Innenstadt – Im Oktober eröffnet in der Innenstadt Kölns größte offene Kunstgalerie. Zahlreiche Besucher sind ihr gewiss, denn Ausstellungsorte sind die Hohe Straße und die Schildergasse. In Schaufenstern leerstehender Ladenlokale werden auf großformatigen Flächen Kunstwerke gezeigt. An der Aktion „Open Art Gallery“ sind die Stadt und der Verein Stadtmarketing beteiligt, die Köln Business Wirtschaftsförderungs-GmbH sowie Unternehmen aus der Immobilienbranche.
Das Projekt, für das sich fast 90 Künstler und Künstlerinnen beworben hatten, ist ein Beispiel dafür, wie sich den beiden Einkaufsmeilen, die unter der – von der Corona-Pandemie befeuerten – Krise im City-Einzelhandel leiden, ein neuer Impuls geben lässt. Um die Straßen dauerhaft zu stärken, hat die Stadt im vorigen Jahr den Leitbildprozess „Handelslagen Hohe Straße/Schildergasse“ angestoßen.
Kölner Hohe Straße und Schildergasse zählen zu meistfrequentierten Einkaufsstraßen
In ihrem Auftrag und in enger Abstimmung mit ihr hat das Dortmunder Stadtplanungsbüro „Stadt + Handel“ die Situation und die Trends analysiert und einen Katalog mit konkreten Maßnahmen und Entwicklungsstrategien erarbeitet; in das Leitbild eingeflossen sind die Interessen und Ideen innerstädtischer Akteure wie Immobilieneigentümer und Gewerbetreibende. Am Dienstagabend wurden bei der Abschlussveranstaltung im Antoniter-Quartier an der Schildergasse die wichtigsten Ergebnisse des Prozesses vorgestellt.
Man solle nicht vergessen, dass Hohe Straße und Schildergasse weiterhin zu den „Top Ten“ der meistfrequentierten Einkaufsstraßen in Deutschland gehörten, sagte Manfred Janssen, Geschäftsführer von Köln Business. Doch es führe kein Weg daran vorbei, sich neu aufzustellen. „Wenn ein Kunde weiß, was er kaufen will, findet er es im Internet.“ Also müssten die Einkaufsmeilen attraktiver werden, zu einem „Ort der Überraschung, wo man sich inspirieren lässt“.
Wirtschaftsdezernent: Kölner City alltagstauglicher machen
Dazu gehörten Gastronomie, Kunst und Kultur. Auch Andree Haack, als Dezernent unter anderem für Stadtentwicklung und Wirtschaft zuständig, betonte, zur Steigerung der Attraktivität seien über den Einzelhandel hinausgehende „neue Nutzungen“ nötig. Nicht alles müsse „auf Konsum ausgerichtet“ sein. Es gehe darum, die City „alltagstauglicher, als Wohnzimmer erlebbar“ zu machen. Wichtig für das Gelingen der Neuorientierung sei, dass die Stadt, Immobilieneigentümer und Einzelhändler an einem Strang ziehen.
Das Leitbild sieht auf der Basis der gegebenen Verhältnisse eine stärkere Profilierung der beiden Straßen vor, unterteilt in sechs „Quartiere“ genannte Abschnitte. Die Hohe Straße im Bereich des Wallrafplatzes ist als „Luxus mit Domblick“ definiert, als „hochwertiges Entree zu den Handelslagen“. Den mittleren Bereich nannte Jens Nußbaum vom Büro „Stadt + Handel“ „trubeliger“; im Leitbild ist er als „Kölner Schaufenster“ ausgewiesen, als „Laborraum der Kölner Innenstadt“.
Kölner Zentralbibliothek zieht in den Lego-Store
Hier seien „experimentelle Formen“, Pop-up-Konzepte und Gastronomie in den Seitenstraßen geeignet, sagte Nußbaum. Der letzte Abschnitt gilt als „Young Fashion Destination - Jung & Up to date“. So oder so wird dieser Straßenteil demnächst belebter sein, denn in den Komplex mit dem Lego-Store zieht für mehrere Jahre die Zentralbibliothek ein.
Was sich an diesen Abschnitt anschließt, bezeichnete Katharina Ruhr von „Stadt + Handel“ wegen des Übergangs zur Schildergasse mit ihren Flagship-Stores als „Scharnierquartier“, das eine attraktivere Platzgestaltung vertragen könnte. Der Mittelteil heißt im Leitbild „Kölns schönster Shopping-Boulevard“. Dessen Charakter ließe sich etwa mit Baumpflanzungen weiterentwickeln, sagte Ruhr.
Boulderhalle im Kämpgen-Gebäude geplant
In diesem Bereich findet sich übrigens ein weiteres Beispiel für eine neuartige Nutzung: Im ehemaligen Gebäude des Schuhhauses Kämpgen gegenüber der Antoniterkirche, das komplett umgebaut wird, soll in den oberen Etagen eine Boulderhalle entstehen, eine Halle zum Klettern ohne Seil und Gurt an Steilwänden. Das sechste „Quartier“ ist unter Einbeziehung des Neumarkts als „pulsierendes Tor zu den Shopping-Meilen“ gekennzeichnet. Aufgewertet werden könnte es laut Ruhr beispielsweise mit Festen, anderen Veranstaltungen, einer Ladestation für E-Bikes oder einem Trinkwasserbrunnen.
Frank Wenzel, Geschäftsführer der Kapitalverwertungsgesellschaft Aachener Grundvermögen, die viele Gebäude in den beiden Straßen besitzt, lobte das Leitbild mit seiner differenzierten Herausarbeitung der Quartiers-Profile. Daran interessiert, dass der Wert ihrer Immobilien nicht verfalle, seien viele Eigentümer bereit mitzumachen, sagte er. „Am Ende des Tages“ rechne es sich, nicht nur auf den schnellen Gewinn durch hohe Mieten zu achten.
Untere Stockwerke sollen für Handel, obere anderweitig genutzt werden
Die Chance liege in der „Geschossigkeit“, das heißt: Während die Ladenlokale im Parterre weiterhin dem Handel, der nach wie vor der „Hauptfrequenzbringer“ sei, vorbehalten bleibe, könnten die oberen Stockwerke anderweitig genutzt werden. Annett Polster von Stadtmarketing war es, die kurz ein weiteres – und dauerhaftes – Problem der Straßen ansprach: Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit: „In diesem Jahr haben wir wieder eine Abwärtsspirale erlebt.“
Wie soll es nun weitergehen? Mit Blick auf Vorschriften wie die des Baurechts, die bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Hindernis werden könnten, sagte Dezernent Haack: „Wir bemühen uns um Genehmigungen.“ Zudem habe die Stadt einen Antrag gestellt, um Fördermittel aus dem Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ zu bekommen. Mit dem Geld solle ein Zentrumsmanagement eingerichtet werden, in dem Aufgaben und Interessen gebündelt sind.
Nachhaltigkeit wurde berücksichtigt
Unter den Gästen aus Politik und Verwaltung, Eigentümerschaft und Gewerbe war Innenstadt-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke, der einen gewichtigen Aspekt ansprach: den Klimawandel. In der City sei es „sechs Grad wärmer als in Rodenkirchen. Die Menschen kommen nicht in die Innenstadt, wenn es zu heiß ist“. Nußbaum erwiderte: „Nachhaltigkeit spielt immer eine Rolle“; sie sei im Leitbild berücksichtigt.