Krumme MöhrenDiscounter Penny gibt hässlichem Gemüse eine Chance

Lesezeit 3 Minuten
Möhren

Auch krumme Möhren haben eine Chance verdient.

  • Vom 25. April an verkauft die Rewe-Tochter etwa ein Dutzend Produkte, darunter Kartoffeln, Karotten, Tomaten und Paprika mit optischen Makeln unter der Marke „Naturgut Bio-Helden“.
  • Wie viele Lebensmittel mit Schönheitsfehlern verkauft werden, hängt von Saison und Witterung ab.

Köln – Vier Kilogramm pro Quadratmeter – so viele Kartoffeln erntet Axel Altenweger auf seinem ökologischen Gutshof in Niedersachsen im Schnitt. Doch davon kommen lediglich etwa zweieinhalb Kilo in den Läden an. Das Problem: Wie Obst und Gemüse bestimmter Klassen aussehen muss, ist streng geregelt. Kartoffeln, die nicht dem Schönheitsideal entsprechen, werden aussortiert. Der Discounter Penny will dem nun entgegenwirken.

Kleine optische Mängel

Vom 25. April an verkauft die Rewe-Tochter etwa ein Dutzend Produkte, darunter Kartoffeln, Karotten, Tomaten und Paprika mit optischen Makeln unter der Marke „Naturgut Bio-Helden“. „Damit nehmen wir nun auch die Handelsklasse II ins Sortiment“, sagt Konzernsprecher Andreas Krämer. Diese Bio-Produkte mit kleinen optischen Mängeln werden nicht gesondert verkauft oder günstiger angeboten, sondern sind Bestandteil der Packung. Wie viele Lebensmittel mit Schönheitsfehlern dabei sind, hängt auch von Saison und Witterung ab, sagt Jochen Baab, Geschäftsführer des Rewe-Einkaufs sowie Mitglied der Geschäftsleitung von Penny. Er schätzt aber, dass es bis zu 25 Prozent sein können. „Das bedeutet also nicht, dass künftig automatisch jede zweite Kartoffel im Netz einen Makel hat“, sagt Baab.

Penny will damit mehr Toleranz für schief gewachsene Gurken und pickelige Kartoffeln schaffen. Das unterstützt auch NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel: „Alle Lebensmittel, die auf unseren Feldern angebaut werden, müssen auch eine entsprechende Wertschätzung erfahren. Die Qualität einer krummen Möhre unterscheidet sich dabei nicht von der einer genormten geraden“, sagte Remmel bei der Projekt-Vorstellung in Köln.

Gewaltige Lebensmittelverschwendung

Jedes achte Lebensmittel, das wir einkaufen, wird weggeworfen. Das gibt die Initiative „Zu gut für die Tonne“ an, ein Projekt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Rechnerisch sind dies pro Person mehr als 80 Kilogramm pro Jahr, was zwei vollgepackten Einkaufswagen entspricht oder – umgerechnet auf den Wert – 235 Euro im Jahr, die in der Tonne landen.

Dabei werfen Menschen vor allem Lebensmittel weg, die ihrer Meinung nach nicht mehr gut genug aussehen. Das betrifft besonders Obst und Gemüse. Genießbar wäre es allerdings noch. Die Initiative empfiehlt, Lebensmittel richtig zu lagern und immer nur so viel einzukaufen, wie man wirklich verbraucht. Reste sollten möglichst noch verwertet werden. (stö)

Auch wenn viele Verbraucher laut Jochen Baab makelloses Gemüse verlangen, hat Landwirt Altenweger auch ganz andere Erfahrungen gemacht. Kartoffeln und Möhren kaufen viele Kunden bei ihm direkt ab Hof. „Über eine krumme Kartoffel hat sich bisher noch niemand beschwert“, erzählt Altenweger.

Aus seiner Sicht müssen vor allem Bio-Bauern „im Gesamtsystem arbeiten“. Sie seien ohnehin schon den Launen der Natur mehr ausgesetzt als konventionelle Landwirte, die gegen Schädlinge Pestizide einsetzen können. Da diese Möglichkeiten einem Bio-Landwirt verwehrt bleiben, habe er oftmals mehr Ausschuss, sagt Altenweger. Der Bio-Landwirt ist überzeugt von der Penny-Initiative. Durch die erweiterten Toleranzen schafften es nun noch mehr Lebensmittel in die Geschäfte als bisher – und seine Arbeit werde mehr geschätzt.

Sortieraufwand könnte sinken

Silke Schwartau, Ernährungsexpertin von der Verbraucherzentrale Hamburg, begrüßt solche Initiativen wie die von Penny. „Vor allem Äpfel müssen häufig behandelt werden, auch im Bio-Bereich mit den erlaubten Mitteln. Wenn die Erzeuger das nicht tun, werden sie ihre Ware nicht los“, sagt Schwartau.

Sollte sich das Konzept der „Bio-Helden“ durchsetzen, könnte der Aufwand möglicherweise zumindest etwas reduziert werden. Franz Westhues, Geschäftsführer der Marktgenossenschaft der Naturland-Bauern, sieht das ähnlich: „Da mehr Größen und Kaliber akzeptiert werden, sinkt auch unser Sortieraufwand, und wir arbeiten effizienter.“

KStA abonnieren