian Seifert verurteilt die jüngsten Ausfälle aufs Schärfste.

Frankfurt – Christian Seifert hat sich mit deutlichen Worten in die Debatte um die jüngsten Ausfälle auf den Tribünen der Bundesligastadien eingeschaltet. "Es steht völlig außer Frage, dass derartige Verhaltensweisen im wahrsten Sinne des Wortes asozial sind. Die sind absolut gegen ein soziales Miteinander gerichtet, und das hat dann auch nichts mehr mit kritischer Meinungsäußerung zu tun", sagte der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) im Gespräch mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Anlass waren unter anderem Gesänge und Schmäh-Plakate im Spiel des 1. FC Köln am vergangenen Freitag (1:1) gegen die TSG Hoffenheim. Teile des Kölner Anhangs hatten TSG-Mäzen Dietmar Hopp schwer beleidigt.

Die Haltung der Liga zu den Ausfällen ist eindeutig. "Das wird von der DFL aufs Äußerste missbilligt. Und ich persönlich verachte solche Verhaltensweisen", sagte Seifert. Hopp ist Mehrheitseigner der TSG und finanziert den Spielbetrieb der Kraichgauer überwiegend. Viele Fans kritisieren das und sind der Ansicht, ein Fußballverein müsse sich aus eigener Kraft die Teilnahme an der Ersten Liga verdienen. Das kann man womöglich teilen. Doch aus Seiferts Sicht haben die jüngsten Vorgänge jeden Bezug zur Sache verloren. "Das ist doch nicht mehr für oder gegen irgendwas. Das dient einzig der Selbstinszenierung und der Auslotung persönlicher und vielleicht auch juristischer Grenzen unter dem Deckmantel der Fußballkultur. Doch in Wahrheit sind diese Personen die Totengräber der Fußballkultur."

DFB-Präsident Reinhard Grindel nimmt die DFL in die Pflicht

DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte zuletzt sogar ein Verbot von Stehplätzen in den Bundesligastadien ins Gespräch gebracht. In der Innenminister-Konferenz werde seit einiger Zeit über die Lage in den Stadien diskutiert. "Es darf niemals die Situation entstehen, dass die Politik irgendwann über Fragen wie Stehplatz-Verbot, personalisierte Tickets und Begrenzung der Auswärtsfans entscheidet", sagte Grindel und nahm die DFL, die den Spielbetrieb der Profiligen in Deutschland organisiert und vermarktet, in die Pflicht: "Die DFL muss jetzt darstellen, wie sie diese Vorfälle auf Dauer unterbinden will."

PIC Seifert dpa neu

DFL-Geschäftsführer Christian Seifert

Seifert sieht das anders. "Das Problem sind nicht die Stehplätze. Das Problem sind manche, die da stehen. Es gibt momentan keine Antwort auf dieses Problem. Darum ist es jetzt auch kontraproduktiv, über Stehplatzverbote zu fabulieren. Das sorgt am Ende nur für Solidarisierungstendenzen unter den Fans."

Im Kampf gegen Gewalt, Pyrotechnik und beleidigendes Verhalten im Fußball sieht Seifert auch die Vereine in der Pflicht, die sich ihren Fans mitunter ausgeliefert fühlen und das Verhalten der Kurve tolerieren. "Es ist ein offenes Geheimnis, dass manche Klubs in der Vergangenheit ein bisschen legerer damit umgegangen sind als andere", sagt er. Der 1. FC Köln hatte sich bei Hopp zwar offiziell entschuldigt. Geschäftsführer Jörg Schmadtke hatte sich allerdings schon nach dem Hinspiel zu den Schmähungen gegen Hopp zitieren lassen, er selbst sei während seiner Karriere als Spieler ständig beschimpft worden. Auch Seifert findet, dass Beschimpfungen im Stadion kein neues Phänomen sind. "Auswüchse hat es immer gegeben. Aber gerade wenn ich sehe, dass da momentan Grenzen verschoben werden, ist es einfach kein Argument, zu sagen, dass andere auch beleidigt werden. Darüber sollte man nicht so lapidar hinweggehen."

Abgesehen von Relativierungen durch die Vereine sieht Seifert ein Problem in einer zu nachsichtigen Rechtsprechung. "Wenn in Madrid Fans von Leicester City Polizisten angreifen, dann bekommen die am nächsten Tag vier Monate Gefängnis. In Deutschland werden Busse angehalten, mit Schlagstöcken, Schlagringen, brennbaren Materialien und Sturmhauben. Da werden die Personalien aufgenommen, und die Leute werden nach Hause geschickt. Zwischen diesen beiden Polen, toben sich ein paar Leute aus, die Sie auch durch Prävention nicht erreichen werden. Der Fußball kann keine Antwort allein finden. Da müssen die Ordnungsbehörden mitsprechen. Um die Isolierung dieser Leute muss es am Ende gehen. Das kann nur in Gesprächen zwischen Vereinen, Sicherheitsbehörden und DFB-Sportgerichtsbarkeit geschehen."

Er selbst warte nach zahlreichen Gesprächen mit Fans noch immer auf ein klares Bekenntnis zum Gewaltverzicht. Dass die DFL den auch durch Ultras extrem emotionalisierten Fußball weltweit gern vermarkte und sich mit den bunten Choreografien der Ultras schmücke, weist Seifert zurück. "Da belügen sich die Fans selbst. Wir würden ohne Choreografien keinen Euro weniger einnehmen. Ich freue mich über eine gut gemachte Choreographie. Aber wenn ich die nur bekomme, wenn man ab und zu über Pyrotechnik und Gewalt hinwegsieht, dann verzichte ich lieber auf die Choreographie. 

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