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Reise-Podcaster Schliemann und Dietz„Köln kann es mit allen Orten auf der Welt aufnehmen“

Lesezeit 8 Minuten
Die Podcaster und Autoren Jochen Schliemann (links) und Michael Dietz sitzen nebeneinander vor einer grauen Wand.

Jochen Schliemann (l.) und Michael Dietz lieben das Reisen, aber auch ihre Wahlheimat Köln.

Köln ist als Reiseziel unterschätzt, finden Michael Dietz und Jochen Schliemann. Ein Interview mit den Podcastern und Reise-Experten.

Vor gut fünf Jahren haben die Journalisten und Wahlkölner Michael Dietz und Jochen Schliemann beschlossen, ihre gemeinsame Leidenschaft zum Thema eines Podcasts zu machen. Heute hosten sie mit „Reisen Reisen“ den reichweitenstärksten Reise-Podcast im deutschsprachigen Raum. Bis zu 80.000 Menschen pro Folge hören sich an, was die beiden von ihren Abenteuern durch ferne Städte und Länder, aber auch Orte in der Region berichten – und welche Tipps sie für Köln-Neulinge haben.

Am 23. Februar erscheint ihr gleichnamiges Buch: „Reisen Reisen. Wie wir die Welt entdecken wollen“. Im Gespräch haben uns die Autoren verraten, was Köln für Reisende so besonders macht, was auch Bewohner noch entdecken können – und was sie persönlich an der Stadt mit K nervt.

Tokio, Auckland, Havanna, New York: Als Reise-Podcaster und Abenteurer haben Sie schon viel von der Welt gesehen. Welcher Ort kann es am ehesten mit Ihrer Wahlheimat Köln aufnehmen?

Schliemann: Ich würde die Frage umdrehen und sagen: Köln kann es mit allen Orten auf der Welt aufnehmen! Man lernt auf Reisen ja auch viel über sich selbst und sein Zuhause, indem man verschiedene Lebensrealitäten sieht. Und ein Teil des Reisens ist eben auch das Nachhausekommen, dass man sein Zuhause dann nochmal anders wahrnimmt – und auch schöne, neue Seiten an der eigenen Heimat entdeckt.

Welche zum Beispiel?

Schliemann: Wenn man mit Touristen durch Köln spaziert, ich zum Beispiel mal mit einer Freundin aus Japan, lernt man unsere Sehenswürdigkeiten erst richtig kennen, nicht nur den Dom. Diese Freundin hat Dinge gesehen und mir Fragen gestellt, auf die ich nie gekommen wäre. Das ist eigentlich eine Verneigung gegenüber unserer Wahlheimat.

Köln ist nicht die schönste Stadt der Welt und architektonisch etwas verhaltensoriginell, aber eben spannend.
Michael Dietz, Podcaster und Journalist

Dietz: Nehmen wir die Venloer Straße. Wir Kölnerinnen und Kölner denken als Erstes: Voll eng, voll nervig! Wenn man aber als Tourist nach Köln kommt und die Venloer aus der Innenstadt mal ganz raus bis zum Alpenerplatz läuft, das alles mal auf sich wirken lässt – wie großartig diese Straße ist! Cafés, Restaurants, Clubs, Nachtleben, morgens früh Gemüseläden. Man geht an einer Moschee vorbei, an Kirchen. An einer Stelle ist es schrammelig, an der anderen total hip. Es treffen sich dort ganz unterschiedliche Menschen, diese Straße ist so international! Oder, nehmen wir Rodenkirchen: Wir haben einen richtig schönen Strand am Fluss! Durch das Reisen kriegt man nochmal eine andere Perspektive auf diese Stadt Köln, die durch ihre Geschichte natürlich nicht die schönste der Welt und architektonisch etwas verhaltensoriginell ist, aber eben spannend.

Wie legt man in der eigenen Stadt die „Bewohnerbrille“ ab? Wie gelingt Ihnen das?

Schliemann: Ich glaube, wenn man nur zwei-, dreimal anders abbiegt als sonst und sich so ein bisschen auf den Moment einlässt, dann geht das. Wenn man mal andere Leute beobachtet. Es ist auch eine Frage der Einstellung, glaube ich. In der Pandemie sind wir alle viel spazieren gegangen, ich zum Beispiel durch mein eigenes Veedel in Riehl. Und dieses Villenviertel an der Flora ist unfassbar schön. Hier wurde mit St. Engelbert eine architektonisch unglaublich schöne Kirche hochgezogen, die ich die ersten fünf Jahre meiner Existenz in Riehl nicht mal gesehen habe.

Dietz: Weil Jochen gerade von Spazieren spricht: Ich war sogar richtig wandern in dieser Zeit. Es gibt einen Köln-Pfad, den ich nur empfehlen kann. Ich war vorher zum Beispiel noch nie in Zündorf oder in dem Gebiet zwischen Köln und Leverkusen. Dort bin ich auf tolle Baggerseen gestoßen, auf Waldstücke, sogar auf sowas wie eine Alm. Auf dem Pfad gibt es einen Abschnitt, in dem man das Gefühl hat, im Allgäu zu sein. Da ist eine Kuhwiese, da wird Milch verkauft. Und in der Ferne sieht man den Colonius. Ich glaube, wenn man lange hier lebt, hat man so seine eingetretenen Wege, aber Köln ist auch eine gute Stadt zum Reisen, auch weil hier dann doch eine großartige Atmosphäre herrscht.

Woran denken Sie, wenn Sie von Atmosphäre sprechen?

Dietz: Hier passiert alles sehr, sehr eng nebeneinander. München und Hamburg zum Beispiel sind homogener als Köln. Köln hat diese Wildheit, diese offene Wildheit im positiven Sinne, dass so viel nebeneinander passiert und man sich trotzdem versteht. Und das hat nichts mit „Wir sind so tolerant“ oder dem alten Satz, „In der Kneipe in Köln ist man nie allein“, zu tun. Man ist auch in Köln manchmal in der Kneipe allein und es gibt tolerante und intolerante Menschen. Aber diese Bandbreite und dieses Miteinander, dass man sich machen lässt, das sehe ich in Köln viel öfter als in anderen Städten auf diesem Planeten.

Schliemann: Ich als Norddeutscher kann sagen: Köln macht es einem sehr leicht, anzukommen und sich einzufinden. Köln ist erstmal sehr nett. Ich will jetzt nicht zu sehr Klischees reiten, aber finde schon, dass Köln die toleranteste Stadt in Deutschland ist. Auch wenn das nicht heißt, dass man alles und jeden abfeiern muss.

Michael Dietz (links) und Jochen Schliemann sitzen lächeln nebeneinander, im Hintergrund eine sonnenbeschienene, bunte Stadt.

„Reisen ist auch eine Einstellung“, sagt Jochen Schliemann (r.). Über einige ihrer Abenteurer haben die Kölner Podcaster jetzt ein Buch geschrieben.

In Ihrer Podcast-Folge über Köln sagen Sie, Herr Schliemann, aber auch: „Man weiß, was einen nervt, man weiß, was einem gefällt“. Erzählen Sie mal: Was nervt an Köln?

Schliemann: Es nervt mich nicht wirklich, aber ich glaube, wenn man Köln liebt oder aus Köln stammt, findet man die Stadt schon schöner als sie auf dem Papier ist. Also sooo schön ist die Stadt dann, finde ich, nicht. So ein bisschen wie Michael und ich: Wir sehen ja auch höchstens mittelmäßig aus, wir kommen eher über Inhalte. Das tut Köln auch. Das ist nicht wirklich eine Kritik, nur ist Köln eben nicht Paris, wo du mit offenem Mund durchfährst. Aber das macht nichts.

Dietz: Ich kann dir helfen. Mich nerven Sachen. Köln ist verkehrstechnisch eine Katastrophe.

Schliemann: Das wollte ich gerade noch sagen …

Dietz: Ja, da warst du zu langsam, wie die KVB. (lacht)

Schliemann: Ich stand neulich an der Bahnhaltestelle und da war ein älteres Ehepaar, das sich den Fahrplan der KVB angeschaut hat und versucht hat, danach seinen Tag zu organisieren. Ich habe ihnen dann sehr schonend beigebracht, dass niemand, der länger in dieser Stadt wohnt, auf diese Fahrpläne guckt. Das ist ja völlig absurd. Und wenn man bedenkt, wo wir mit Städten hin müssen beziehungsweise hin wollen, auch was Wohnraum oder Lebensqualitätsraum angeht, dann ist, um es positiv zu formulieren, Luft nach oben.

Dietz: Ich empfehle immer, das ist ja alles nicht so weit weg von Köln, einfach mal ein Wochenende in Utrecht. Utrecht sehen und lernen. Und das Gesehene mit zurücknehmen nach Köln. Das würde ich mir wünschen.

Ein Plus ist, zu verstehen, wie nah viele tolle Ort an Köln dran liegen.
Jochen Schliemann, Podcaster und Autor

Auch sonst gibt es vor den Toren Kölns ja viel zu sehen und lernen, Stichwort „Mikro-Abenteuer“. Welche Ausflugsziele sollten Kölnerinnen und Kölner auf dem Schirm haben?

Schliemann: Ein Plus ist, zu verstehen, wie nah viele tolle Orte an Köln dran liegen. Ich war mal in Wuppertal-Beyenburg – ein Stadtteil, in dem nur alte Fachwerkhäuser stehen, eine ganze Siedlung voller wunderschöner Fachwerkhäuser. Das ist etwa eine Stunde mit dem Auto entfernt und du tauchst in eine völlig andere Welt ein. Vieles ist aber auch gut mit dem ÖPNV zu erreichen. Das Rolandseck am Rhein zum Beispiel, auch wenn das schon in Rheinland-Pfalz liegt. Da fährt man mit der Bahn raus, nicht mal eine Stunde von Köln, und kommt am grandiosen Kunstmuseum Arp an, kann dort einen schönen kulturellen Tag verbringen, oben im Restaurant mit fantastischem Blick auf den Drachenfels etwas essen, mit der Fähre über den Rhein setzen und dort mit einer anderen Bahn wieder heimfahren. Allein die Fähre ist der Hammer, weil der Fährmann noch so kleine Papiertickets verkauft, für 50 Cent. Das ist, wie wenn du als Kind in den Zirkus gegangen bist. Einfach eine kleine, andere Welt.

Nun liegt leider nicht jedes tolle Reiseziel gleich ums Eck, und ein großes Thema bei Ihnen ist Nachhaltigkeit. Wie reise ich ohne schlechtes Gewissen?

Dietz: Man muss sich bewusst sein: Am besten für das Klima ist es, wenn man zuhause bleibt. Aber ich glaube, dass Reisen in einer globalisierten Welt auch eine Kulturtechnik ist, die wir brauchen. Es geht darum, bewusst zu reisen. Wir versuchen, nicht den Zeigefinger zu erheben, sondern vorzuleben, dass eine Zugreise, auch wenn sie vielleicht drei, vier Stunden länger dauert als ein Flug, kein Nachteil ist. Du kommst am Ende mitten in der Stadt an und hast währenddessen noch etwas gesehen. Und wenn du doch mal fliegen musst, weil du eine Fernreise machst, dann mach sie lang. Flieg nicht für eine Woche nach Bangkok! Und geh vor Ort in ein Guesthouse oder Hotel, das von Einheimischen geführt wird und nicht in den Bunker, bei dem es am Buffet Schnitzel und Kölsch gibt. Es gibt einen ganzen Blumenstrauß an Kleinigkeiten, die schon etwas bringen. Wir werden immer reisen, aber ich hoffe, dass sich die Menschen in Zukunft mehr Zeit dafür nehmen, bewusster reisen. Jochen und ich versuchen darüber hinaus, jeden Kilometer, nicht nur die Flugmeilen, zu kompensieren. Damit kann man sich nicht freikaufen, aber es hilft auch schon, das Ganze vielleicht ein bisschen auszugleichen.


Das Buch „Reisen Reisen: Wie wir die Welt entdecken wollen“ (224 Seiten, 18,- Euro) erscheint am 23. Februar im Piper Verlag. Wer über den Online-Shop des Nippeser Buchladens „Einzig und Artig“ (Neusser Str. 197, 50733 Köln) vorbestellt, erhält auf Wunsch kostenlos eine Signatur und persönliche Widmung durch die Autoren.