Interview mit Georg HonkompE-Bikes sind nicht nur was fürs Alter

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Der Kölner ZEG-Chef Georg Honkomp.

Der Kölner ZEG-Chef Georg Honkomp.

Köln – Herr Honkomp, mal Hand aufs Herz, wie viele Kilometer hat der Chef des größten Fahrrad-Händlers in Europa im vergangenen Jahr mit dem Fahrrad zurückgelegt?

Ganz ehrlich: Nicht so viele. Ein paar Hundert vielleicht. Vor zwei, drei Jahren waren es noch mehrere Tausend, als ich noch für ein Amateur-Rennen in den italienischen Voralpen trainiert habe, an dem ich öfter teilgenommen habe. Aber wir hatten im vergangenen Jahr einfach viel um die Ohren.

Sie haben 2015 die Fahrradsparte des insolventen Unternehmens Kettler übernommen, vor drei Jahren die Marke Wanderer. Planen Sie weitere Zukäufe?

Also: Erst mal werden wir daran arbeiten, Kettler wieder nach vorne zu bringen. Es ist für uns die größte Einzelinvestition in der Geschichte. Wir wollen Kettler unbedingt wieder zum Durchbruch verhelfen. Kettler ist eine tolle Marke, war zuletzt aber nicht gut aufgestellt.

Warum hat Ihre Einkaufsgenossenschaft Kettler übernommen?

In der zunehmend anonymer werdenden Welt werden Marken für Kunden immer wichtiger. Gerade starke Marken wie Kettler oder unsere Eigenmarken wie Bulls, Pegasus und Hercules. Wir wollten auch nicht, dass Kettler etwa in chinesische Hände kommt. Wir stärken mit dem Kauf natürlich auch unsere Einkaufsposition bei der Beschaffung von Fahrradkomponenten– profitieren von besseren Lieferzeiten, werden früher in die Entwicklung einbezogen und haben dadurch einen Vorsprung gegenüber Wettbewerbern.

Was haben Sie genau vor mit Kettler? Sie haben durch die Übernahme ja erstmals auch eine eigene Fertigung.

Wir wollen die Marke etwas verjüngen. Wir werden auch in den sportlichen Bereich gehen – etwa mit Mountainbikes, auch mit Motorunterstützung. Die Produktion ist für uns natürlich Neuland, wir lernen da gerade viel. Wir haben zwar auch bisher schon Produkte entwickelt, sie aber fertigen lassen – vor allem in Ungarn und Asien.

Wie viel investieren Sie?

Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. In das Kettler-Werk in Saarbrücken müssen wir nun aber etwas mehr investieren, als wir zunächst gedacht haben, etwa 20 bis 25 Millionen Euro. Die Produktionsbedingungen waren nicht mehr zeitgemäß. In einigen Bereichen kann man teilautomatisieren – etwa bei der Produktionssteuerung, damit alle Teile zur rechten Zeit ans Band kommen. Auch beim Einspeichen des Laufrads oder Farbwechsel in der Lackieranlage macht eine Automatisierung Sinn. Aber die Fahrradmontage wird Handarbeit bleiben. Wir bauen keine Arbeitsplätze ab. Denn die Kapazität soll sich in den nächsten drei bis fünf Jahren von 30 000 auf 100 000 mehr als verdreifachen. Gefertigt werden in Saarbrücken künftig die Marken Kettler und Wanderer. Wir werden aber auch einen Teil der Hercules-Produktion aus Ungarn abziehen.

Investitionen in Köln

Sie investieren aber auch in Köln.

Ja, wir bauen hier gerade ein Entwicklungszentrum, in dem ab Ende September 20 Ingenieure und Designer arbeiten werden. Ergonomie ist ein großes Thema. Zu unseren Entwicklungen gehören aber auch Zubehörteile wie eine Federsattelstütze, die 2017 auf den Markt kommen soll.

Welche Räder liegen im Trend?

E-Bikes natürlich. Da beobachten wir eine sehr gute zweistellige Entwicklung. Die korrekte Bezeichnung ist eigentlich Pedelec, aber der Begriff E-Bike hat sich längst durchgesetzt. Mittelfristig könnte der E-Bike-Anteil in Deutschland auf 50 Prozent steigen. Bei älteren Kunden sind die bunteren Varianten beliebt. Die Jüngeren bevorzugen schwarz. Im Trend sind auch Räder, die der Urban-Kultur entsprechen – extrem reduziert, edle Materialien, Elemente aus Kupfer, Leder-Sattel. Gefragt sind auch Ladebuchsen für Smartphones am Fahrrad.

Wer kauft E-Bikes?

Es sind längst nicht mehr nur ältere Kunden, sondern auch viele Jüngere. Die interessieren sich dann oft für Mountainbikes mit Motorunterstützung. Man genießt eine neue Freiheit, der Bewegungsradius wächst. Viele Kunden wollen sich nicht mehr quälen und dennoch etwas für ihre Fitness tun. Jeder Kunde, der ein E-Bike fährt, lächelt. Die Jahreslaufleistung ist bei E-Bikes mit im Schnitt 3500 Kilometern viermal höher als bei einem Rad ohne Unterstützung.

Wie sind die ZEG-Händler angesichts der Wetterkapriolen überhaupt ins Jahr gestartet?

Der März war nicht so gut, es war bisher einfach zu kalt. Als zwischenzeitlich die Temperaturen gestiegen sind, lief es wieder gut. Das ist ein gutes Zeichen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das alles wieder aufholen und dann im Gesamtjahr fünf Prozent zulegen.

Welche Pläne haben Sie noch mit der ZEG?

Wir arbeiten gerade an Lastenrädern. Zudem sind wir gerade ins Tourismusgeschäft eingestiegen und stellen Hotels und Veranstaltern Fahrräder zum Verleih zur Verfügung. Seit drei Jahren bieten wir Firmen auch ein Dienstfahrradkonzept an. Die Firmen stellen Mitarbeitern Räder im Rahmen der Gehaltsumwandlung zur Verfügung. Das wollen wir ausbauen.

Mehr als eine Milliarde Euro Jahresumsatz

Vier Millionen Räder werden im Jahr in Deutschland verkauft, 15 bis 20 Prozent davon von Fachhändlern der Kölner ZEG (Zweirad-Einkaufsgenossenschaft).

Die ZEG wurde vor 50 Jahren auf Initiative von Hans Krämer und Bernhard Lakämper gegründet – damals in einem Bahnschuppen. Heute steuert Vorstandschef Georg Honkomp das Unternehmen mit 150 Mitarbeitern von einem modernen gläsernen Bau in der Longericher Straße aus. Es gehört 1000 Fahrradhändlern, die 2015 auf mehr als eine Milliarde Euro Jahresumsatz kamen. Die Händler kaufen über die ZEG ein, die einen Teil der Gewinne ausschüttet und einen Teil investiert – etwa in Zukäufe wie Kettler.

Georg Honkomp ist seit 1997 Vorstandsvorsitzender der ZEG. Der 55-jährige Kaufmann besitzt sechs Fahrräder, das liebste ist ihm ein Cruiser mit 3-Gang-Schaltung. Geboren ist Honkomp im Oldenburger Münsterland. (eve)

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