Walter MixaEine unfassbare Vater-Sohn-Geschichte

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Walter Mixa (Bild: dpa)

Walter Mixa (Bild: dpa)

AUGSBURG/EICHSTÄTT - Es war merklich stiller geworden um den unfreiwilligen Ruheständler Walter Mixa, seit er vor drei Monaten in das Frauenkloster „Maria Stern“ in Fünfstetten bei Donauwörth eingezogen war. Dabei hat sich in in dem verschlafenen schwäbischen Bauerndorf schier Unglaubliches zugetragen. Der Ortspfarrer Wolfgang Woppmann, durch gezielt gestreute Verdächtigungen auf den Plan gerufen, hat sich in aller Öffentlichkeit zu einem seltsamen Bekenntnis veranlasst gesehen. In der Sonntagsmesse beteuerte der beliebte Seelsorger, nein, nein, er sei mitnichten ein leiblicher Sohn des Augsburger Ex-Bischofs, „auch wenn man mit viel Fantasie vielleicht auf diesen Gedanken kommen könnte“.

Seit der obdachlos gewordene Ex-Oberhirte in Fünfstetten residiert, sind die keineswegs neuen Geschichten wieder Tagesgespräch im Ort. Daran ändert nichts, dass heute der bisherige Görlitzer Bischof Konrad Zdarsa als Mixas Nachfolger in sein Amt eingeführt wird. Und auch Mixas geplanter Umzug in ein standesgemäßeres Ambiente, eine leer stehende Jugendstilvilla im Nachbarort Gunzenheim, die ein vermögender Amerika-Auswanderer der Kirche vermacht hat, wird in der skurrilen Vater-Sohn-Geschichte kaum die erhoffte Ruhe bringen.

Zwischen Rosenkranzandacht und Kirchenvorstandssitzung sprechen wir den Dorfpfarrer auf den beispiellosen Vorgang an - und dass man sich im Ort erzählt, den Pfarrer und den gestrauchelten 69-jährigen Oberhirten verbinde mehr als bloß eine „geistige Vaterschaft“ (Woppmann). Mit dem heiklen Thema geht Woppmann, dessen Tonfall, Predigtstil und Gestik nicht wenige an Mixa erinnern, erstaunlich locker um. „Gott sei Dank habe ich ein sonniges Gemüt. Wer's unbedingt glauben will, der soll's halt glauben.“ Wenn er morgens vor dem Spiegel stehe „und ich so an mir herunterschaue, könnte ich mir das fast selbst einreden“. Sein 40. Geburtstag an Pfingsten habe die Mutmaßungen zusätzlich beflügelt. Plötzlich hätten „die Leute angefangen zu rechnen. Altersmäßig käme das ja hin.“ Weil Woppmanns Mutter dem Pfarrer den Haushalt führt, wird im Ort von „Familienzusammenführung“ geredet. „Ich kann Sie beruhigen, meine Mutter hat Mixa persönlich erst kennen gelernt, als ich schon Diakon war.“

Die Story vom angeblichen Bischofs-Sohn im Fünfstettener Pfarrhaus habe er von seinem Vorgänger Gerhard Schlechta, 47, inzwischen Pfarrer in Dietfurt im Altmühltal, geerbt. Auch ihm blieb nichts anderes übrig, als sich vor seine Gemeinde hinzustellen und die unglaubliche Behauptung ins Reich der Fabel zu verweisen. Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ reagiert Schlechta deutlich gereizter als Kollege Wopp mann. „Eine groteske und infame Unterstellung.“ Seine Eltern könnten sich nicht dagegen wehren, weil beide schon lange nicht mehr lebten.

In Schlechtas Amtszeit soll sich der Bischof ungewöhnlich häufig in dem kleinen Nest aufgehalten haben. Das habe die Spekulationen „natürlich beflügelt“, bestätigt sein Nachfolger. „Wenn überhaupt", meint Woppmann cool, „gibt es eine gewisse Ähnlichkeit mit mir“, und steuert in seiner wehenden schwarzen Soutane mit steifem römischen Kragen schnellen Schrittes auf das Pfarrheim zu.

Ehemalige Mitarbeiterinnen aus Eichstätt und Augsburg attestieren dem vom Papst-Liebling zum Paria mutierten konservativen Oberhirten, er sei „ein ausgezeichneter Charmeur. Er kann prima flirten und Frauen um den Finger wickeln“. Nirgendwo sonst ist das Vater-Gerücht so langlebig und verbreitet wie in Schrobenhausen, wo Mixa mehr als 20 Jahre lang als Stadtpfarrer wirkte und eingestandenermaßen Heimkinder geprügelt hat. Einepensionierte Pädagogin, die Mixa lange kennt, hat ihn vor seinem Wechsel von Eichstätt nach Augsburg in einem persönlichen Brief aufgefordert, sich zurückzuziehen - ausdrücklich mit Hinweis auf seine angebliche Vaterschaft. In seiner handgeschriebenen Antwort habe der Bischof nur lapidar erklärt, wer wie er eine öffentliche Figur sei, müsse mit Gerüchten und Unterstellungen leben. Ein Dementi, findet sie, klinge anders.

Vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit seiner angeblichen Vaterschaft konfrontiert, spricht Mixa in seinem vorübergehenden 50-Quadratmeter-Asyl von „Verleumdung und Ehrabschneidung“. Natürlich komme es vor, „dass ein Priester mal Kinder hat, doch so einer würde niemals Bischof“. So etwas lasse sich auf Dauer kaum verheimlichen. Welchen Hintergrund die in unregelmäßigen Abständen auftauchenden „Unterstellungen“ haben, könne er sich nicht erklären. „Es ist ja von bis zu drei Kindern die Rede, die ich in die Welt gesetzt haben soll.“

Im Eichstätter Priesterseminar galt es lange als offenes Geheimnis, dass einer der künftigen Kapläne ein Mixa-Sohn sei. „Das war ganz bestimmt nicht ich“, sagt mit vielsagendem Schmunzeln Pfarrer Woppmann. „Mixa hat mich zum Priester geweiht, das ist alles." Mit dem ungebetenen Gast werde er sich schon irgendwie arrangieren. Er wolle Mixa „coachen“ und ihn, falls nötig, auch schützen. Schließlich habe er früher mal eine Ausbildung zum Bodyguard gemacht. Er sei halt ein guter Bub, der Wolfgang, sagen sie im Dorf. Die Glocken läuten zum Rosenkranz.

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