Trotz Roaming-EndeGespräche aus Deutschland ins EU-Ausland können teuer bleiben

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Berlin – Über viele Jahre hinweg haben sich Reisende in Europa über üppige Zuschläge für die Handy-Nutzung im Ausland geärgert. Doch damit ist nun Schluss: Am kommenden Donnerstag fallen die so genannten Roaming-Gebühren in der Europäischen Union weg. Das mobile Telefonieren wird für den deutschen Touristen auf Mallorca oder den italienischen Geschäftsreisenden in London künftig genau so viel kosten wie zu Hause. Gleiches gilt für den Versand von SMS-Kurznachrichten und das mobile Surfen im Internet.

Das bedeutet auch: Niemand muss sich mehr unterwegs am Telefon einschränken, weil er zu hohe Kosten fürchtet. „Das ist eine gute Nachricht für Urlauber und Unternehmen – eigentlich für jedermann“, meint der zuständige EU-Kommissar Andrus Ansip. Um von der neuen Regelung zu profitieren, müssen Verbraucher nichts unternehmen. Es sind keine gesonderten Einstellungen am Handy oder Absprachen mit dem Mobilfunk-Anbieter erforderlich.

Roaming bedeutet wörtlich herumwandern oder streunen. Beim Mobilfunk ist damit gemeint, dass der Kunde sein Gerät auch im Ausland außerhalb des Heimat-Netzes benutzen kann. Die Brüsseler Kommission hatte gemeinsam mit EU-Parlament und -Ministerrat seit mehr als zehn Jahren darauf hingearbeitet, dass dies billiger wird.

Dank der Brüsseler Regulierung sanken die Roaming-Kosten im Laufe der Zeit massiv: Telefonieren und SMS-Versand wurden seit 2007 um 92 Prozent günstiger, das Daten-Roaming verbilligte sich sogar um 96 Prozent. Vor zehn Jahren durften die Mobilfunk-Firmen ihren Kunden bei ausgehenden Anrufen im Ausland noch maximal 49 Cent pro Minute zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. 2015 lag die Obergrenze bei 19 Cent, seit 2016 ist höchstens noch ein Aufschlag von fünf Cent auf den Inlandstarif gestattet.

Pünktlich zum Beginn der Urlaubssaison fällt jetzt am 15. Juni auch dieser Aufschlag weg.  Dann gilt: Ein Gespräch von einem deutschen Handy innerhalb Spaniens, Frankreichs oder Österreichs darf nicht teurer sein als ein Gespräch von einem deutschen Mobiltelefon innerhalb Deutschlands. Für eingehende Anrufe im Ausland fallen gar keine Kosten mehr an.

Gespräche ins Ausland können teurer bleiben

Doch Vorsicht: Ein Gespräch im Ausland ist etwas anderes als ein Gespräch ins Ausland. Wer kurz vor der Abreise aus Deutschland noch einmal den Ferienwohnungs-Vermieter am Mittelmeer anruft, zahlt unter Umständen mehr als bei einem Inlandsgespräch. Hierbei handelt es sich nämlich nicht um Roaming. „Die Preise für Anrufe von zu Hause ins Ausland, auch innerhalb der EU, sind nicht reguliert“, betont die EU-Kommission.

Wie viel der Kunde für solche Anrufe ins EU-Ausland zahlen muss, hängt vom jeweils gewählten Mobilfunk-Tarif ab. Hier lohnt es sich also, noch einmal auf der Webseite des Anbieters die aktuellen Konditionen zu prüfen. Bei einigen Tarifen entstehen keine Extra-Kosten gegenüber Inlandsgesprächen, bei anderen sehr wohl. Es kann je nach Vertrag auch so sein, dass ein Anruf ins ausländische Festnetz genau so teuer ist wie ein Gespräch daheim, beim Anruf in ein ausländisches Mobilfunknetz aber ein Zuschlag fällig wird.

Der deutsche Urlauber, der noch mal kurz den Wohnungsvermieter am Mittelmeer anrufen will, kommt also unter Umständen günstiger weg, wenn er diesen erst im Zielland kontaktiert – oder bei einem Zwischenstopp außerhalb des Heimatlandes. Dann geht es nämlich wieder um Roaming. Und nur hier greifen die neuen Vorschriften.

Billige Auslandsgespräche mit ausländischer SIM-Karte?

Verbraucher sollten auch eine zweite Einschränkung beachten: Auf Druck der Mobilfunk-Anbieter hat der europäische Gesetzgeber einen Mechanismus entwickelt, der dem Missbrauch der neuen Regeln entgegenwirken soll. Es geht vor allem darum zu verhindern, dass sich Verbraucher SIM-Karten aus anderen Ländern mit niedrigen Mobilfunk-Tarifen besorgen und damit dauerhaft telefonieren.

Künftig gilt: Wenn ein Kunde innerhalb von vier Monaten den größten Teil seiner Zeit im Ausland verbringt und sein Handy dort mehr nutzt als zu Hause, kann der Anbieter ihn bitten, die Situation aufzuklären. Wird weiterhin im großen Stil vom Roaming Gebrauch gemacht, darf die Mobilfunk-Firma einen begrenzten Aufschlag erheben. Dieser ist bei Sprachanrufen bei 3,2 Cent je Minute gedeckelt. Für SMS gilt eine Obergrenze von einem Cent. Bei Datendiensten darf der Aufschlag zunächst höchstens 7,70 Euro je Gigabyte betragen. Bis Anfang 2022 sinkt diese Grenze schrittweise auf 2,50 Euro.

Im Zweifelsfall Anbieter vergleichen

Für die Telefonkonzerne waren die Roaming-Gebühren bisher leicht verdientes Geld. Sie stellten sich gegenseitig für das Durchleiten der Gespräche geringere Beträge in Rechnung, als sie von den Kunden verlangten.  Hier und dort in Europa haben Anbieter zuletzt ihre Preise angehoben, um so den bevorstehenden Umsatzausfall zu kompensieren.

„Ich finde das sehr enttäuschend“, meint EU-Kommissar Ansip. Die Unternehmen müssten ihre Tarife bis zum 15. Juni an die neuen Regeln anpassen, andernfalls drohten Strafen. Wer sich als Kunde von seinem Mobilfunk-Anbieter jetzt ungerecht behandelt fühle, solle sich nach einem besseren Angebot umsehen oder sich an die nationale Regulierungsbehörde wenden. In Deutschland ist das die Bundesnetzagentur.

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