ArbeitWeniger Arbeitslose - und doch beziehen immer mehr über 55-Jährige Hartz IV

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Symbolbild

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Die Meldung klingt alarmierend: Während die Beschäftigung in Deutschland von Rekord zu Rekord eilt und die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken ist, steigt die Zahl älterer Langzeitarbeitsloser an. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht, bezogen 2010 noch 257 000 Personen Hartz IV. Im vergangenen Jahr waren es bereits 318 000. Tendenz in den ersten drei Quartalen dieses Jahres: weiter steigend. Im November lag die Zahl der Hartz-IV-Empfänger über 54 Jahren bereits bei 320 850.

Aus den am Wochenende veröffentlichten Daten wurden Berichte mit dem Tenor gestrickt, ältere Arbeitslose hätten es im Gegensatz zu Angehörigen aller anderen Altersgruppen immer schwerer, eine Stelle zu finden. Offenbar seien die Unternehmen entgegen anderslautender Beteuerungen nicht bereit, älteren Arbeitslosen eine Chance zu geben. Wahr daran ist: Ältere Jahrgänge sind etwa doppelt so häufig arbeitslos wie jüngere. Und wer die 50 überschritten hat und seinen Arbeitsplatz verliert, weiß ein Lied davon zu singen, wie schwer es ist, eine neue Stelle zu finden.

Falsche Schlussfolgerung

Falsch ist gleichwohl die Schlussfolgerung, Personen jenseits 55 seien „immer häufiger“ von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Arbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe sank nämlich ebenfalls, zuletzt im November, um fast 12 000 auf 549 277 im Vergleich zum Vorjahrsmonat. Zwar geht dieser absolute Rückgang ausschließlich auf das Konto der Kurzzeitarbeitslosen, während die Zahl der älteren Hartz-IV-Empfänger tatsächlich stieg. Dies ist wiederum vornehmlich der Bevölkerungsentwicklung, namentlich den Babyboomern geschuldet, die allmählich das Lebensalter 55 plus erreichen.

Das machen Daten des Statistischen Bundesamts deutlich: Zwischen 1951 und 1955 kamen in Deutschland insgesamt 3,85 Millionen Kinder zur Welt. Diese Jahrgänge vollendeten zwischen 2005 und 2010 das 55. Lebensjahr und gingen somit in die Hartz-IV-Statistik für diese Altersgruppe ein. Dann kamen die geburtenstarken Jahrgänge. Von 1956 bis einschließlich 1960 wurden 4,46 Millionen Geburten in Deutschland registriert was gegenüber den ersten fünf Jahren einem Zuwachs von rund 24 Prozent entspricht. Das Plus bei den Langzeitarbeitslosen lag 55 Jahre später aber ebenfalls bei 24 Prozent. Das bedeutet: Relativ zur absoluten Zahl der arbeitsfähigen Bevölkerung blieb der Hartz-IV-Bezug in der Generation 55 plus in etwa gleich.

Trend ist nicht besonders negativ

Von einem besonders negativen Trend kann auch deshalb nicht die Rede sein, weil die Erwerbsbeteiligung älterer Jahrgänge insgesamt seit Mitte der 90er Jahre beträchtlich stieg: Waren 1994 nur 63,6 Prozent der 55 bis 59-Jährigen Männer und 26,3 Prozent der 60- bis 64-Jährigen Männer erwerbstätig, so liegen die Vergleichsdaten fürs 2014 bei 81,5 und 59 Prozent. Einen noch größeren Fortschritt erzielen Frauen, deren Erwerbsbeteiligung von 37,6 (55 bis 59) und 9,4 Prozent (60 bis 64) in Jahr 1994 auf 63,6 und 26,3 Prozent 2014 anstieg.

Die Feststellung, dass es den älteren am Arbeitsmarkt keineswegs „immer schlechter“ ergeht, bedeutet freilich nicht, dass es ihnen nicht bedeutend besser gehen könnte. Schließlich tauchen Hartz-IV-Bezieher über 58 Jahren, denen die Arbeitsverwaltung ein Jahr lang kein Arbeitsangebot machen konnte, in der Statistik nicht mehr auf. 2014 waren das immerhin 163 000 Personen.es gibt also noch einiges zu tun.

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