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Digitalminister Pinkwart im Interview„Rheinland bis 2020 auf Augenhöhe mit Berlin“

Lesezeit 10 Minuten
NRW-Wirtschafts- und Digitalminister Andreas Pinkwart

NRW-Wirtschafts- und Digitalminister Andreas Pinkwart

Köln – Welche Apps nutzt der Digitalminister Andreas Pinkwart am häufigsten?

Ich lese häufig Zeitung auf dem Tablet. Und nutze auf dem Smartphone gerne die Bahn-App, weil ich in den vergangenen Jahren häufig mit dem Zug unterwegs war. Diese App  ist vergleichsweise zuverlässig, weil sie die Verspätungen exakt benennt.

Sie sind kein Digital Native, sondern auch nur ein Einwanderer.

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Ja, wie wir alle hier am Tisch. Aber wir haben uns doch alle daran gewöhnt im täglichen Leben, beispielsweise beim Navigieren und in den sozialen Medien. Digitalisierung ist eine tolle Sache.

Wenn Sie das auf Ihre Aufgabe als Minister übertragen, was sind da Ihre Leitlinien?

Die digitale Infrastruktur ist noch entwicklungsfähig, gerade im ländlichen Raum. Der  beginnt leider oft schon an der Stadtgrenze. Wenn wir in die Gigabit-Welt wollen, und daran besteht kein Zweifel, muss also kräftig investiert werden. Auch die vielen Funklöcher im Mobilnetz sind nicht hinnehmbar. Dazu kommt die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung: Das digitale Bürgeramt und das digitale Gewerbeamt sowie die Ministerien selbst. Da haben wir eine Menge zu tun. Wir wollen mit Prototypen starten, mit digitalen Kommunen und Kreisen, um zu zeigen, was geht.

Wann wird die Digitaloffensive starten?

Noch 2017. In  den kommenden Monaten entscheidet sich, mit welchen Modellregionen wir an den Start gehen wollen.

Welche Ziele haben Sie sich noch gesteckt?

Die Digitalisierung der Wirtschaft insgesamt wird ein Schwerpunkt sein. Dadurch wird sich die Arbeitswelt radikal verändern. Wir müssen dem Mittelstand helfen, die Digitalisierung besser zu nutzen, um die Exportfähigkeit zu erhöhen und ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Sehr wichtig ist der Landesregierung das Thema Cyber-Sicherheit: Die Gefahren durch Cyberangriffe werden noch zunehmen, wenn sich der Trend zu Factory 4.0, zur vernetzten Produktion, weiter beschleunigt.

Rheinland Valley

Sie planen ein Rheinland Valley mit Aachen, Bonn, Köln Düsseldorf. Die sogenannte ABCD-Region. Wie oft waren Sie eigentlich schon im Silicon Valley?

Mehrmals, auch in meiner Zeit als Rektor der HHL Leipzig. Es ist eine tolle Region, weil sie sich aus sich selbst heraus entwickelt hat. Diese Chance haben wir auch im Rheinland, wenn die Menschen ihre Fähigkeiten nutzen und die Universitäten ein gründungsfreundliches Umfeld schaffen. Es hat auch im Silicon Valley Jahrzehnte gedauert, bis ein digitales Ökosystem entstanden ist. Kanzleien haben sich angesiedelt, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Risikokapitalgeber, die wissen, wie man die vielversprechenden Start-ups identifiziert und fördert. Diese Kultur können auch wir hier in der Region entwickeln. Wir haben kluge Köpfe, wir haben die Forschung. Wir müssen die privaten Akteure stärker vernetzen. Dann brauchen wir in den Hochschulen Institutionen, die Start-ups coachen, damit wir eine kritische Masse erreichen.

Wenn die alle so smart sind, warum brauchen die dann Ihre Hilfe?

Ich kann nur Menschen zusammenbringen und hier und da mit Fördermitteln ein Co-Investment machen. Aber ich kann den Gründergeist nicht von oben verordnen. Die Initiative müssen die Menschen selbst ergreifen. Aachen war immer schon eine Vorzeige-Universität für Entrepreneure, auch die anderen Universitäten müssen sich noch stärker engagieren. So wurde in Köln und Bonn in den vergangenen 20 Jahren keine einzige Entrepreneurship-Professur an den Start gebracht. jetzt aber wollen beide Unis das Thema forcieren. Darüber freue ich mich.

Wie lange wird es dauern, bis sich das Rheinland-Valley etabliert hat?

Wir wollen in drei Jahren auf Augenhöhe mit der Gründerszene in Berlin und München sein. Und da gehören wir auch hin. Das Rheinland bringt  alle Voraussetzungen dafür mit. Wir müssen nur die Schnittstellen und Plattformen schaffen.

Woran kann man das dann fest machen?

An der Infrastruktur, an Einrichtungen, die Gründer unterstützen, der Zahl der Venture-Capital-Firmen, am Risikokapital und am Ende auch an der Zahl der Gründungen. Wenn es erstmal läuft, wollen alle dabei sein.

Sehen Sie sich selbst als Spin-Doctor?

Von Kopfgeburten halte ich nichts. Ich suche Partner, die die Idee eines Rheinland Valley auch mittragen.

Was kann das Land tun?

Wir wollen das Land werden, in dem man am einfachsten und schnellsten gründen kann. Wir fragen gerade online angehende und junge Unternehmer, wo sie der Schuh drückt. Ich werde mir in den kommenden Wochen viele Start-ups anschauen, in den Digital-Hubs Gespräche führen mit jungen Unternehmerinnen und Unternehmern, Wissenschaftlern, Business Angels und Kapitalgebern. Zudem besuche ich Startercenter, Kammern und Coworking-Spaces.

Gründer in NRW

Was stört Gründer denn im Moment am meisten?

Oft geht es darum, dass Genehmigungen zu lange dauern. Das ist in Gründungsphasen besonders kritisch, weil man nur Kosten hat und keine Umsätze. Manche klagen auch, dass sie sich dafür an mehrere Behörden wenden müssen. Das wollen wir bündeln, digitalisieren, vereinfachen und beschleunigen.

Können sich Gründer künftig direkt ans Ministerium wenden?

Mit Anregungen und Fragen jederzeit, wenn es um einfachere Regeln und Prozesse geht. Umsetzen müssen das die zuständigen Behörden, mit denen wir uns eng austauschen. Wir wollen starre Strukturen aufbrechen und schauen, dass wir Gründer motivieren.

Wen sehen Sie da vor allem in der Pflicht?

Die Universitäten – gemeinsam mit privaten Akteuren. Das kann nicht der Staat verordnen. Wir müssen private namhafte Investoren identifizieren, die sich hinter die Initiativen stellen. Ganz wichtig sind ehemalige Absolventen mit Gründungserfahrung. Wir haben das an der HHL in Leipzig erfolgreich gezeigt.

Nun sind Sie ja Minister für ganz NRW, was ist mit dem Ruhrgebiet?

Das Ruhrgebiet ist in diesem Punkt schon weiter – etwa mit dem Gründerfonds Ruhr. 30 Millionen Euro hat der Initiativkreis Ruhr zusammen mit der NRW-Bank für innovative Start-ups eingesammelt. Das hat das Rheinland noch nicht geschafft. Die NRW-Bank würde das gerne auch hier tun. Wir wollen die Menschen  ermutigen, kreativ zu sein. Wo immer wir können, unterstützt sie das Land dabei. Die Initiative muss aber von den Menschen ausgehen. Ein bisschen Wettbewerb kann da ganz hilfreich sein: Als ich zum ersten Mal von Rheinland-Valley gesprochen habe, waren sofort Vertreter der anderen Landesteile mit eigenen Vorschlägen zur Stelle. Das ist auch gut so, denn nur so kommt das Land voran.

Wie wollen Sie den Gründern das Leben erleichtern?

Wir wollen im September das erste Beschleunigungsgesetz mit Maßnahmen zum einfachen Gründen auf den Weg bringen. Dabei kann es  zum Beispiel um schnellere und einfachere Genehmigungen gehen. Manche Gründer haben Mietverträge unterschrieben, müssen dann aber  Monate warten, ehe sie ihr erstes Geld verdienen können, weil die Genehmigungen auf sich warten lassen. Das kann zur Zitterpartie werden. Deshalb: Wir wollen Bürokratie abbauen und das Gründen einfacher und digitaler machen.

Bürokratieabbau ist mit Bürokratie verbunden….

Das ist oft so. Ich lasse mich aber nicht entmutigen.

Die Förderlandschaft in NRW ist sehr unübersichtlich…

Wir müssen uns fragen: Was ist wirklich notwendig und was ist wirksam? Wir gehen mit dem Programm 1000 mal 1000 an den Start, und  wollen 1000 Gründer ein Jahr lang mit 1000 Euro im Monat durch Stipendien fördern. Wir haben genügend kluge Köpfe, die hungrig sind und Spaß an innovativen Projekten haben. Für mich ist Erfolg, wenn Glück auf Vorbereitung trifft.

Mit welchen Themen könnten Gründungen in NRW  Erfolg haben?

Wir haben große Potenziale in vielen Bereichen. NRW ist Handelsregion mit starken Versicherungsstandorten, die jetzt komplexe Digitalisierungsprozesse bewältigen müssen. Im Raum  Aachen sehe ich viele Möglichkeiten im Bereich Mobilität und Elektrofahrzeuge. Wir haben im Rheinland weitere Stärken in den Bereichen Mathematik, Cybertechnik und Biomedizin, Chemie und Pharmazie. Auch Ausgründungen aus bestehenden Unternehmen können großartige Chancen bieten.

Köln vs. Düsseldorf

Ist die Rivalität Köln - Düsseldorf ein Quertreiber für das Rheinland Valley?

Ich sehe eine wachsende Bereitschaft, alte Gräben zu überwinden. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft müssen an einem Strang ziehen. Dann kann das ein Selbstläufer werden.

Was wird aus der Industrie in NRW?

Wir müssen die Industrie mit Wissenschaft und Technologie verbinden. Das ist eine wichtige Komponente des Rheinlands-Valley-Konzepts. Wir haben schon heute moderne und innovativ arbeitende Industrieunternehmen in NRW – zum Beispiel im Maschinenbau, in der Chemie und bei den Automobilzulieferern, um nur einige Beispiele zu nennen. In der Kooperation mit der digitalen Start-up-Szene liegen große Chancen für die etablierten Player sich weiterzuentwickeln.   

Wann wird der Ausstieg aus der Braunkohle kommen?

Die Braunkohle ist für uns eine Brücken-Energie. Diese Brücke in die CO2-freie Zukunft muss verantwortungsvoll geplant werden. Der Anschluss muss sicher sein, denn wir brauchen die Braunkohle noch für die Grundlast, wenn ab 2022 die Kernenergie vom Netz geht. Rot-Grün hat entschieden, wie viel Braunkohle in den Tagebauen noch abgebaut werden kann. Daran halten wir fest. Die Bundeskanzlerin war übrigens weise genug, kein konkretes Datum für das Auslaufen zu nennen. Aber klar ist, dass wir die Braunkohle nicht auf ewig nutzen werden. Je früher wir sie nicht mehr benötigen, umso besser für Umwelt und Natur.

Brauchen wir neue Kraftwerke?

Diese Frage müssen die Energieversorger beantworten. Unsere Aufgabe ist es, hohe Ansprüche an die technischen Standards zu stellen. Denn wir müssen Ökonomie und Ökologie versöhnen und nicht gegeneinander ausspielen.

Wie meinen Sie das?

Wir brauchen einen offenen Dialog zu der Frage, wie wir die Energiewende weiterentwickeln.  Auch da kann die Digitalisierung helfen, effizientere Energiesysteme zu schaffen. Sehen Sie: Im Jahr 2016 haben wir fast 400 Millionen Euro über unsere Stromrechnung für Windkraftanlagen gezahlt, die abgeschaltet werden müssen. Und das nur, weil der kräftig wehende Wind in den nördlichen Bundesländern  die unzureichend ausgebauten Netze überlastet. Ich persönlich sage, Umweltfreundlichkeit und Energieversorgungssicherheit sind gleich wichtig. Dazu kommt, dass Energie bezahlbar bleiben muss. Fracking werden wir übrigens nicht erlauben, das ist kein Thema.

Was wird aus der Autoindustrie? Sie ist schließlich nicht ganz unbedeutend für NRW.

Die Disruption wird dramatisch sein. Ich finde es erschreckend, dass wir mit den Chinesen schon darüber verhandeln, ob man uns Verkaufsquoten für Fahrzeuge in bestimmten Segmenten einräumt. Das zeigt, an welch kritischem Punkt sich die Autoindustrie befindet. Die Elektromobilität hat so viele Vorteile, dass sie uns durch die Mengeneffekte, die Chinesen und die Koreaner sehr bald erzielen werden, bei der Massenproduktion vor extreme Herausforderungen stellen wird. Die Chinesen bauen jetzt schon fast 25 Millionen Autos pro Jahr. Wenn Sie nun rasch auf E-Autos umstellen, werden die Preise auch für die Batterien massiv purzeln.

Was bedeutet das konkret, zum Beispiel für Ford in Köln?

Dass Ford noch in Köln ist, produktiv und wirtschaftlich, ist ein großartiger Erfolg, den haben sich das Unternehmen und seine Mitarbeiter hart erarbeitet. Ford hat aus eigener Kraft immer schwarze Zahlen geschrieben und ist wettbewerbsfähig. Ich baue darauf, dass sie auch den nächsten Schritt gehen werden. Aber wahr ist auch: Das innovative E-Nutzfahrzeug Streetscooter wollte kein deutsches Automobilunternehmen bauen. DHL hat dann das einzig Richtige getan, sich eine Hochschule gesucht und das selbst gemacht. Wir haben demnächst PSA durch Opel auch hier. Die Franzosen setzen auf die Elektromobilität. Da kommt die neue Industrie automatisch auf NRW zu. Die Landesregierung kann dafür nur offen sein und ihre Hilfe anbieten. Es könnte durchaus sein, dass ein chinesisches Unternehmen Batterien für Europa in NRW herstellen will. Warum nicht, wenn wir das nicht selbst hinkriegen? Was wäre mir natürlich lieber wäre.

Letzte Frage. Was wird aus der Sonntagsöffnung im Einzelhandel?

Unser Ziel ist es, für die Sonntagsöffnung eine rechtssichere Regelung zu schaffen und diese vorab mit den Sozialpartnern zu diskutieren. Der stationäre Handel wird im Gegensatz zum Onlinehandel immer mehr zu einem Freizeitereignis, einem Erlebnis werden. Alle Freizeiteinrichtungen haben sonntags geöffnet. Ich denke, wir werden uns auf acht Sonntage pro Jahr verständigen, an denen der Handel öffnen darf.

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