ZahnspangenJeder zweite Jugendliche hat eine

Lesezeit 4 Minuten
Immer mehr Jugendliche in Deutschland tragen die ungeliebte Zahnspange. (Bild: dpa)

Immer mehr Jugendliche in Deutschland tragen die ungeliebte Zahnspange. (Bild: dpa)

Drahtesel, Stahlgebiss, Knutschbremse: Es gibt viele Sprüche über Zahnspangen. "Gitterfresse" hatte ein Mitschüler zur Tochter von Britta Bruß gesagt. "Aber das war ein Spaß", sagt die Mutter, "schließlich haben ja gut 50 Prozent in dieser Altersklasse eine Zahnspange." Insgesamt elf Jahre lang hat die heute 18-jährige Tochter der Düsseldorferin Zahnspangen getragen. Begonnen hatte es in der Grundschule mit einer losen Klammer, und weil die erste feste Zahnspange nur an den Frontzähnen Wirkung zeigte, musste sie noch eine zweite feste Zahnspange in Kauf nehmen. "Wir haben deshalb den Kieferorthopäden gewechselt", sagt Britta Bruß. Ihr Tipp: "Als Mutter oder Vater sollte man immer mitgehen zur monatlichen Kontrolle, auch wenn es aufwändig ist. Und bei der Wahl des Kieferorthopäden eher auf die Qualität achten als auf die Wohnortnähe."

Früher hat man Zähne gezogen

Fast 60 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland tragen eine Spange. "Die Zahl hat sich im Vergleich zu früheren Jahrzehnten erhöht", sagt Gundi Mindermann, Bundesvorsitzende des Berufsverbandes der Deutschen Kieferorthopäden. Aus medizinischen und optischen Gründen wird die korrekte Stellung der Zähne heute ernster genommen. Früher hat man Zähne gezogen, so wie bei Britta Bruß, die genau wie ihre Töchter sehr große Zähne in einem kleinen Kiefer hat. Ihr wurden vier bleibende Zähne gezogen, damit der Rest gerade blieb.

Alles zum Thema Stiftung Warentest

Nur um eine perfekte Zahnreihe sollte es Eltern bei der Entscheidung für eine Zahnspange allerdings nicht gehen. Denn generell stehen Zähne nur bei fünf Prozent der Bevölkerung so wie sie sollen, betont die Stiftung Warentest. Nur ein gutes Drittel mit nicht perfektem Gebiss müsse aus medizinischer Sicht behandelt werden. Aber je nach Fehlstellung kann eine möglichst frühe kieferorthopädische Behandlung vorteilhaft sein, etwa bei Lippenbeißen, Daumenlutschen oder offener Mundhaltung. "Solche Angewohnheiten sind häufig allein durch Training abzuwenden, ohne apparative Behandlung oder mit minimalem Aufwand", sagt Gundi Mindermann.

Auch bei einem Kreuzbiss oder bei einem Rück- oder Vorbiss des Unterkiefers kann frühes Einschreiten sinnvoll sein, bei entsprechender Aufnahmefähigkeit des Kindes teilweise bereits ab dem dritten oder vierten Lebensjahr. In der Regel aber beginnt eine kieferorthopädische Behandlung ab der zweiten Phase des Zahnwechsels, wenn also die bleibenden Eck- und Backenzähne durchbrechen (vor Abschluss des Kieferknochenwachstums). Die meisten Kinder werden mit neun oder zehn Jahren mit der Frage konfrontiert, ob sie eine Zahnspange tragen und, wenn ja, was für eine.

Spangentrends

Die meisten, sagt Gundi Mindermann, entscheiden sich für möglichst unsichtbare Zahnspangen oder für ganz bunte. "Viele Kinder wollen die ganz normalen Zahnspangen mit silbernen Befestigungen vermeiden."

Die meisten Patienten bekommen eine feste Zahnklammer. Die Drähte, die dabei den nötigen Druck und Zug aufbauen, werden auf dem Zahn mit so genannten Brackets aus Edelstahl, Kunststoff oder Keramik befestigt. Letztere sind unauffälliger, aber teuer, keine Kassenleistung und nicht für jede Fehlstellung geeignet. Auch bei den Drähten oder Befestigungsgummis (Ligaturen) gibt es Unterschiede in Farbe und Elastizität.

Eine neue Variante sind Bracketfabrikate mit einer Titanklappe als Befestigung. "In diesem Fall kann man keine Farben wählen, aber das Putzen ist durch diese neue Technik leichter, die Behandlungszeit kann sich verkürzen und die Belastung für die Zähne kann geringer sein", sagt Gundi Mindermann.

Kassenleistung reicht meist aus

Hier aber entstehen für Eltern Mehrkosten, denn gesetzliche Kassen zahlen nur den Standard.

Weniger sichtbare Brackets oder elastischere Drähte müssen privat bezahlt werden. Eltern sollten also über Extra-Angebote genau nachdenken, empfiehlt die Unabhängige Patientenberatung (UPD) in Köln. "Gerade bei der Kieferorthopädie wird viel Zusätzliches verkauft", sagt eine Sprecherin.

"Doch ob es wirklich schneller geht, dafür gibt es keine Garantie." Prinzipiell sei die Kassenleistung ausreichend. Experten kritisieren schon lange, dass Kieferorthopäden oft eine private Zuzahlung verlangen und teilweise massiv von der Kassenleistung abraten. Kai Vogel, Gesundheitsexperte bei der Verbraucherzentrale NRW, bestätigt, dass es immer wieder Probleme gebe. "Wenn es um die eigenen Kinder geht, sind viele Eltern bereit, Kosten für höherwertige Modelle zu übernehmen."

Vogel rät, konkret zu klären, was eine teurere Lösung bringt. Wichtig sei es, bei der eigenen Krankenkasse nachzufragen und bei Bedarf die Meinung eines zweiten Kieferorthopäden einzuholen (höchste Qualifikation: Fachzahnarzt für Kieferorthopädie).

Auch die für die Erstattung entscheidende Einstufung in die Kieferorthopädische Indikationsgruppe (KIG) könne man so überprüfen lassen.

KStA abonnieren