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Interview mit Rewe-Chef Lionel Souque„Amazon wird alle Branchen in Frage stellen“

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Rewe-Chef Lionel Souque.

Köln – Seit gut 100 Tagen ist Lionel Souque Rewe-Chef  – Der Manager über seine Pläne, den Wettbewerb, Investitionen ins Digitale und den 1. FC Köln.

Herr Souque, Sie arbeiten schon lange bei Rewe, sind aber nun seit gut 100 Tagen Konzern-Chef. Ist es anders, ganz oben zu stehen? Wird die Luft dünner?

Für mich hat sich nicht viel geändert. Ich bin seit 21 Jahren dabei. Den Teil, den ich operativ verantworte – Rewe – habe ich behalten. Penny Deutschland ist im Januar dazugekommen. Mit dem Weggang von Alain Caparros und Manfred Esser ist das Führungsteam kleiner geworden, Jan Kunath als Stellvertreter und ich übernehmen mehr Aufgaben. Das ist hier keine One-Man-Show. Wir haben insgesamt ein starkes Team, das sich schon lange kennt.

Ist es ein Vorteil oder ein Nachteil, so lange im Unternehmen zu sein?

Ich kenne die Abläufe hier sehr genau, ich musste mich nicht groß einarbeiten. Ein Neuer würde vielleicht noch mehr Sachen in Frage stellen als ich. Wir bauen auf Leute mit Erfahrungen, uns ist aber auch wichtig, neue Leute mit anderen Kompetenzen zu holen.

Und die rekrutieren Sie demnächst aus der Bundeswehr?

Ja, ausschließlich (lacht). Nein, im Ernst: Die Kooperation mit der Bundeswehr ist eine weitere Maßnahme, um qualifizierte Mitarbeiter für uns zu gewinnen. Im Handel arbeiten schon jetzt viele Menschen, die früher bei der Bundeswehr waren. Auch bei uns – im Vertrieb etwa, wo man viele Leute führen muss. Bei der Truppe lernt man, strukturiert zu arbeiten.

Aber der Umgangston bei der Rewe wird jetzt nicht rauer?

Mit mir auf keinen Fall. Aber auch bei der Bundeswehr ist der Umgangston ja nicht immer rau. Es bringt nichts, Leute im Unternehmen durch Angst zu führen. Man muss sie mitnehmen. Es gibt da ein afrikanisches Sprichwort: Willst du schnell gehen, gehe alleine. Wenn du weit gehen willst, musst du mit anderen zusammen gehen.

Führen Sie anders als Caparros und wie groß sind seine Fußstapfen?

Nach draußen hatte Caparros sicher eine große Präsenz – auch durch den Streit um Kaiser’s. Jeder hat seinen Stil. Und natürlich macht jeder das etwas anders.

Caparros hat gesagt, alle Weichen im Konzern sind gestellt. Sehen Sie das auch so?

Wir sind gut aufgestellt und haben in den vergangenen Jahren vieles im Team auf den Weg gebracht. Aber wir haben noch große Herausforderungen vor uns: Verdrängungswettbewerb durch Aldi und Lidl, Kostensteigerung auf allen Ebenen, demografischer Wandel, Digitalisierung. Nicht nur Amazon, auch Foodora und Lieferando sind Konkurrenten – wenn jemand dort Pizza bestellt, kauft er sie nicht mehr bei Rewe ein.

Wie reagieren Sie darauf – wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? Erhöhen Sie Ihre Investitionen?

2018 werden wir die Investitionen sicher erhöhen auf über zwei Milliarden Euro. Wir müssen die Läden weiter modernisieren, wollen Kunden mehr Frische, Beratung, Convenience, regionale Produkte bieten. Auch Gastro-Angebote wie Sushi. Wir wollen die Nummer eins sein für unsere Kunden.

Die Branche fürchtet seit langem, dass Amazon Fresh den Lebensmittellieferdienst massiv ausbaut.

Wir nehmen das sehr ernst. Amazon wird alle Branchen in Frage stellen. Banken, Versicherungen, Buchhandel – es gibt keinen Bereich, den Amazon nicht angreift. Technologisch werden wir nie besser sein als Amazon, aber bei frischen Lebensmitteln haben wir deutlich mehr Erfahrung und Kompetenz. Wenn man sehr gut ist in seinem Bereich kann man dagegenhalten.

Amazon hat längst gemerkt, dass die Lebensmittellieferung nicht so einfach ist. In den USA und Großbritannien etwa hält sich Amazons Erfolg mit Lebensmitteln bislang in Grenzen. Auch wir machen keinen Gewinn mit unserem Lieferservice und werden das über Jahre nicht tun. Es ist aber ein wichtiger Service, den Kunden erwarten.

Welche digitalen Innovationen planen Sie?

Strategie ist nicht alles, aber ohne Strategie ist alles nichts. Sehr wichtig ist aber auch, die Strategie umzusetzen und dabei operative Exzellenz zu erreichen, die volle Zufriedenheit der Kunden – sowohl in den Filialen als auch online. Solange wir nicht den gesamten Prozess im E-Commerce optimiert haben, bringt es nichts, ständig Neues auszuprobieren. Wir planen keine Revolution.

Operative Exzellenz ist schön, ein exzellentes Ergebnis wäre aber doch auch schön?

Unser Gewinn war in den vergangenen Jahren mit etwa 500 Millionen Euro immer relativ stabil. Dieses Jahr wird es etwas schlechter sein und nächstes Jahr wird auch nicht viel besser. Gründe sind hohe Investitionen in die Märkte, die Logistik, die Digitalisierung und in die Qualifikation unserer Mitarbeiter. Das sind Investitionen in unsere Zukunftsfähigkeit, weil sie für unsere Kunden spürbaren Nutzen haben.

Wir sind dieses Jahr 90 Jahre alt geworden – und so gewachsen, weil wir langfristig denken. In diesem Zusammenhang sehen wir auch die Übernahme von fast 200 Sky-Märkten und 60 Kaiser’s-Tengelmann-Filialen, die uns über mehrere Jahre einen hohen zweistelligen Millionenbetrag kosten werden. Sky ist ein Sanierungsfall. Langfristig werden wir aber profitieren.

„Es wird für den FC sehr schwer werden“

Wie läuft das Geschäft aktuell?

Der Umsatz ist gut, auch die Touristik läuft gut – trotz Problemen in der Türkei. In den Supermärkten liegen wir fünf Prozent über dem Vorjahr, bei Penny drei Prozent. Das ist besser als bei den meisten Konkurrenten.

Wie weit sind die Pläne für die neue Firmenzentrale im Deutzer Hafen?

Wir sind in Gesprächen, es sieht auch gut aus. Für uns ist das ein mittel- bzw. langfristiges Projekt, der Bau ist frühestens 2024 fertig.

Rewe ist Hauptsponsor des 1. FC Köln, Sie sind dort Aufsichtsratschef. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Wir haben gerade den Sponsorenvertrag verlängert und stehen voll zum FC, zum Management und Trainer-Team. Keiner ist zufrieden mit dem aktuellen Tabellenplatz. Man darf aber nicht in Panik falsche Entscheidungen treffen.

Haben Sie bedauert, dass Modeste gegangen ist?

Natürlich hätte ich mich gefreut, wenn er geblieben wäre. Aber ich kann es verstehen, dass er die finanzielle Chance in Asien ergriffen hat. So ist Fußball.

Bei einem Abstieg würde Rewe viel Geld sparen.

Das wäre aber am falschen Ende gespart. Marketingmäßig macht die 1. Bundesliga viel mehr Sinn für die Rewe. Es wird für den FC sehr schwer werden. Aber ich glaube nicht, dass wir absteigen. Nur: Jetzt müssen Punkte kommen.

Wie sehen Sie die Diskussion um den Stadionausbau oder Neubau?

Der FC hat immer gesagt, die beste Variante wäre, in Müngersdorf zu bleiben und dort auszubauen. Aber natürlich muss man auch nach einer Alternative suchen, mit der alle leben können.

Könnten Sie sich vorstellen, dass es bald ein Rewe-Stadion gibt? Was würden Ihre Genossen dazu sagen?

Das weiß ich nicht, weil ich das sicher nicht vorschlagen werde. Wir haben kein Interesse daran. Ich will Rewe auf dem Trikot. Das ist viel emotionaler – 100 000 Leute überall in der Stadt zu sehen, die ein Rewe-Trikot haben.

Sie leben in Köln, Ihr Vorgänger in Düsseldorf. Was mögen Sie hier?

Warum sollte ich woanders leben, wenn ich in Köln arbeite? Die Mentalität der Menschen ist super, die Leute haben Leidenschaft, sind sozial engagiert. Meine Familie und ich fühlen uns hier sehr wohl.

Zur Person und zum Unternehmen

Lionel Souque (46) ist seit dem 1. Juli Vorstandschef der Rewe-Gruppe mit Sitz in Köln. Seit 1996 arbeitet der in Paris geborene Betriebswirt für das Unternehmen, seit 2009 ist er im Vorstand. Der sportliche Manager ist außerdem Aufsichtsratschef des 1. FC Köln.

Rewe feiert in diesem Jahr das 90-jährige Bestehen. Das Akronym steht für „Revisionsverband der Westkauf-Genossenschaften“. Die Gruppe kommt auf einen Umsatz von 54 Milliarden Euro und beschäftigt 330 000 Mitarbeiter in 19 Ländern. 

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