AboAbonnieren

Kölner Mutter über Inflation„Frage mich, wie wir uns das Leben noch leisten sollen“

Lesezeit 4 Minuten
Goldbach

Mareike Goldbach (38) ist alleinerziehende Mutter.

Köln – 100 Euro hat Mareike Goldbach für sich und ihre drei Töchter Celine, Rachel und Ashley pro Woche zur Verfügung, um einzukaufen. 3,60 Euro pro Person und Tag. „Manchmal frage ich mich, wie wir uns das Leben auf Dauer noch leisten sollen“, sagt die alleinerziehende Mutter aus Vingst.

Lieblingsessen der Kinder fast doppelt so teuer

Ein halbes Pfund Margarine koste nicht mehr 1,20 Euro, sondern zwei Euro. Die Fischstäbchen, die ihre Kinder so lieben: „Letztes Jahr 1,99 Euro, jetzt 2,85 Euro. Der Weichspüler: 2,15 statt 1,95 Euro.“ Wenn sie die Lebensmittel durchgeht – Nudeln, Tomatensauce, Reis, Milch, Kekse, Gemüse – alles teurer. Besonders krass natürlich der Sprit: „Wir haben einen Kleinwagen, der Diesel braucht, der kostet fast doppelt so viel wie vor einem Jahr.“

„Ich frage mich, wo wir noch sparen können“

Die 38-jährige Kölnerin arbeitet dreimal pro Woche für sieben Stunden in einer Schulmensa in Mülheim. Wie sieben Millionen andere Menschen in Deutschland erhält sie Transferleistungen: Wohngeld und Unterhalt vom Staat, weil der Vater nicht zahlt. „Manchmal kommt man abends ins Grübeln, wie das weitergehen soll, wo man noch sparen kann“, sagt Goldbach. Inzwischen kaufe sie keine Markenprodukte mehr – „auch wenn die zum Teil am besten schmecken“. Beim wöchentlichen Einkauf achte sie auf Sonderangebote – und gehe öfter in zwei Supermärkte, um die billigsten Produkte zu kaufen.

Alles zum Thema Christian Lindner

Tipps vom Energieberater

In der 69-Quadratmeter-Wohnung hat sie Bewegungsmelder anbringen lassen, um Licht nur dann zu nutzen, wenn es auch gebraucht wird. Die Alleinerziehende hat sich von einem Energieexperten beraten lassen, um Strom, Gas und Wasser zu sparen. Wasser- und Energieverbrauch sind optimiert.

„Wir brauchen es nicht sehr warm, man kann im Winter auch mal einen Pullover anziehen“, sagt sie. Dass man mit Geld haushalten müsse, habe sie von ihren Eltern gelernt. Für sie selbst sei das auch kein Problem – Sorgen mache sie sich wegen der Kinder. „Die haben auch ihre Bedürfnisse – und müssen oft verzichten.“

Tochter gibt selbst verdientes Geld dazu

Jeden Tag ins Freibad zu gehen, sei trotz Vergünstigung durch den Köln-Pass genauso wenig drin wie an jedem heißen Tag ein Eis oder mal eine Pommes zwischendurch. Die 15-jährige Celina trägt einmal pro Woche Zeitungen aus. „Von dem Geld habe ich auch etwas für den Urlaub dazugegeben und gebe meinen Schwestern etwas ab“, sagt sie.

Eine Woche war Mareike Goldbach in den Sommerferien in Norddeich, im vergangenen Jahr waren Mutter und Töchter ein Wochenende an der Nordsee. „Die Woche jetzt war teuer, sie hat ein ziemliches Loch in unsere Kasse geschlagen – dabei haben wir auch im Urlaub immer geschaut, was geht und was nicht“, sagt die Mutter. „Ich war als Kind schonmal vier Wochen mit der Familie campen. So etwas ist leider völlig undenkbar.“

Goldbach hat sich ihren Balkon zu einem Kleinod gemacht. Die Geranien blühen, in der Ecke steht ein Eimer Sand von der Nordsee. Im Wohnzimmer, das gleichzeitig ihr Schlafzimmer ist, hat sie eine Tapete mit Meer im Sonnenuntergang angebracht, auf der anderen Seite gerahmte Bilder von der Nordsee. „Die Möglichkeit, zwischendurch mal rauszukommen, fehlt mir – auch weil in einer kleinen Wohnung der Platz fehlt, um sich mal zurückzuziehen und auf andere Gedanken zu kommen.“

Eltern sollen Papiertücher in der Schule zahlen

Mit Schulbeginn steigen auch die Ausgaben wieder. Für Schulbücher und -materialien rechnet sie mit 100 Euro pro Kind, für die sie keine staatliche Unterstützung erhält. „Jetzt haben wir die Nachricht bekommen, dass die Eltern die Papiertücher zum Händeabtrocknen selbst zahlen sollen.“ Warum das nicht die Schulen übernehmen könnte, frage sie sich wie viele andere Eltern auch.

Weil die Kosten steigen, wechselt Goldbach im November den Job: Sie arbeitet dann wieder in ihrem gelernten Beruf als Metzgereifachverkäuferin. 200 bis 300 Euro mehr könnten dann für sie und ihre Töchter übrig bleiben – wenn der Staat nicht einen Teil des Mehrverdienstes von den Transferleistungen abzieht. Sie hoffe, dass das nicht passiert, sagt Mareike Goldbach. „Den neuen Gasabschlag haben wir nämlich noch nicht bekommen.“ Wenn sie in den Nachrichten hört, dass Finanzminister Christian Lindner Steuerentlastungen vorschlägt, die vor allem Menschen mit mittleren und hohen Einkommen entlasten, versteht sie das nicht. „Wir werden zu wenig gesehen“, sagt sie.