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EU-RegelungGurken-Norm wird 25 Jahre alt

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Gurken werden noch heute nach der abgeschafften Norm beurteilt.

Gurken werden noch heute nach der abgeschafften Norm beurteilt.

Brüssel – Die „Verordnung (EWG) Nr. 1677/88“ kennt jeder. Das ist nämlich die „Gurkenkrümmungsverordnung“ der Europäischen Union. Sie ist das Paradebeispiel für die außer Kontrolle geratene Regulierungswut im „Raumschiff Brüssel“: Unterbeschäftigte und hoch bezahlte EU-Beamte haben nichts Besseres zu tun, als die Krümmung von Gurken zu regeln. Das stimmt zwar so nicht – aber allen Tatsachen zum Trotz lastete die Verordnung zwei Jahrzehnte lang wie ein Fluch über der EU. Vor 25 Jahren (15. Juni 1988) wurde sie beschlossen, vor vier Jahren (1. Juli 2009) abgeschafft.

Damals ahnte in der EU-Kommission niemand, wie viel öffentliche Aufmerksamkeit der siebenseitigen Verordnung 1677/88 zuteilwerden sollte. In der Verordnung wurden Handelsklassen für Gurken definiert. Für die Klasse „Extra“ wurde bestimmt, dass diese Gurken „gut geformt und praktisch gerade“ sein (maximale Krümmung: 10 mm auf 10 cm Länge der Gurke) müssen. Gurken der Klasse 1 mussten nur „ziemlich gut geformt“, durften aber auch nicht krummer sein.

Formulierungen wie diese garantierten den raschen Aufstieg der „Gurkenkrümmungsverordnung“ zur medialen und rhetorischen Allzweckwaffe gegen die EU und deren unnütze, lächerliche Riesenbürokratie. Wer etwa darauf hinwies, dass jede einzelne der deutschen Millionenstädte mehr Beamte beschäftigt als die gesamte Europäische Union, wurde gerne mit dem Argument konfrontiert, keinem der 1,9 Millionen deutschen Beamten sei es je eingefallen, den Krümmungsgrad von Gurken festzulegen. Tatsächlich hatte die EU 1988 mit ihrer Verordnung lediglich Empfehlungen des UN-Wirtschaftsausschusses für Europa (ECE) übernommen. Und das geschah auf Wunsch des Handels: Der wollte verbindlich geregelt wissen, wie viele Gurken in einer standardisierten Einheitskiste sein sollten. Zum 1. Juli 2009 wurde die Regelung mit der Mehrheit der EU-Länder wieder abgeschafft. Allerdings lebt sie insgeheim weiter: Großhändler und Lebensmitteldiscounter tun einfach so, als gebe es die Verordnung immer noch. Und auch die ECE hält an der UN-Gurkennorm fest. (dpa)

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