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Zwei Kaffee, bitteKochen als kreativer Ausgleich

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Kreativ mit der Kamera und in der Küche: Steffen Missmahl

Kreativ mit der Kamera und in der Küche: Steffen Missmahl

Auf der sonnigen Seite des Bürgersteigs begegnet mir heute dieser Mann, der mehr Themenvorschläge hat als ich unterbringen könnte; weswegen wir uns auf die persönliche Betrachtung dessen einigen, was Steffen Missmahl „eine der schönsten sozialen Aktionen“ nennt: „Essen und trinken und mit vielen Leuten an einem großen Tisch sitzen.“ „Was gab’s denn gestern bei Ihnen?“, frage ich, woraufhin ich den „Saibling in Alufolie“ serviert bekomme.

Der 62-Jährige liebt es zu kochen, weil das für ihn eine kreative Arbeit darstellt und noch dazu etwas ist, womit er sich wunderbar „vom Stress runterholen kann“. „Ich bin jemand, der am laufenden Band Ideen produziert. Da lebe ich von. Deswegen fallen mir auch immer wieder Sachen ein, wenn ich Lebensmittel sehe“, erzählt der Grafiker, der sich auf die Konzeption und Gestaltung von Büchern spezialisiert hat. Zu Beginn seiner Selbstständigkeit habe er auch eine Zeit lang Foodfotografie betrieben. „Das hat sich leider figürlich niedergeschlagen.“

Ein Blick für die Erotik von Lebensmitteln

Lebensmittel abzulichten sei ja doch eine Kunst für sich, sage ich, was Missmahl eingeschränkt bejaht. „Man muss einen Blick für die Qualität haben oder für die Erotik des Lebensmittels.“ Für ihn persönlich sei es wichtig, „dass man nachvollziehen kann, was auf dem Teller landet“. Von daher gefielen ihm diese artifiziellen Darstellungsweisen nicht.

Wir kehren vom Fotoapparat zurück an den Herd, und mich interessiert, für was er sich besonders begeistern kann. Da seine Frau der Schilderung nach ebenfalls gut und gerne koche, herrscht bei Missmahls Arbeitsteilung. „Sie kann Tartes und ausgezeichnete Marmeladen, dafür kann ich große Braten und Fische.“

Bei Marmelade vom Discounter für 99 Cent, da kann doch nur Mist drin sein.

Ich denke an den eingangs erwähnten großen Tisch und reserviere gedanklich schon mal ein Stühlchen, derweil mein Gegenüber die „erstaunlich guten Einkaufsmöglichkeiten in Köln“ anspricht und hinzufügt, dass er für Qualität auch gerne Umwege mache. Genau hier liege ein Problem der Deutschen, sagt der gebürtige Kölner. „Die haben kein Problem damit, wenn ihr Auto 15 Liter Sprit säuft“, aber mal ein Wein für 20 Euro käme keinesfalls in die Tüte. „Bei Marmelade vom Discounter für 99 Cent, da kann doch nur Mist drin sein“, betont Missmahl. Die mache er doch lieber selber und habe auch noch Spaß dabei.

Per Du mit dem Schwein

Ich bringe die Journalistin Hilal Sezgin ins Gespräch, die in ihrem kürzlich erschienenen Buch „Artgerecht ist nur die Freiheit“ unter anderem anprangert, dass jährlich in Deutschland 800 Millionen Tiere zum menschlichen Verzehr geschlachtet werden und möchte von Missmahl wissen, wie er es mit dem Fleischkonsum hält. „Ich bin der klassische Allesfresser“, sagt mein Gegenüber. Allerdings habe auch er was gegen Massenzüchtungen und nicht tiergerechte Schlachtungen. Deswegen kaufe er „beim Metzger meines Vertrauens“, der sich quasi mit dem Schwein geduzt habe.

„Sagen Sie mal ein paar Sätze zur Gastronomie in Köln“, rege ich an. „Die meide ich, denn verarschen kann ich mich auch allein“, entgegnet Missmahl. Die Verhältnismäßigkeit von Preis und Qualität stimme nur in den wenigsten Fällen und wenn, dann bei den Oberliga-Köchen. Und die leiste man sich dann einmal im Jahr. „Ich glaube, dass man zu wenig dafür tut, sein individuelles Wertesystem zu finden und das umzusetzen. Träume sollte man leben, wenn es irgendwie geht. “

Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt? Susanne Hengesbach probiert es aus, in ihrer Serie: Zwei Kaffee, bitte

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