Walter HanelDer Nesthocker und sein kritischer Blick

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Mürrisches Idol: Hanels Krähe. (Bild: Hanel)

Mürrisches Idol: Hanels Krähe. (Bild: Hanel)

Der „Nesthocker“ muss wieder einmal reisen. Wenn Walter Hanel, der hoch geschätzte Karikaturist des „Kölner Stadt-Anzeiger“, sein langjähriges Bergisch Gladbacher Domizil verlässt, um an diesem Sonntag im Dresdner Schauspielhaus den Ehrenpreis des Deutschen Karikaturistenpreises 2009“entgegenzunehmen, wird er womöglich von der einen oder anderen trägen Krähe begleitet. Denn mit seinen vielleicht bekanntesten Figuren teilt der Preisträger die Vorliebe für das bedingungslose Verweilen in heimischen Gefilden: „Das sind alles Nesthocker, höchstens jede zehnte fliegt“, gestand der 1930 geborene Hanel einmal im Gespräch mit dieser Zeitung. Im Jahr 1971 hatte Hanel für sie zum ersten Mal zum Zeichenstift gegriffen. Er zählt zu den großen und großartigen Chronisten der Republik, die ihm manches Sinnbild verdankt.

Renommierte Auszeichnung

Seit 2006 verleiht die „Sächsische Zeitung“ als Stifter des Deutschen Karikaturenpreises, der zu den renommiertesten Auszeichnungen seiner Art im deutschsprachigen Raum gehört, auch einen Ehrenpreis für das Lebenswerk - zuletzt an Hans Traxler und Marie Marcks. Mit Dresden verbindet Hanel besonders dramatische Erinnerungen. In der Stadt an der Elbe nämlich überlebte er 1945 den furchtbaren Luftangriff. Zum Zeichnen und zur Karikatur war Hanel über einen ungewöhnlichen Umweg in der Automobilindustrie gelangt: Zwei Jahre lang stand der gelernte Autolackierer bei den Fordwerken in Köln-Niehl am Band und lernte nebenher an der Volkshochschule das Zeichnen. Beim Aktzeichnen entdeckte dann ein Lehrer sein Talent und unterrichtete ihn auch privat.

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Als Walter Hanel 1953 an die Kölner Werkkunstschule kam, die er 1959 als Meisterschüler verließ, war er bereits hervorragend ausgebildet. Vor fünfzig Jahren erhielt Hanel seinen ersten Preis bei einem Karikaturen-Wettbewerb der „Welt“. Noch während seines Studiums widmete sich Hanel vorzugsweise der Kaltnadelradierung. Bereits als Student konnte der junge Künstler im „Simplicissimus“ seine ersten satirischen Arbeiten unterbringen. 1960 bot ihm der Westdeutsche Rundfunk die Gelegenheit, als freier Mitarbeiter vor allem für das Kinderprogramm zu arbeiten, so zum Beispiel für Peter Bichsels „Der Erfinder“: Daneben entstanden auch Entwürfe für Bühnenbilder und Kostüme. Alsbald suchte Hanel aber noch weitere Betätigungsfelder für eine bissigere Bildsprache, und die sollte er alsbald anwenden können, als seine ersten politischen Karikaturen in der Zeitschrift „DM“ gedruckt wurden. Seit 1972 erscheinen Hanels so charakteristische Zeichnungen regelmäßig im Kölner Stadt-Anzeiger. Und als die erste Nummer der satirischen Zeitschrift „pardon“ auf den Markt kam, war Hanel - natürlich - mit an Bord. Eine Festanstellung lehnte er jedoch ab, weil ihm die Stadt Frankfurt nicht besonders gefiel.

Auch wenn Hanel vor allem die vielen Politfiguren bekannt machten, die er jahrzehntelang mit spitzer Feder und großer Intuition zeichnete, betont er immer wieder, nicht jener politische Zeichner zu sein, „den alle aus mir machen wollen“. Weshalb er sich selbst nur als lustvollen Zeichner sieht. Gleichwohl sammeln manche Politiker seine Karikaturen und freuen sich, wenn sie karikiert und damit von Hanel geadelt werden.

Längst sind Hanel und seine Krähen auch internationale Stars geworden. Namhafte Zeitungen wie „Herald Tribune“, „Le Monde“, „Le Soir“, das „Time Magazine“ und die „FAZ“ drucken die Karikaturen des Bergisch Gladbacher Ehrenbürgers. Und immer wieder dokumentieren Ausstellungen das Faible des angesehenen 79-jährigen Karikaturisten und Cartoonisten fürs Federvieh. Die hocken meist stoisch in Baumkronen oder plustern sich mächtig auf. Der Nesthocker, der auch schon den Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki zeichnete, brachte mit seinem furiosen Strichen, den meisterhaften Schwüngen und den zartem Linien schon Generationen von Lesern zum Schmunzeln und Staunen. Längst krächzen es deshalb nicht nur die Krähen vom Dach: Einen wie den Nesthocker Hanel mit seinen schrägen Vögeln gibt's kein zweites Mal.

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