Digital Leadership SummitUnternehmen brauchen neue Konzepte und Freiräume

Lesezeit 4 Minuten
1491AA00A9342F4B

Die Arbeitswelt verändert sich durch die Digitalisierung - alte Konzepte stehen auf dem Prüfstand.

  • 120 Vertreter aus allen Bereichen der Wirtschaft haben sich im Gebäude der IHK Köln getroffen, um sich über die digitale Transformation auszutauschen.
  • Die Digitalisierung verändert Abläufe innerhalb der Firmen nachhaltig.
  • Nahezu alle Unternehmen suchen nach Lösungen und Ansätzen.

Köln – Die Digitalisierung von Unternehmen in der Industrie, im Handel und bei Dienstleistern schreitet unaufhaltsam voran. Durch sie verändern sich nicht nur die Produktion, der Kontakt zu Verbrauchern sowie die Wünsche und Anforderungen der Kunden, sondern vor allen Dingen auch zahlreiche Abläufe innerhalb der Firmen: Von der Führung über die Organisation von Teams bis hin zu den Aufgaben eines jeden einzelnen Mitarbeiters.

Auch weil es für die Unternehmen keinen einheitlichen Königsweg für die digitale Transformation gibt, hat das Branchennetzwerk der Internetwirtschaft Web de Cologne am Dienstag im Gebäude der Industrie- und Handelskammer (IHK) zum ersten „Digital Leadership Summit“ eingeladen. Rund 120 Teilnehmer aus allen Bereichen der Wirtschaft konnten sich dabei über neue Konzepte zur Organisation von Firmen, zur Führung und zum Personalmanagement informieren und austauschen: Welche hierarchischen Modelle haben vielleicht ausgedient? Wie viel Führung braucht ein Unternehmen? Wie können Mitarbeiter besser eingebunden werden? Und welche neuen Kompetenzen müssen Mitarbeiter und Führungskräfte heutzutage mitbringen?

Digitalisierung muss „Chefsache“ sein

Damit die Digitalisierung eines Unternehmens gelinge, sei es zwingend erforderlich, den digitalen Wandel als Strategie und nicht als Projekt anzusehen, sagte Kerstin Lomb, Managing Partner bei WP Board Services. Die Digitalisierung müsse „Chefsache“ sein und „von oben vorgelebt werden.“ Unternehmen sollten grundsätzlich ihren Fokus noch mehr auf den Kunden ausrichten und sich auf eine lange und schwere Reise einstellen, die eine Mehrbelastung aller Mitarbeiter mit sich bringt. Voraussetzung zum Gelingen sei eine klare Vision für das Unternehmen gefolgt von nachvollziehbarer Kommunikation. „Manager müssen sich davon frei machen, unantastbar zu sein“, so Lomb. Unternehmen sollten alle Mitarbeiter in die digitale Transformation einbeziehen und Räume für Versuche und Fehler schaffen, so dass dabei Innovationen entstehen könnten.

Alte Regeln und Verhaltensmuster in Frage stellen

Harald Schirmer, Manager der digitalen Transformation bei der Continental AG, erläuterte anhand von anschaulichen Beispielen die Vorzüge der Veränderung im Arbeitsalltag: E-Mail-Korrespondenz könne heutzutage mit modernen Programmen beschleunigt werden. Schirmer betonte, wie wichtig es sei, alte Verhaltensmuster und Regeln in Frage zu stellen und die Mitarbeiter weiterzubilden, um ihre Neugier zu erhalten.

„Die digitale Transformation ist überall ein unsicherer Prozess“, sagte Schirmer. Auch weil alte Werte und Normen häufig im Gegensatz zu denen neuer Arbeitsansätze stünden: Kontrolle gegenüber Vertrauen, Hierarchie gegenüber Netzwerk, Regeln gegenüber Handlungsfreiheit und Sicherheit gegenüber Transparenz – in keinem Fall sei beides gleichzeitig möglich.

„Burn-Out ist heutzutage die moderne Tapferkeitsmedaille“

Stephan Grünewald hingegen sieht den Wandel kritischer. Der Diplom-Psychologe am Kölner Rheingold Institut ist der Ansicht, dass die zunehmende Digitalisierung auch zu einer Überforderung führen kann. Aus der Allmacht, die etwa durch die Nutzung von Smartphones entstehe, könne schnell eine Ohnmacht werden, so Grünewald. Erschöpfung sei in vielen Berufen zum Produktivitätsgradmesser geworden: „Burn-Out ist heutzutage die moderne Tapferkeitsmedaille.“ Jedoch entstünden viele Innovationen nicht auf Knopfdruck, sondern im „Studierzimmer“ oder aber beim träumerischen Blick aus dem Fenster. „Wir brauchen eine Unternehmenskultur, die Freiräume und Leerlauf ermöglicht“, sagte der Psychologe.

„Führen ist falsch“

Bei Giant Swarm gibt es solche Freiräume. Die Mitarbeiter des Kölner Start-Ups, das Infrastruktur für Server entwickelt, haben laut Mitgründer Oliver Thylmann keine festen Arbeitszeiten, können von überall aus arbeiten und Urlaub nehmen so viel und wann sie wollen. Hauptsache sei, dass die Aufgaben erledigt würden. „Führen ist falsch“, sagte Thylmann. Er selbst sehe seine Hauptaufgabe stattdessen im Beseitigen von Problemen, damit seine Mitarbeiter reibungslos arbeiten können. Dazu sei unter anderem ein „freier Fluss von Informationen“ wichtig.

Und auch diesen gibt es: Bei Giant Swarm weiß jeder Mitarbeiter das Gehalt der anderen, neue Bewerber werden gemeinsam ausgewählt und eingestellt oder abgelehnt. „Wieso nicht die Demokratie in ein Unternehmen holen?“, erläuterte Thylmann den Ansatz und schob zum Schluss mit einem Augenzwinkern hinterher: „Wir sind uns mit dieser Strategie solange hundertprozentig sicher, bis wir sie ändern.“ Denn in einem waren sich alle Redner beim Digital Leadership Summit einig: Auch Scheitern gehört zur Digitalen Transformation dazu.

KStA abonnieren