GewerkschaftKohleausstieg bis 2050 laut Verdi finanzierbar

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Berlin – Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi schaltet sich mit Macht in die Debatte über einen Ausstieg Deutschlands aus der klimaschädlichen Kohleverstromung ein. Verdi-Chef Frank Bsirske präsentierte am Donnerstag ein Gutachten, laut dem ein sozialverträglicher Ausstieg machbar und auch finanzierbar sei. „Jetzt ist die Politik gefordert, zu handeln“, sagte Bsirske in Düsseldorf.

Umweltministerin Hendricks für Ausstieg

Damit schlägt sich die zweitgrößte deutsche Gewerkschaft offen auf die Seite von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und stellt sich zugleich gegen Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel sowie die Bergbau-Gewerkschaft IG BCE. Hendricks plädiert seit der Pariser Welt-Klimakonferenz vom vergangenen Dezember vehement dafür, den Kohleausstieg einzuleiten. Gabriel, die IG BCE und die Kohle-Befürworter in Industrie und Bundesländern wollen davon aber nichts wissen.

Verdi ließ die Berliner Beratungsfirma Enervis Energy Advisors ausrechnen, wie sich ein Abschied von der Kohle bis 2050 finanzieren ließe. Dafür betrachteten die Experten drei Szenarien. Eines greift den Vorschlag der Denkfabrik Agora Energiewende auf, die für einen Ausstieg bis 2040 plädiert. Ein weiteres sieht die Halbierung der Kohlestromproduktion bis 2030 und den Komplett-Ausstieg bis 2050 vor. Das dritte Szenario befasst sich mit der Möglichkeit, auch nach 2050 noch einzelne, gegebenenfalls nachzurüstende Anlagen am Netz zu lassen. In keinem Fall würden neue Kraftwerke mehr gebaut.

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Renten und Umschulungen nötig

Die Zahl der Kraftwerksbeschäftigten würde den Berechnungen zufolge deutlich sinken. Im Durchschnitt der Jahre zwischen 2016 und 2050 würden je nach Szenario nur noch 4.000 bis 8.600 Mitarbeiter beschäftigt, derzeit sind es 15.000. Die jährlichen Kosten für vorzeitige Renten, Umschulungen oder andere berufsbegleitende Maßnahmen würden 250 Millionen Euro nicht überschreiten, heißt es in dem Gutachten. Verdi fordert, dafür einen Fonds aufzubauen, der sich aus Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel speisen ließe.

Auch innerhalb Verdis hatte es in den letzten Monaten heftige Auseinandersetzungen um den künftigen Kurs der Gewerkschaft in der Energiepolitik gegeben. Dabei setzte sich jene Gruppe durch, die eine stärkere Betonung des Klimaschutzes verlangt. Anders als die IG BCE, die die Kohlekumpel organisiert, hat Verdi diverse Interessen unter einen Hut zu bringen. Die Gewerkschaft ist in den Stadtwerken stark vertreten. Diese verstehen sich gemeinhin als Vorreiter der Energiewende.

Bergbaugewerkschaft will Kraftwerke in Betrieb halten

Der IG BCE und ihrem Chef Michael Vassiliadis hingegen ist daran gelegen, die deutschen Kohlekraftwerke und Braunkohletagebaue noch möglichst lange in Betrieb zu halten. Vassiliadis warnt immer wieder vor einem „Ausstiegswettlauf“: Wenn Deutschland nach der Atomkraft auch die Kohleverstromung aufgebe, sei keine sichere Stromversorgung mehr gewährleistet. Die Betreiber konventioneller Kraftwerke sind wegen des Ökoenergie-Booms finanziell erheblich unter Druck.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Gabriel hatten zuletzt versucht, die Debatte über den Kohleausstieg zu beenden: Sie ließen den Entwurf eines Klimaschutzplans aus dem Umweltministerium dahingehend umschreiben, dass in dem Text nun keine Rede mehr vom Ausstieg ist.

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