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ImpectKölner Start-up revolutioniert die Spielanalyse im Fußball

Lesezeit 3 Minuten
Stefan Reinartz

Der Ex-Nationalspieler Stefan Reinartz (li.) und Matthias Sienz.

Köln – Eigentlich hätte es bei diesem Spiel nur einen Sieger geben dürfen. Brasilien schoss häufiger aufs Tor (18:14), hatte mehr Ballbesitz (52 zu 48 Prozent), spielte die erfolgreicheren Pässe (86 zu 84 Prozent) und hatte mehr Eckstöße (7:5). Wie das WM-Halbfinale in Belo Horizonte endete, weiß jeder Fußballfan. Die DFB-Elf schlug die brasilianische Seleção mit 7:1 und wurde fünf Tage später in Rio de Janeiro Fußball-Weltmeister.

Auch Stefan Reinartz, 28, erinnert sich gut an dieses Spiel. Für ihn war es ein weiterer Beleg dafür, dass die geläufigen Parameter, nach denen Teams und Spieler im Fußball bislang gemessen wurden, Ballbesitz-, Pass-, oder Zweikampfquote etwa, nicht ausreichen, um eine Partie valide zu bewerten.

Von Ex-Fußballprofis mitentwickelt

Reinartz, der für Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt über 150 Mal in der Bundesliga spielte, unter Joachim Löw drei Länderspiele machte und seine aktive Karriere im vergangenen Jahr aufgrund zahlreicher Verletzungen mit 27 Jahren beenden musste, wollte das ändern. Er gründete mit vier Partnern, darunter der ehemalige Bundesligaprofi Jens Hegeler, das Start-up Impect.

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Die Idee, Fußballspiele und ihre Daten auf andere Art und Weise zu analysieren, stieß – unmittelbar nach der Gründung des Start-ups im vergangenen Jahr – auf große Resonanz. Die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fußball-Bund und der ARD während der Europameisterschaft 2016, lockte auch Bundesliga-Vereine an, die die Daten von Impect nutzen. Zu den Partnern für diese Saison, die bald startet, zählen etwa Eintracht Frankfurt, Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach.

Osako und Modeste auf dem Prüfstand

Das Prinzip hinter den Daten von Impect ist es, gelungene Angriffe zu bewerten. „Wir sind auf die Idee gestoßen, dass eine Offensivaktion umso wertvoller ist, je mehr Gegner man überspielt“, sagt Reinartz. Ob mit einem Pass, einer Flanke oder einem Dribbling ist dabei weniger entscheidend, als dass der Ball beim Mitspieler ankommt, verarbeitet werden kann, und sich weniger Spieler zwischen Ball und Tor befinden als zuvor. Der Gegenspieler ist dann aus dem Spiel genommen.

Der1. FC Köln habe mit Osako und Modeste in der vergangenen Saison zwei Offensivspieler gehabt, die an den Daten messbar, auf unterschiedliche Art und Weise Garanten für den Erfolg gewesen seien. 25-Tore-Mann Modeste eher als „Wandspieler“, der Japaner Osako als Anspielstation „zwischen den Reihen“, wie Reinartz ausführt.

Etwa 700 Spiele von der ersten Bundesliga, der französischen Liga oder Jugend-Champions-League, sehen der Kölner und seine Kollegen jedes Jahr. Die Daten veredeln sie selber. 20 Mitarbeiter helfen ihnen derzeit im Stadtteil Ossendorf dabei, oftmals Studenten der Kölner Sporthochschule.

Die Spiel-Daten der Bundesliga-Spiele kauft Impect für einige tausend Euro pro Saison von der deutschen Fußball-Liga, sie trackt jeden Spieler mit Hilfe von Wärmebildkameras 25 Mal pro Sekunde. Fehlen diese Daten, etwa bei Jugendspielen, werten Kölner Studenten die Materialien der Vereine aus.

Impect-Gründer haben große Ziele

Potenzial, das Modell der modernen Spielanalyse auszuweiten, sieht Reinartz reichlich. „Klar ist es ein Traum, einmal alle Spiele der Welt zu analysieren“, sagt er. Momentan arbeiten der Ex-Fußballer und sein Mitgründer und technischer Kopf des Projektes, Matthias Sienz, aber vor allem daran, die Kooperation für Klubs noch attraktiver zu machen.

Auch im Bereich Individual-Scouting von Spielern und auf dem Wettmarkt sehen die Freunde, die im Jahr 2008 in Overath gemeinsam ihr Abitur machten, Potenzial, um Impect am Markt zu etablieren und weiterzuentwickeln. Umsatzzahlen nennt Impect nicht, zum Ende dieser Saison will das Kölner Start-up aber in die Gewinnzone kommen, sagt Impect-Chef Lukas Keppler.

Das WM-Halbfinale von 2014 ist mit den Daten von Impect ein anderes Spiel. „5:2 oder 6:3 hätte ich beim Blick auf die Daten getippt“, sagt Reinartz. Er liegt nur knapp daneben.

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