UrteilSchallende Ohrfeige für die Polizei

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Konfrontation in der Rheingasse. Polizisten kesseln eine Gruppe von 400 Demonstranten ein. (Bild: Krasniqi)

Konfrontation in der Rheingasse. Polizisten kesseln eine Gruppe von 400 Demonstranten ein. (Bild: Krasniqi)

Köln – Hunderte Gegendemonstranten waren eingekesselt und anschließend in eine Kaserne nach Brühl gebracht worden. Das drastische Vorgehen der Polizei während der Anti-Islam-Kundgebung der rechtsextremen Partei „Pro Köln“ hatte jetzt ein juristisches Nachspiel. Das Verwaltungsgericht Köln erklärte das Verhalten der Polizei für rechtswidrig.

Deutlicher kann eine Ohrfeige kaum ausfallen: Die Einkesselung in Köln, der Transport nach Brühl, die Bedingungen der Unterbringen in der Kaserne und vor allem auch die Tatsache, dass viele der etwa 400 Betroffenen fast 15 Stunden festgehalten wurden - all' diese Aktionen waren unzulässig (AZ 20 K 6004 / 09 und 20 K 7418 / 08).

Stellvertretend für ihre Leidensgenossen hatten zwei Demonstranten geklagt, die am Mittag des 20. September 2009 versucht hatten, aus dem Linksrheinischen über die Deutzer Brücke zur Veranstaltung der Ultrarechten am Heumarkt zu kommen. Dass der Zugang aufgrund der angespannten Lage in der City gesperrt wurde, hielt das Verwaltungsgericht jetzt zwar noch für gerechtfertigt. Aber dass die gesamte Menschenmenge, die gegen 16 Uhr in Richtung Severinsbrücke gegangen ist, dann eingekesselt wurde, sei eindeutig rechtswidrig gewesen. Nach Polizeiangaben war es zu Stein- und Eierwürfen gekommen, Gegenstände seien angezündet worden und einzelne Personen hätten sich vermummt.

Sichtweise der Kläger gefolgt

Vor Gericht hatte eine Behördenvertreterin erklärt, man habe den Eindruck gehabt, dass die „Gruppe gesamteinheitlich“ reagierte. Die Richter indes, die ihre Entscheidung erst in der demnächst vorliegenden schriftlichen Urteilsbegründung nähern erläutern wollen, folgten wohl eher der Sichtweise der Kläger. Selbst wenn einer der Demonstranten einen Stein geworfen haben sollte, könne man doch nicht hunderte unbeteiligte Menschen einkesseln und bis zum nächsten Morgen in Gewahrsam nehmen, hatten diese argumentiert.

Die Zustände in der Brühler Kaserne zudem seien unzumutbar gewesen. Teilweise seien 30 Gefangene in die nur 36 Quadratmeter großen „Gitterkäfige gepfercht“ worden. Es habe viel zu wenig zu Essen und zu Trinken sowie zu wenige Toiletten gegeben. Bei sechs Grad Außentemperatur seien den Betroffenen, unter denen auch 75 Kinder und Jugendliche waren, für die Nacht nur dünne Isomatten und Decken aus Papier gegeben worden.

Sie werde ihrem Mandanten jetzt empfehlen, Schadensersatz zu fordern, erklärte die Anwältin eines Klägers nach Prozessende. Die unterlegene Behörde hat jetzt zwei Monate Zeit, um eventuell Berufung gegen das Urteil beim Oberverwaltungsgericht Münster einzulegen.

Im Zusammenhang mit der Anti-Islam-Kundgebung von Pro Köln hat die Polizei schon einmal eine juristische Niederlage erlitten. Auch die Auflösung der rechtsextremen Veranstaltung war rechtswidrig, entschied das Verwaltungsgericht Köln im Oktober 2009 (Az. 20 K 6466 / 08). Zwar sei es im Umfeld des Heumarkts zu Gewalttaten gekommen, doch die Sicherheit auf dem Platz hätten die Einsatzkräfte jederzeit gewährleisten können, argumentierten die Richter.

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