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Allianz-Deutschland-Chef Manfred Knof„Der Terror kann jeden treffen“

Lesezeit 7 Minuten
Manfred Knof wurde in Köln geboren und ist seit 2015 Vorstandsvorsitzender der Allianz Deutschland AG.

Manfred Knof wurde in Köln geboren und ist seit 2015 Vorstandsvorsitzender der Allianz Deutschland AG.

Manfred Knof (51) ist Vorsitzender des Vorstands der Allianz Deutschland AG. Der gebürtige Kölner ging in Lindenthal zur Schule, studierte Jura an der Universität zu Köln und promovierte in Köln. Nach Stationen bei Kienbaum und  Fireman’s Fund Insurance wechselte er 1996 zur Allianz. Seit 2015 ist Knof Vorstandsvorsitzender der Allianz Deutschland AG. 

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Herr Knof, die jüngsten Anschläge in Paris und Stockholm, davor London und Berlin – mittlerweile vergeht kaum ein Monat ohne ein terroristisches Attentat. Spüren Sie als Chef eines Unternehmens, das versichert, eine größere Verunsicherung der Menschen?

Manfred Knof: Zuerst einmal – Anschläge wie diese machen mich fassungslos, da geht es mir wie den meisten anderen Menschen. Ich kann mich noch an den Terror der Roten Armee Fraktion in meiner Kindheit erinnern. Damals waren vor allem Wirtschaftsführer das Ziel. Der heutige Terror kann jeden treffen und zu jeder Zeit. Es ist wichtig, dass wir als Bevölkerung für die offene Gesellschaft, die Demokratie und unsere Art zu leben einstehen. Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen.

Erleben Sie bei Ihren Kunden ein gewachsenes Sicherheitsbedürfnis und damit auch ein größeres Bedürfnis nach (Versicherungs-)Schutz?

Knof: Wir sehen in der Gesellschaft insgesamt mehr Unsicherheit. Da ist zum einen die geopolitische, zum anderen aber auch die wirtschaftliche Lage. Schließlich sind wir in der jüngeren Vergangenheit durch mehrere Finanzkrisen gegangen. Kunden fragen vermehrt, wie sicher ihre Ersparnisse sind. Wir vermitteln die Sicherheit, dass man sich auf uns verlassen kann und mit uns auch im Alter gut aufgehoben ist. Wir wollen in unsicheren Zeiten eine Konstante sein.

Wie verändert der Terror Ihre Schadenkalkulation?

Knof: Es ist unser Geschäftsmodell, dass wir Risiken kalkulieren und absichern. Das gilt nicht nur für Terror, sondern auch für andere Risiken, wie beispielsweise große Naturkatastrophen. Es sind ja zum Glück vergleichsweise seltene Einzelereignisse. Von Versicherungsseite können wir natürlich nur den materiellen Schaden ausgleichen. Das Leid der Betroffenen und die Trauer bleiben.

Die klassische Lebensversicherung steckt in der Krise, weil es kaum noch Zinsen gibt. Die Allianz konnte hier 2016 um 21 Prozent beim Neugeschäft zulegen. Warum kommen die Kunden zu Ihnen, wo die Allianz doch nicht mal mehr einen Garantiezins bietet?

Knof: Weil die Menschen wissen, dass private Vorsorge notwendig ist – erst recht, wenn die Zinsen niedrig sind. In der Altersvorsorge ist 2016 in Deutschland jeder dritte Euro zur Allianz geflossen. Das ist ein besonderer Vertrauensbeweis. Bei uns gibt es neue Produkte ohne garantierten Zins, aber mit garantiertem Beitragserhalt, wo man trotzdem 3,7 Prozent bekommen kann.

Was machen Ihre großen Wettbewerber falsch, bei denen es in diesem Bereich nicht so gut läuft?

Knof: Wir haben als großer internationaler Konzern die Möglichkeit, weltweit sehr breit anzulegen. Das gilt dann auch etwa für alternative Investments, wie zum Beispiel Metro-Linien in Madrid und Barcelona, Parkuhren in Chicago oder Windkraft- und Solaranlagen.

Wären Sie nicht auch an einem langfristigen Investment in deutsche Autobahnen interessiert oder an einer Brücke nahe Köln, die eine Sanierung dringend bräuchte…

Knof: Was die Autobahnen betrifft, stehen wir auf jeden Fall bereit. Aber wenn das Angebot in Deutschland zu klein oder mit zu vielen Restriktionen verbunden ist, müssen wir eine Investition genau abwägen. Schließlich geht es um die Gelder unserer Kunden.

Blicken wir nochmal auf die Allianz Deutschland. Im Geschäft mit Kfz-Versicherungen lief es 2016 nicht ganz so rund. Sie haben in der Vergangenheit massiv Marktanteile an die Huk-Coburg verloren. Warum?

Knof: Wir haben im Neugeschäft nicht so viel Zulauf, wie wir uns wünschen. Daher werden wir die Produkte für Kunden attraktiver machen. Schon jetzt bieten wir für junge Kunden bis 29 Jahre Telematik-Tarife an. Da diese Zielgruppe im Vergleich besonders viele Unfälle verursacht, können Fahrer mit einer App auf dem Smartphone ihr Fahrverhalten bewerten lassen – etwa anhand von Daten über Beschleunigung und Bremsverhalten. Jede Fahrt wird bewertet. Kunden können dann bis zu 30 Prozent der Prämie sparen. Nachweislich fahren diese Kunden auch sicherer.

Nutzen Sie die App auch selbst?

Knof: Ich nutze sie punktuell. Ich habe aber immer den Fuß zu schnell auf der Bremse. Das gibt Abzüge in der Bewertung, weil flüssiges Fahren honoriert wird.

Der Preis für den Rabatt ist, dass sich Kunden überwachen lassen. Ähnliche Ansätze gibt es in der Krankenversicherung: wer gesund lebt und Daten preisgibt, zahlt weniger. Ist das ethisch nicht bedenklich? Schließlich werden irgendwann nur gute Risiken versichert, schlechte finden keinen Schutz?

Knof: In der Krankenversicherung planen wir das nicht. Aber wenn Sie beispielsweise in einem Jahr keine Arztrechnungen einreichen, erstatten wir Ihnen einen Teil der Beiträge. In Deutschland gibt es eine hohe Sensibilität, was die persönlichen Daten angeht. Insbesondere in der Krankenversicherung. Statt mit Rabatten wollen wir mehr mit Services und Leistungen punkten: Wenn Kunden etwa einen Bänderriss haben, können sie über unsere Hotline Gehhilfen nach Hause bestellen. Wir helfen auch bei der Auswahl von Ärzten. Kundenorientierung steht für uns dabei im Vordergrund. Deshalb binden wir das Feedback von Kunden auch viel früher in unsere Produktentwicklung ein – etwa bei der Gestaltung von Internetseiten und Apps oder eben bei der Entwicklung neuer Services. Dafür gibt es bei uns einen Chief Customer Officer, der sicherstellt, dass wir mit Blick auf die Kunden Kurs halten.

In die Digitalisierung ist die Allianz spät gestartet. Worin sehen Sie Konkurrenten der Zukunft, in kleinen, innovativen Insurtechs oder eher Schwergewichten wie Apple oder Google, die in den Markt drängen?

Knof: Wir richten unsere Produkte und Prozesse so aus, dass für die Kunden der Kontakt zu uns einfach und problemlos möglich ist – unabhängig davon, welchen Kanal die Kunden wählen. Die Verbindung von Online- und Offline-Welt ist wichtig: Wir haben festgestellt, dass 60 Prozent der Kunden sich online informieren, dann aber ein persönliches Beratungsgespräch wollen. Deshalb haben wir den Agenturvertrieb digitalisiert: Alle Vertreter haben eine eigene Homepage. Dort können Kunden auch direkt Termine buchen oder Online-Gespräche führen.

Service ist wichtig, es gibt aber doch sicher auch einen großen Kundenanteil, der vor allem den Preis im Blick hat?

Knof: Man muss natürlich wettbewerbsfähig sein. Beim Preis sind Kunden in manchen Bereichen sensibler als in anderen – in der Kfz-Versicherung etwa. Aber insgesamt wollen die wenigsten Kunden direkt abschließen. Produkte wie etwa die betriebliche Altersvorsorge sind erklärungsbedürftig und werden es für viele Kunden auch bleiben.

Sie setzen nach eigenen Angaben mehr Mitarbeiter in der Beratung ein. Ihre Wettbewerber haben hingegen alle Sparprogramme. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Knof: Wir wollen wachsen, und zwar über die Kundenorientierung und die Verbesserung der Prozesse. Natürlich werden sich auch Arbeitsinhalte verändern, aber es bleibt abzuwarten, wie die Kunden auf die Neuerungen reagieren werden. Wir stellen aktuell ein, auch hier in Köln.

Unter dem früheren Konzernchef Michael Diekmann gab es ein hartes Sparprogramm, der Standort Köln hat gewackelt. Welche Bedeutung hat Köln heute im Konzern?

Knof: Das ist über zehn Jahre her. Köln ist ein ganz wichtiger Standort für uns und bleibt es auch. Hier wird das Kfz-Geschäft für Norddeutschland verwaltet. Hier sind die Maklerkanäle der Sach- und Lebensversicherung und unser Industrieversicherer sowie unsere Außendienstakademie beheimatet.

Es ist ja schon bemerkenswert, dass die Top-Führungskräfte der Allianz aus Köln kommen – Sie, Konzernchef Oliver Bäte. Ist das ein Zufall?

Knof: (lacht) Die Kölner sind halt besonders überzeugend und sympathisch. Aber im Ernst: Vielleicht ist es Zufall, vielleicht hängt es aber auch mit der Hochschule zusammen. Mit dem Versicherungslehrstuhl ist Köln in Deutschland immer noch führend, was Qualität und Ausbildung angeht. Ich habe selbst hier in Köln Jura studiert und freue mich darüber, dass sich die Universität im internationalen Wettbewerb so gut behauptet und weiterentwickelt hat.

Ihr Verhältnis zu Konzernchef Bäte gilt als angespannt, auch von Plänen zur Entmachtung war die Rede.

Knof: Das ist alles Unsinn. Wir arbeiten sehr gut und intensiv zusammen.

Er soll mit seinem Umbauprogramm und einem sprunghaften Führungsstil viele im sehr konservativen Konzern brüskiert haben. Sie hingegen, so heißt es, stehen für Kontinuität.

Knof: Nein, Oliver Bäte und ich stehen beide für „Kontinuität und Erneuerung“, so heißt übrigens auch das Programm, mit dem wir gemeinsam die Allianz fit machen für die Zukunft. In einem sehr erfolgreichen Unternehmen Veränderungsprozesse anzustoßen ist nicht immer einfach. Diese Erfahrung macht Oliver Bäte, die mache ich in der Allianz Deutschland auch. Oliver Bäte setzt die richtigen Themen und wir arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung. Dabei experimentieren wir viel, schaffen neue Arbeitswelten und entwickeln neue Produkte und Services. Strikte Kundenorientierung muss man vorleben, und man muss sie immer wieder von Mitarbeitern einfordern. Das ist kein 100-Meter-Sprint, das ist ein Ultramarathon.

Das Gespräch führten Evelyn Binder und Corinna Schulz

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