Kaum Schutz bei StarkregenVersicherungen scheuen die Absicherung vieler Gebäude

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Dorfstraße als Wasserweg: In Waldgrehweiler nahe Mannheim wütete ein Starkregen im Herbst 2014 über Stunden. Das Resultat war für viele Bewohner verheerend.

Dorfstraße als Wasserweg: In Waldgrehweiler nahe Mannheim wütete ein Starkregen im Herbst 2014 über Stunden. Das Resultat war für viele Bewohner verheerend.

Für Torsten Schlemmer hat es etwas von Weltuntergangsstimmung. Im September 2014 verfinstert sich vor seinem Haus plötzlich der Himmel, dann beginnt eine wahre Sintflut. Wasser stürzt vom Himmel, rund eine Badewanne voll pro Quadratmeter wird es am Ende sein. Schlemmers Grundstück in Waldgrehweiler, westlich von Mannheim, verwandelt sich in einen See. Sein Keller läuft voll Wasser, sein Auto wird einen Kilometer weit fortgespült und kommt völlig zerstört an einer Brücke zum Stehen. Der Schaden: rund 60 000 Euro.

Starkregen ist eine Katastrophe. Und mit dem Klimawandel wird auch Deutschland zukünftig deutlich häufiger betroffen sein: Experten vom Deutschen Wetterdienst gehen davon aus, dass Starkregen in den kommenden Jahrzehnten um bis zu 50 Prozent häufiger auftreten wird. Das hat Folgen für Zehntausende Hausbesitzer. Viele von ihnen werden künftig auf ihren Schäden sitzen bleiben. Nachfragen des Recherchezentrums Correctiv zeigen: Versicherungen werden künftig mehr und mehr Häuser als „nicht mehr versicherbar“ kennzeichnen.

Gerade einmal 8000 Euro erstattet

Heute schon betroffen sind Menschen wie Torsten Schlemmer. Er wandte sich vor zwei Jahren an seine Versicherung, bei der er seit 14 Jahren eine Hausratversicherung mit dem Zusatz „Elementarschaden“ hat. Doch die behauptet, der 37-Jährige sei unterversichert und erstattet ihm nur rund 8000 Euro.

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Vier Wochen nach der Flut erhält er ein Einschreiben: Die Versicherung kündigt den Vertrag. „Bitte haben Sie Verständnis für unsere Entscheidung, die uns nicht leichtgefallen ist.“ Es sei denn: „Gerne würden wir den Vertrag weiterführen, wenn Sie sich mit dem Ausschluss der weiteren Elementargefahren einverstanden erklären.“

Elementargefahren – das sind Naturereignisse wie etwa Hagel, Sturm ab Windstärke 8 oder eben Starkregen. Das hieße für Schlemmer, beim nächsten Starkregen nicht mehr versichert zu sein. Er schreibt vierzehn Konzerne an – und erhält vierzehn Absagen. Wegen der „vergangenen Schadenereignisse“ könne er sich nicht gegen Elementarschäden versichern.

Unversicherbare Zonen in Risikogebieten

Vielen seiner Nachbarn geht es ähnlich. Den einen wird die Hausrat-Versicherung gekündigt. Den anderen werden die Raten radikal erhöht. Manche zahlen nun 2000 Euro jährlich, um beim nächsten Starkregen entschädigt zu werden. Teilweise mit einem Selbstbehalt von 10 000 Euro, mit dem sie sich an Schäden beteiligen müssen. Üblich sind Preise zwischen 200 und 300 Euro im Jahr – ohne Selbstbehalt.

Nach Correctiv-Recherchen werden die unversicherbaren Zonen zu immer größeren Klecksen auf der Deutschlandkarte – gerade in besonders gefährdeten Gebieten. Bislang berechnen die meisten Versicherungskonzerne ihre Prämien anhand des ZÜRS, dem „Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen“, das in vier Gefahrstufen unterteilt. Wer in der risikoreichen ZÜRS-Zone 4 wohnt, kann sich nicht oder nur zu schlechten Konditionen versichern.

„Für uns ist das schon lange traurige Realität“, sagt Walter Wurm, Eigentümer des „Strandschlößchen“ an der Uferstraße im Kölner Stadtteil Rodenkirchen. Die Villa, die für Veranstaltungen gemietet werden kann, liegt außerhalb der Hochwasser-Schutzmaßnahmen. „Deshalb haben wir auch keine Versicherung.“ Von innen wurde das Haus mit abwaschbarem Material verputzt. Wenn das Wasser kommt, was zuletzt im Jahr 2010 geschah, werden Keller, Erdgeschoss und der 1. Stock komplett leergeräumt. Auch Technik und Heizkörper werden ausgebaut, bis die Flut weicht.

Klimawandel wird für Hausbesitzer teuer

Bis zum „Jahrhundert-Hochwasser“ 1993 konnte eine Hausratversicherung mit Elementarschäden noch abgeschlossen werden, erinnert sich Wurm. Dann wurde es schwierig, und als zwei Jahre das Wasser noch höher stieg, seien anschließend alle Verträge gekündigt worden. „Dann ging gar nichts mehr“, sagt Wurm.

Die NRW-Verbraucherzentrale rät angesichts der sich verschlechternden Lage dazu, Versicherungen abzuschließen, solange es noch geht. „Starkregen wird zu einer immer größeren Gefahr. Künftig könnte es auch Haus- und Wohnungsbesitzer treffen, die nicht in der Nähe eines Flusses wohnen.“ Experten feilen schon an einer deutschlandweiten Karte für Starkregen. Es gibt dann neue Risikozonen: Nicht mehr nur entlang von Gewässern, sondern in Mulden oder an Hängen. Die Behörden wollen mit den Karten Hausbesitzer schützen und warnen.

Doch die Konzerne werden die Informationen nutzen, um gezielt ihre Prämien zu erhöhen. Einzelne Versicherer wie die Gothaer räumen ein, dass der Klimawandel für Hausbesitzer teuer wird. „Die Zuordnung einzelner Standorte zu den ZÜRS-Klassen wird sich im Zuge des Klimawandels ändern“, sagt Matthias Land, Leiter der Mathematik-Abteilung bei der Gothaer-Versicherung. Auch die Allianz sagt, ihre Experten entwickelten gerade eigene Flutkarten für Starkregen. So könnten sie ablesen, welche Viertel oder Straßen künftig unter diesem Wetterphänomen zu leiden hätten. „Und unsere Kunden erfahren, ob sie besonders gefährdet sind und sich schützen müssen“, so ein Sprecher.

Angeblich 99% aller Häuser versicherbar

Der Gesamtverband der deutschen Versicherer behauptet, 99 Prozent aller Häuser seien versicherbar. „Für viele Menschen ist es nach einem Starkregen-Ereignis unmöglich sich zu versichern“, widerspricht beispielsweise Michael Wortberg von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Nach dem sogenannten Versicherungsvertragsgesetz kann im Schadensfall innerhalb eines Monats gekündigt werden. So werden Konzerne unliebsame Kunden entweder ganz los, oder die jährlichen Verträge können verteuert wieder angeboten werden.

Wortberg hat im vergangenen Jahr 55 Versicherungen angeschrieben und nach einer Elementarschadenversicherung für sechs Modellhäuser gefragt. Für die schon einmal von Starkregen betroffenen Gebäude boten viele Konzerne keine Versicherung mehr an – oder sie verlangten einen bis zu 300-prozentigen Aufschlag und einen extrem hohen Eigenbehalt. Und das, obwohl das Haus in der ZÜRS-Einteilung in der risikoärmsten Klasse eingestuft war. „Es wird künftig nach jedem Starkregenereignis mit Großschäden schwerer werden, sich abzusichern“, sagt Wortberg.

Annika Joeres ist Redakteurin des Recherchezentrums correctiv.org. Die Redaktion finanziert sich über Fördermitglieder und Spenden. Sie gibt ihre Recherchen generell kostenlos an Medien ab, ist unabhängig und nicht gewinnorientiert. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ arbeitet mit der Organisation zusammen.

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